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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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, Um zu sehen, wie weit Belgien zur Erfüllung dieser letztern
Aufgabe bis jetzt gekommen ist, wollen wir die hauptsächlichsten
Momente herausheben, welche den Gang des öffentlichen Unterrichts
bezeichnen.

Wenige Wochen, nachdem die belgischen Provinzen sich als
einen eignen Staatskörper constituirt hatten, erließ die provisorische
Regierung am 12. October I83V ein Decrer, kraft dessen "dieVer¬
fügungen, welche die Freiheit des Unterrichts bisher behindert hatten,
für ausgehoben" erklärt wurden. Sie entsprach dadurch einem
dringenden Verlangen der Patrioten, welche in dem bestehenden
Lehrzwange einen Hauptgrund zur Lossagung von dem niederländi¬
schen Staatsverbande gesucht hatten. Das Bestreben des frühern
Regiments ging bekanntermaßen darauf aus, die südlichen Theile
des Königreichs den nördlichen völlig zu assimiliren. Zu diesem
Behuf bediente es sich auch der Schulen, als des geeignetsten Mit¬
tels, um holländische Sprache und Bildung unter die Bewohner der
belgischen Lande zu verpflanzen. Während der niederländischen Zeit
war das Schulwesen ganz in die Hand des Staates gelegt; die
Errichtung der Schulen, die Beaufsichtigung aller Anstalten, die
Autorisation zu Privatstiftungen hing einzig und allein von der Cen-
tralgewalt ab. Ein großes Verdienst lag gewiß darin, daß die
niederländische Regierung durch normal- und Musterschulen direct
auf die Verbesserung des Lehrwesens zu wirken suchte; aber sie ver¬
fuhr dabei in einem Sinne, der die südlichen Landestheile, in denen
der Eleruö sich immer mehr und mehr von den Lehrstühlen entfernt
sah, gegen sie aufbringen mußte. Ihre Einrichtungen nahmen den
Charakter eines gehässigen Zwanges an, wo sie, wie durch die Vor¬
schrift bestimmter Methoden in den Volksschulen, den bestehenden
Gebräuchen und Lehrweisen schroff entgegentrat, und ihnen den Raum
zur allmäligen Umbildung abschnitt. Indeß fallen dergleichen stren¬
gere Maßregeln erst in die letzten Jahre vor der Revolution und
sie wurden in Belgien niemals zu vollständiger Ausführung gebracht.

Indem die provisorische Regierung in Brüssel den Ausspruch
that, daß jedem Belgier das Recht zustehe, Schulen M gründen und
zu unterhalten, fügte sie zugleich; um ihre Betheiligung an dem Un<
terrichte festzustellen, die Bestimmung hinzu, daß "die vom Staat
unterhaltenen Universitäten und Kollegien, desgleichen die den Elemen-


, Um zu sehen, wie weit Belgien zur Erfüllung dieser letztern
Aufgabe bis jetzt gekommen ist, wollen wir die hauptsächlichsten
Momente herausheben, welche den Gang des öffentlichen Unterrichts
bezeichnen.

Wenige Wochen, nachdem die belgischen Provinzen sich als
einen eignen Staatskörper constituirt hatten, erließ die provisorische
Regierung am 12. October I83V ein Decrer, kraft dessen „dieVer¬
fügungen, welche die Freiheit des Unterrichts bisher behindert hatten,
für ausgehoben" erklärt wurden. Sie entsprach dadurch einem
dringenden Verlangen der Patrioten, welche in dem bestehenden
Lehrzwange einen Hauptgrund zur Lossagung von dem niederländi¬
schen Staatsverbande gesucht hatten. Das Bestreben des frühern
Regiments ging bekanntermaßen darauf aus, die südlichen Theile
des Königreichs den nördlichen völlig zu assimiliren. Zu diesem
Behuf bediente es sich auch der Schulen, als des geeignetsten Mit¬
tels, um holländische Sprache und Bildung unter die Bewohner der
belgischen Lande zu verpflanzen. Während der niederländischen Zeit
war das Schulwesen ganz in die Hand des Staates gelegt; die
Errichtung der Schulen, die Beaufsichtigung aller Anstalten, die
Autorisation zu Privatstiftungen hing einzig und allein von der Cen-
tralgewalt ab. Ein großes Verdienst lag gewiß darin, daß die
niederländische Regierung durch normal- und Musterschulen direct
auf die Verbesserung des Lehrwesens zu wirken suchte; aber sie ver¬
fuhr dabei in einem Sinne, der die südlichen Landestheile, in denen
der Eleruö sich immer mehr und mehr von den Lehrstühlen entfernt
sah, gegen sie aufbringen mußte. Ihre Einrichtungen nahmen den
Charakter eines gehässigen Zwanges an, wo sie, wie durch die Vor¬
schrift bestimmter Methoden in den Volksschulen, den bestehenden
Gebräuchen und Lehrweisen schroff entgegentrat, und ihnen den Raum
zur allmäligen Umbildung abschnitt. Indeß fallen dergleichen stren¬
gere Maßregeln erst in die letzten Jahre vor der Revolution und
sie wurden in Belgien niemals zu vollständiger Ausführung gebracht.

