Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Sonnenaufgang ihm bereitwillig abgetreten Härte. Andere hätten
wohl lieber dem Beispiel der Sonne selbst gefolgt, die um 5 Uhr
früh aufsteht, nachdem sie um 7 Uhr Abends zu Bette gegangen.
Allein das faule Sträuben half nichts und nach einer Viertelstunde
war Alles auf den Beinen. Das Wetter war wunderbar schön,
der Himmel blau und klar, der Mond hell und glänzend. Madame
Pasta verlas die Namen; ein Herr fehlte. Drei oder vier Bediente
wurden vor seine Thüre geschickt -- umsonst ; er antwortete: er
schliefe. Alsobald machte sich die ganze Bande auf und brachte ihm
unter seinem Fenster ein Ständchen, wie die beste komische Oper kein
schöneres aufzuweisen hat. Endlich öffnete sich das Fenster, ein Kopf
kam zum Vorschein.

-- "Was giebt eS? was soll das heißen? -- ich glaube,
man ruft mich --"

"Sie glauben? Die ganze Gesellschaft wartet nur auf Sie!--"

-- "Wozu denn?" --

-- "Um sich aus den Weg zu machen."

-- "El, Sie machen sich auf den Weg. -- Ich meinerseits be¬
finde mich hier so wohl bei Madame Pasta, daß ich auch bis
morgen da zu bleiben gedenke. Glückliche Reise!"

Hierauf verschloß er das Fenster. Der Abtrünnige! Offenbar
war ein solcher Mensch uilwüidig, ein Mitglied unserer muthigen
Caravane zu sein. Wir überließen ihn daher seiner Faulheit und
bestiegen die Barken, welche uns nach dem jenseitigen Ufer des Sees
fuhren, von wo aus wir unsere eigentliche Wanderung antraten.

Jeder Ritter bot seinen Arm einer Dame und so mgchten wir uns
daran, das Zickzack des steilen Berges zu erklimmen. Diese Ritterdienste
waren weder leicht, noch angenehm, der steile Weg war. mit tausend
kleinen spitzen Steinchen bedeckt, die oftmals unter den Füßen weg¬
rutschten, wobei die Damen immer ein Zetergeschrei ausstießen; das
Gesträuch verwickelte sich oft in den Kleidern wie ein frecher Zu-
bringung. Die Aufmerksamkeit für das zarte Geschlecht raubte uns
die Aufmerksamkeit auf uns selbst und mancher kollerte daher, nach¬
dem er 20 Schritte gethan, 30 Schritte wieder zurück. --

Meine Dame war eine junge Engländerin, welche der Zufall
in der Barke an meine Seite brachte; ich hatte ihr die Hand hehr
Heraussteigen geboten und war somit ihr natürliche-r Partner auf


Sonnenaufgang ihm bereitwillig abgetreten Härte. Andere hätten
wohl lieber dem Beispiel der Sonne selbst gefolgt, die um 5 Uhr
früh aufsteht, nachdem sie um 7 Uhr Abends zu Bette gegangen.
Allein das faule Sträuben half nichts und nach einer Viertelstunde
war Alles auf den Beinen. Das Wetter war wunderbar schön,
der Himmel blau und klar, der Mond hell und glänzend. Madame
Pasta verlas die Namen; ein Herr fehlte. Drei oder vier Bediente
wurden vor seine Thüre geschickt — umsonst ; er antwortete: er
schliefe. Alsobald machte sich die ganze Bande auf und brachte ihm
unter seinem Fenster ein Ständchen, wie die beste komische Oper kein
schöneres aufzuweisen hat. Endlich öffnete sich das Fenster, ein Kopf
kam zum Vorschein.

— „Was giebt eS? was soll das heißen? — ich glaube,
man ruft mich —"

„Sie glauben? Die ganze Gesellschaft wartet nur auf Sie!--"

— „Wozu denn?" —

— „Um sich aus den Weg zu machen."

— „El, Sie machen sich auf den Weg. — Ich meinerseits be¬
finde mich hier so wohl bei Madame Pasta, daß ich auch bis
morgen da zu bleiben gedenke. Glückliche Reise!"

Hierauf verschloß er das Fenster. Der Abtrünnige! Offenbar
war ein solcher Mensch uilwüidig, ein Mitglied unserer muthigen
Caravane zu sein. Wir überließen ihn daher seiner Faulheit und
bestiegen die Barken, welche uns nach dem jenseitigen Ufer des Sees
fuhren, von wo aus wir unsere eigentliche Wanderung antraten.

Jeder Ritter bot seinen Arm einer Dame und so mgchten wir uns
daran, das Zickzack des steilen Berges zu erklimmen. Diese Ritterdienste
waren weder leicht, noch angenehm, der steile Weg war. mit tausend
kleinen spitzen Steinchen bedeckt, die oftmals unter den Füßen weg¬
rutschten, wobei die Damen immer ein Zetergeschrei ausstießen; das
Gesträuch verwickelte sich oft in den Kleidern wie ein frecher Zu-
bringung. Die Aufmerksamkeit für das zarte Geschlecht raubte uns
die Aufmerksamkeit auf uns selbst und mancher kollerte daher, nach¬
dem er 20 Schritte gethan, 30 Schritte wieder zurück. —

