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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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werden mußte. Freilich glauben wir nicht etwa, daß in dieser neuen
Colonie sich unter den Arbeitern keine menschlichen Leidenschaften
mehr regen werden. Da aber die Unruhen und Stürme, welche sie
heraufzubeschwören vermögen, nicht mehr in den wirklichen Ursachen
trauriger, erbitternder Noth ihre Begründung finden werden, so wird
man einerseits sie leichter beruhigen können und wird sich andrerseits
bei ihrer Bekämpfung nicht den Anklagen der Theilnahmlostgkeit
und Härte ausgesetzt sehen, weil man leicht wird darthun können,
daß die Feindseligkeit eine ungerechte und darum verbrecherischeist.

Da verschwindet zum Theil wenigstens das schroffe Gegenüber¬
stehen des Grundbesitzers, des Kapitalisten und deö Arbeiters. Der
Spielraum, den die Combination dieser drei Elemente bedürfte, ist
gefunden, ihre gegenseitige Bedeutung ist geordnet, einem jeden sein
Theil zugewiesen. Wie aber, durch welche gemeinsamen oder zer¬
theilten Anstrengungen soll dieses Resultat erreicht werden; wie sol¬
len die Arbeiten materiell organisirt werden? Wollte die Compagnie,
da sie das Princip der Verschmelzung der Interessen angenommen
hatte, ihrem Werke Einheit verleihen, so mußte sie in verstandeSge-
mäßer Folgerichtigkeit, auch zur Verschmelzung der Mittel, zur Ge->
meinschaftlichkeit der Arbeit sich verstehen. Es ist diese Art und
Weise übrigens bei Gründung von Colonien die einzig praktische;
nur die durch die Concentrirung erlangte Vervielfachung der Kräfte
kann zu den großen Arbeiten ausreichen, welche die Folge der An¬
legung einer Colonie sind und für welche die beschränkten Mittel
vereinzelter Individuen durchaus unzulänglich sind. Das Anlegen
von Straßen und Canälen, das Eindämmen von Strömen, das Ur¬
barmachen großer Urwälder, kurz alle für das Wohl einer großen
Gemeinschaft und für die Zukunft berechneten Unternehmungen ge¬
hören ausschließlich der Collectivarbeit ein. Denn um solche Bauten
und dergleichen durchzusetzen, bedarf es einer einigen Leitung, welche
über große Kräfte verfügt und nach den Bedürfnissen von Ort und
Zeit die ihr zu Gebote stehenden Hilfsmittel combintrt, zusammen¬
hält und vertheilt. Es ist dies eine Wahrheit, welche durch die
Erfahrung aller Gesellschaften, die nur im Verhältniß ihrer Cen¬
tralisation groß geworden sind, mehr als hinlänglich erwiesen ist.

Was aber von allen gesellschaftlichen Vereinen (auch dieses
Wort nehmen wir in seinem weitesten Umfang, wo es mit dem Be-


werden mußte. Freilich glauben wir nicht etwa, daß in dieser neuen
Colonie sich unter den Arbeitern keine menschlichen Leidenschaften
mehr regen werden. Da aber die Unruhen und Stürme, welche sie
heraufzubeschwören vermögen, nicht mehr in den wirklichen Ursachen
trauriger, erbitternder Noth ihre Begründung finden werden, so wird
man einerseits sie leichter beruhigen können und wird sich andrerseits
bei ihrer Bekämpfung nicht den Anklagen der Theilnahmlostgkeit
und Härte ausgesetzt sehen, weil man leicht wird darthun können,
daß die Feindseligkeit eine ungerechte und darum verbrecherischeist.