Indem die provisorische Regierung in Brüssel den Ausspruch
that, daß jedem Belgier das Recht zustehe, Schulen M gründen und
zu unterhalten, fügte sie zugleich; um ihre Betheiligung an dem Un<
terrichte festzustellen, die Bestimmung hinzu, daß „die vom Staat
unterhaltenen Universitäten und Kollegien, desgleichen die den Elemen-


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[0072] , Um zu sehen, wie weit Belgien zur Erfüllung dieser letztern Aufgabe bis jetzt gekommen ist, wollen wir die hauptsächlichsten Momente herausheben, welche den Gang des öffentlichen Unterrichts bezeichnen. Wenige Wochen, nachdem die belgischen Provinzen sich als einen eignen Staatskörper constituirt hatten, erließ die provisorische Regierung am 12. October I83V ein Decrer, kraft dessen „dieVer¬ fügungen, welche die Freiheit des Unterrichts bisher behindert hatten, für ausgehoben" erklärt wurden. Sie entsprach dadurch einem dringenden Verlangen der Patrioten, welche in dem bestehenden Lehrzwange einen Hauptgrund zur Lossagung von dem niederländi¬ schen Staatsverbande gesucht hatten. Das Bestreben des frühern Regiments ging bekanntermaßen darauf aus, die südlichen Theile des Königreichs den nördlichen völlig zu assimiliren. Zu diesem Behuf bediente es sich auch der Schulen, als des geeignetsten Mit¬ tels, um holländische Sprache und Bildung unter die Bewohner der belgischen Lande zu verpflanzen. Während der niederländischen Zeit war das Schulwesen ganz in die Hand des Staates gelegt; die Errichtung der Schulen, die Beaufsichtigung aller Anstalten, die Autorisation zu Privatstiftungen hing einzig und allein von der Cen- tralgewalt ab. Ein großes Verdienst lag gewiß darin, daß die niederländische Regierung durch normal- und Musterschulen direct auf die Verbesserung des Lehrwesens zu wirken suchte; aber sie ver¬ fuhr dabei in einem Sinne, der die südlichen Landestheile, in denen der Eleruö sich immer mehr und mehr von den Lehrstühlen entfernt sah, gegen sie aufbringen mußte. Ihre Einrichtungen nahmen den Charakter eines gehässigen Zwanges an, wo sie, wie durch die Vor¬ schrift bestimmter Methoden in den Volksschulen, den bestehenden Gebräuchen und Lehrweisen schroff entgegentrat, und ihnen den Raum zur allmäligen Umbildung abschnitt. Indeß fallen dergleichen stren¬ gere Maßregeln erst in die letzten Jahre vor der Revolution und sie wurden in Belgien niemals zu vollständiger Ausführung gebracht. Indem die provisorische Regierung in Brüssel den Ausspruch that, daß jedem Belgier das Recht zustehe, Schulen M gründen und zu unterhalten, fügte sie zugleich; um ihre Betheiligung an dem Un< terrichte festzustellen, die Bestimmung hinzu, daß „die vom Staat unterhaltenen Universitäten und Kollegien, desgleichen die den Elemen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/72>, abgerufen am 23.07.2024.