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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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erfrischungslustig geworden >var. Glücklicherweise wurde jetzt ein
kaltes Frühstück bereitet und die Gesellschaft beeilte sich, die Poesie
der kalten Küche mit mehr Eiser zu genießen, als die Poesie der schönen
Natur. Die gebratenen Hühner, die Knackwürste, die Pasteten ver¬
schwanden mit der Schnelligkeit eines fliegenden Vogels. Vergebens
versuchte Madame Pasta uns die malerische Schönheit der Land¬
schaft verständlich zu machen; die Augen der Gesellschaft streiften
gletchgiltig umher, um mit weit größerem Behagen zu den hand¬
greiflichen Elementen unseres Frühstücks zurückzukehren. Bald wa¬
ren die Teller nur mit Knochen bedeckt, die Weinflaschen hatten den
letzten Tropfen ihres Blutes hergegeben und nun erst begann die
Landschaftsbegeisterung über uns zu kommen. Wir standen auf dem
" Gipfel eines der höchsten Berge dieses Landstrichs, eine doppelte Al¬
penkette umzog ihn nördlich, während die herrlichen Ebenen der
Lombardei sich vor uns ausdehnten und unser Blick über zehn
Städte streifte, welche in der verschiedenartigsten Beleuchtung ihre
Thürme emporstrcckten.

Nqchdein wir Magen und Augen gehörig gesättigt, rasteten
wir im Kloster ein wenig aus. Und nun übernahm unsere reizende
Wirthin die Mühe, uns zu unterhalten. Die Pasta ist noch immer
eine schöne und edle Gestalt; wenn nicht etwa die zwei Jahre, die seit
jenem Besuche verstrichen sind, sie stark verändert haben. Ihre Haare,
die sie in zusammcngewundenen Flechten ans dem Hinterhaupte ->, I-"
Nil!M!t!5v befestigt trägt, sind glänzend schwarz und von einer be-
neidenswerthen Fülle. Das Auge ist feurig und doch sanft, die ge¬
wölbten Brauen verrathen, welche Leidenschaft sie auszudrücken
im Stande sind, und die Umrisse ihres Gesichtes haben ein echt
römisches Gepräge. Die Arme dieser Künstlerin sind von einer so
sprichwörtlichen Schönheit, daß ein berühmter Bildhauer einst sagte,
die Arme, welche der medicäischen Venus fehlten, seien im Besitz
der Madame Pasta. Im Ganzen haben die italienischen Frauen
vor den deutschen den ungeheuern Vortheil voraus,, daß sie früher
reifen und weit später altern. Madame Pasta steckte die ganze
Gesellschaft mit ihrer Fröhlichkeit an; sie sang und spielte uns ko¬
mische Scenen vor, copirte berühmte Schauspieler mit komischen Ge¬
sten. Wenn man bedenkt, daß diese Frau nicht nur die eine von
den zwei berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit war, sondern auch


erfrischungslustig geworden >var. Glücklicherweise wurde jetzt ein
kaltes Frühstück bereitet und die Gesellschaft beeilte sich, die Poesie
der kalten Küche mit mehr Eiser zu genießen, als die Poesie der schönen
Natur. Die gebratenen Hühner, die Knackwürste, die Pasteten ver¬
schwanden mit der Schnelligkeit eines fliegenden Vogels. Vergebens
versuchte Madame Pasta uns die malerische Schönheit der Land¬
schaft verständlich zu machen; die Augen der Gesellschaft streiften
gletchgiltig umher, um mit weit größerem Behagen zu den hand¬
greiflichen Elementen unseres Frühstücks zurückzukehren. Bald wa¬
ren die Teller nur mit Knochen bedeckt, die Weinflaschen hatten den
letzten Tropfen ihres Blutes hergegeben und nun erst begann die
Landschaftsbegeisterung über uns zu kommen. Wir standen auf dem
" Gipfel eines der höchsten Berge dieses Landstrichs, eine doppelte Al¬
penkette umzog ihn nördlich, während die herrlichen Ebenen der
Lombardei sich vor uns ausdehnten und unser Blick über zehn
Städte streifte, welche in der verschiedenartigsten Beleuchtung ihre
Thürme emporstrcckten.