Da verschwindet zum Theil wenigstens das schroffe Gegenüber¬
stehen des Grundbesitzers, des Kapitalisten und deö Arbeiters. Der
Spielraum, den die Combination dieser drei Elemente bedürfte, ist
gefunden, ihre gegenseitige Bedeutung ist geordnet, einem jeden sein
Theil zugewiesen. Wie aber, durch welche gemeinsamen oder zer¬
theilten Anstrengungen soll dieses Resultat erreicht werden; wie sol¬
len die Arbeiten materiell organisirt werden? Wollte die Compagnie,
da sie das Princip der Verschmelzung der Interessen angenommen
hatte, ihrem Werke Einheit verleihen, so mußte sie in verstandeSge-
mäßer Folgerichtigkeit, auch zur Verschmelzung der Mittel, zur Ge->
meinschaftlichkeit der Arbeit sich verstehen. Es ist diese Art und
Weise übrigens bei Gründung von Colonien die einzig praktische;
nur die durch die Concentrirung erlangte Vervielfachung der Kräfte
kann zu den großen Arbeiten ausreichen, welche die Folge der An¬
legung einer Colonie sind und für welche die beschränkten Mittel
vereinzelter Individuen durchaus unzulänglich sind. Das Anlegen
von Straßen und Canälen, das Eindämmen von Strömen, das Ur¬
barmachen großer Urwälder, kurz alle für das Wohl einer großen
Gemeinschaft und für die Zukunft berechneten Unternehmungen ge¬
hören ausschließlich der Collectivarbeit ein. Denn um solche Bauten
und dergleichen durchzusetzen, bedarf es einer einigen Leitung, welche
über große Kräfte verfügt und nach den Bedürfnissen von Ort und
Zeit die ihr zu Gebote stehenden Hilfsmittel combintrt, zusammen¬
hält und vertheilt. Es ist dies eine Wahrheit, welche durch die
Erfahrung aller Gesellschaften, die nur im Verhältniß ihrer Cen¬
tralisation groß geworden sind, mehr als hinlänglich erwiesen ist.

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[0585] werden mußte. Freilich glauben wir nicht etwa, daß in dieser neuen Colonie sich unter den Arbeitern keine menschlichen Leidenschaften mehr regen werden. Da aber die Unruhen und Stürme, welche sie heraufzubeschwören vermögen, nicht mehr in den wirklichen Ursachen trauriger, erbitternder Noth ihre Begründung finden werden, so wird man einerseits sie leichter beruhigen können und wird sich andrerseits bei ihrer Bekämpfung nicht den Anklagen der Theilnahmlostgkeit und Härte ausgesetzt sehen, weil man leicht wird darthun können, daß die Feindseligkeit eine ungerechte und darum verbrecherischeist. Da verschwindet zum Theil wenigstens das schroffe Gegenüber¬ stehen des Grundbesitzers, des Kapitalisten und deö Arbeiters. Der Spielraum, den die Combination dieser drei Elemente bedürfte, ist gefunden, ihre gegenseitige Bedeutung ist geordnet, einem jeden sein Theil zugewiesen. Wie aber, durch welche gemeinsamen oder zer¬ theilten Anstrengungen soll dieses Resultat erreicht werden; wie sol¬ len die Arbeiten materiell organisirt werden? Wollte die Compagnie, da sie das Princip der Verschmelzung der Interessen angenommen hatte, ihrem Werke Einheit verleihen, so mußte sie in verstandeSge- mäßer Folgerichtigkeit, auch zur Verschmelzung der Mittel, zur Ge-> meinschaftlichkeit der Arbeit sich verstehen. Es ist diese Art und Weise übrigens bei Gründung von Colonien die einzig praktische; nur die durch die Concentrirung erlangte Vervielfachung der Kräfte kann zu den großen Arbeiten ausreichen, welche die Folge der An¬ legung einer Colonie sind und für welche die beschränkten Mittel vereinzelter Individuen durchaus unzulänglich sind. Das Anlegen von Straßen und Canälen, das Eindämmen von Strömen, das Ur¬ barmachen großer Urwälder, kurz alle für das Wohl einer großen Gemeinschaft und für die Zukunft berechneten Unternehmungen ge¬ hören ausschließlich der Collectivarbeit ein. Denn um solche Bauten und dergleichen durchzusetzen, bedarf es einer einigen Leitung, welche über große Kräfte verfügt und nach den Bedürfnissen von Ort und Zeit die ihr zu Gebote stehenden Hilfsmittel combintrt, zusammen¬ hält und vertheilt. Es ist dies eine Wahrheit, welche durch die Erfahrung aller Gesellschaften, die nur im Verhältniß ihrer Cen¬ tralisation groß geworden sind, mehr als hinlänglich erwiesen ist. Was aber von allen gesellschaftlichen Vereinen (auch dieses Wort nehmen wir in seinem weitesten Umfang, wo es mit dem Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/585>, abgerufen am 23.07.2024.