Meine Dame war eine junge Engländerin, welche der Zufall
in der Barke an meine Seite brachte; ich hatte ihr die Hand hehr
Heraussteigen geboten und war somit ihr natürliche-r Partner auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266677"/>
          <p xml:id="ID_130" prev="#ID_129"> Sonnenaufgang ihm bereitwillig abgetreten Härte. Andere hätten<lb/>
wohl lieber dem Beispiel der Sonne selbst gefolgt, die um 5 Uhr<lb/>
früh aufsteht, nachdem sie um 7 Uhr Abends zu Bette gegangen.<lb/>
Allein das faule Sträuben half nichts und nach einer Viertelstunde<lb/>
war Alles auf den Beinen. Das Wetter war wunderbar schön,<lb/>
der Himmel blau und klar, der Mond hell und glänzend. Madame<lb/>
Pasta verlas die Namen; ein Herr fehlte. Drei oder vier Bediente<lb/>
wurden vor seine Thüre geschickt &#x2014; umsonst ; er antwortete: er<lb/>
schliefe. Alsobald machte sich die ganze Bande auf und brachte ihm<lb/>
unter seinem Fenster ein Ständchen, wie die beste komische Oper kein<lb/>
schöneres aufzuweisen hat. Endlich öffnete sich das Fenster, ein Kopf<lb/>
kam zum Vorschein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_131"> &#x2014; &#x201E;Was giebt eS? was soll das heißen? &#x2014; ich glaube,<lb/>
man ruft mich &#x2014;"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_132"> &#x201E;Sie glauben? Die ganze Gesellschaft wartet nur auf Sie!--"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_133"> &#x2014; &#x201E;Wozu denn?" &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_134"> &#x2014; &#x201E;Um sich aus den Weg zu machen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_135"> &#x2014; &#x201E;El, Sie machen sich auf den Weg. &#x2014; Ich meinerseits be¬<lb/>
finde mich hier so wohl bei Madame Pasta, daß ich auch bis<lb/>
morgen da zu bleiben gedenke. Glückliche Reise!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_136"> Hierauf verschloß er das Fenster. Der Abtrünnige! Offenbar<lb/>
war ein solcher Mensch uilwüidig, ein Mitglied unserer muthigen<lb/>
Caravane zu sein. Wir überließen ihn daher seiner Faulheit und<lb/>
bestiegen die Barken, welche uns nach dem jenseitigen Ufer des Sees<lb/>
fuhren, von wo aus wir unsere eigentliche Wanderung antraten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_137"> Jeder Ritter bot seinen Arm einer Dame und so mgchten wir uns<lb/>
daran, das Zickzack des steilen Berges zu erklimmen. Diese Ritterdienste<lb/>
waren weder leicht, noch angenehm, der steile Weg war. mit tausend<lb/>
kleinen spitzen Steinchen bedeckt, die oftmals unter den Füßen weg¬<lb/>
rutschten, wobei die Damen immer ein Zetergeschrei ausstießen; das<lb/>
Gesträuch verwickelte sich oft in den Kleidern wie ein frecher Zu-<lb/>
bringung. Die Aufmerksamkeit für das zarte Geschlecht raubte uns<lb/>
die Aufmerksamkeit auf uns selbst und mancher kollerte daher, nach¬<lb/>
dem er 20 Schritte gethan, 30 Schritte wieder zurück. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_138" next="#ID_139"> Meine Dame war eine junge Engländerin, welche der Zufall<lb/>
in der Barke an meine Seite brachte; ich hatte ihr die Hand hehr<lb/>
Heraussteigen geboten und war somit ihr natürliche-r Partner auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] Sonnenaufgang ihm bereitwillig abgetreten Härte. Andere hätten wohl lieber dem Beispiel der Sonne selbst gefolgt, die um 5 Uhr früh aufsteht, nachdem sie um 7 Uhr Abends zu Bette gegangen. Allein das faule Sträuben half nichts und nach einer Viertelstunde war Alles auf den Beinen. Das Wetter war wunderbar schön, der Himmel blau und klar, der Mond hell und glänzend. Madame Pasta verlas die Namen; ein Herr fehlte. Drei oder vier Bediente wurden vor seine Thüre geschickt — umsonst ; er antwortete: er schliefe. Alsobald machte sich die ganze Bande auf und brachte ihm unter seinem Fenster ein Ständchen, wie die beste komische Oper kein schöneres aufzuweisen hat. Endlich öffnete sich das Fenster, ein Kopf kam zum Vorschein. — „Was giebt eS? was soll das heißen? — ich glaube, man ruft mich —" „Sie glauben? Die ganze Gesellschaft wartet nur auf Sie!--" — „Wozu denn?" — — „Um sich aus den Weg zu machen." — „El, Sie machen sich auf den Weg. — Ich meinerseits be¬ finde mich hier so wohl bei Madame Pasta, daß ich auch bis morgen da zu bleiben gedenke. Glückliche Reise!" Hierauf verschloß er das Fenster. Der Abtrünnige! Offenbar war ein solcher Mensch uilwüidig, ein Mitglied unserer muthigen Caravane zu sein. Wir überließen ihn daher seiner Faulheit und bestiegen die Barken, welche uns nach dem jenseitigen Ufer des Sees fuhren, von wo aus wir unsere eigentliche Wanderung antraten. Jeder Ritter bot seinen Arm einer Dame und so mgchten wir uns daran, das Zickzack des steilen Berges zu erklimmen. Diese Ritterdienste waren weder leicht, noch angenehm, der steile Weg war. mit tausend kleinen spitzen Steinchen bedeckt, die oftmals unter den Füßen weg¬ rutschten, wobei die Damen immer ein Zetergeschrei ausstießen; das Gesträuch verwickelte sich oft in den Kleidern wie ein frecher Zu- bringung. Die Aufmerksamkeit für das zarte Geschlecht raubte uns die Aufmerksamkeit auf uns selbst und mancher kollerte daher, nach¬ dem er 20 Schritte gethan, 30 Schritte wieder zurück. — Meine Dame war eine junge Engländerin, welche der Zufall in der Barke an meine Seite brachte; ich hatte ihr die Hand hehr Heraussteigen geboten und war somit ihr natürliche-r Partner auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/60>, abgerufen am 23.07.2024.