Nqchdein wir Magen und Augen gehörig gesättigt, rasteten
wir im Kloster ein wenig aus. Und nun übernahm unsere reizende
Wirthin die Mühe, uns zu unterhalten. Die Pasta ist noch immer
eine schöne und edle Gestalt; wenn nicht etwa die zwei Jahre, die seit
jenem Besuche verstrichen sind, sie stark verändert haben. Ihre Haare,
die sie in zusammcngewundenen Flechten ans dem Hinterhaupte ->, I-»
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neidenswerthen Fülle. Das Auge ist feurig und doch sanft, die ge¬
wölbten Brauen verrathen, welche Leidenschaft sie auszudrücken
im Stande sind, und die Umrisse ihres Gesichtes haben ein echt
römisches Gepräge. Die Arme dieser Künstlerin sind von einer so
sprichwörtlichen Schönheit, daß ein berühmter Bildhauer einst sagte,
die Arme, welche der medicäischen Venus fehlten, seien im Besitz
der Madame Pasta. Im Ganzen haben die italienischen Frauen
vor den deutschen den ungeheuern Vortheil voraus,, daß sie früher
reifen und weit später altern. Madame Pasta steckte die ganze
Gesellschaft mit ihrer Fröhlichkeit an; sie sang und spielte uns ko¬
mische Scenen vor, copirte berühmte Schauspieler mit komischen Ge¬
sten. Wenn man bedenkt, daß diese Frau nicht nur die eine von
den zwei berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit war, sondern auch


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[0062] erfrischungslustig geworden >var. Glücklicherweise wurde jetzt ein kaltes Frühstück bereitet und die Gesellschaft beeilte sich, die Poesie der kalten Küche mit mehr Eiser zu genießen, als die Poesie der schönen Natur. Die gebratenen Hühner, die Knackwürste, die Pasteten ver¬ schwanden mit der Schnelligkeit eines fliegenden Vogels. Vergebens versuchte Madame Pasta uns die malerische Schönheit der Land¬ schaft verständlich zu machen; die Augen der Gesellschaft streiften gletchgiltig umher, um mit weit größerem Behagen zu den hand¬ greiflichen Elementen unseres Frühstücks zurückzukehren. Bald wa¬ ren die Teller nur mit Knochen bedeckt, die Weinflaschen hatten den letzten Tropfen ihres Blutes hergegeben und nun erst begann die Landschaftsbegeisterung über uns zu kommen. Wir standen auf dem " Gipfel eines der höchsten Berge dieses Landstrichs, eine doppelte Al¬ penkette umzog ihn nördlich, während die herrlichen Ebenen der Lombardei sich vor uns ausdehnten und unser Blick über zehn Städte streifte, welche in der verschiedenartigsten Beleuchtung ihre Thürme emporstrcckten. Nqchdein wir Magen und Augen gehörig gesättigt, rasteten wir im Kloster ein wenig aus. Und nun übernahm unsere reizende Wirthin die Mühe, uns zu unterhalten. Die Pasta ist noch immer eine schöne und edle Gestalt; wenn nicht etwa die zwei Jahre, die seit jenem Besuche verstrichen sind, sie stark verändert haben. Ihre Haare, die sie in zusammcngewundenen Flechten ans dem Hinterhaupte ->, I-» Nil!M!t!5v befestigt trägt, sind glänzend schwarz und von einer be- neidenswerthen Fülle. Das Auge ist feurig und doch sanft, die ge¬ wölbten Brauen verrathen, welche Leidenschaft sie auszudrücken im Stande sind, und die Umrisse ihres Gesichtes haben ein echt römisches Gepräge. Die Arme dieser Künstlerin sind von einer so sprichwörtlichen Schönheit, daß ein berühmter Bildhauer einst sagte, die Arme, welche der medicäischen Venus fehlten, seien im Besitz der Madame Pasta. Im Ganzen haben die italienischen Frauen vor den deutschen den ungeheuern Vortheil voraus,, daß sie früher reifen und weit später altern. Madame Pasta steckte die ganze Gesellschaft mit ihrer Fröhlichkeit an; sie sang und spielte uns ko¬ mische Scenen vor, copirte berühmte Schauspieler mit komischen Ge¬ sten. Wenn man bedenkt, daß diese Frau nicht nur die eine von den zwei berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit war, sondern auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/62>, abgerufen am 23.07.2024.