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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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mung der Dinge, den Forderungen und Interessen der unteren
Stände Genüge leisten und dadurch die eigene, in ihren Grundla¬
gen erschütterte Stellung wieder befestigen könnten. Denn in der
That verbindet eine enge Gemeinsamkeit der Interessen diese beiden
entgegengesetzten Lagen. Die Festigkeit der einen ist eine Bürgschaft
für die Dauer der andern. Das Grundeigenthum wird nicht eher
ein unerschütterlich Feststehendes sein, die beweglichen Capitalien
werden sich nicht eher in ihrem Umlauf völlig sicher fühlen, als bis
die Arbeiter und Gehülfen, welche von beiden angewandt werden,
sie nicht mehr, wie es bisher geschah, als Tyrannen betrachten wer¬
den, welche auf ihre, der Arbeiter, Kosten sich bereichern.

Wie aber die Dinge heutzutage stehen, so sind es gerade die
gegenwärtig herrschenden Verhältnisse, welche verhindern, daß die
Arbeiter eine andere Ansicht der Dinge gewinnen. Das anhaltende
Zunehmen der Bevölkerung während einer mehr als fünfundzwan¬
zigjährigen Friedenszeit, wie sie bisher in Europa fast noch nie
Statt gefunden, die noch größere Entwickelung der Production, die
fortwährende Verringerung des Arbeitslohnes und der immer nied¬
rigere Preis der Fabrikate haben jene so unheilvolle Spaltung der
Gesellschaft in zwei einander auf den Tod befeindete Parteien her¬
vorgerufen , die sich in einem falschen, von der Concurrenz ihnen
aufgezwungenen Zirkel beweg"n. Die Bedingungen, denen sich die
Producenten heutiger Zeit unterworfen sehen, nöthigen sie, die Con-
sequenzen eines Systems, dessen erste Opfer oft sie selbst werden,
von dem allein aber sie ihre Rettung erwarten können, bis auss
Aeußerste zu treiben. Ihr letzter Zweck muß ja immer die Unter¬
bringung ihrer Erzeugnisse sein; wie können sie diese aber bewerk¬
stelligen, wenn sie nicht vor ihren Concurrenten den Vortheil der
niedrigeren Preise voraus haben? Denn jetzt, da die wirklichen Be¬
dürfnisse der Consumenten weit geringer sind, als die Anzahl der
Gegenstände, welche Absatz erheischen, sind die Käufer wählerisch
geworden und entschließen sich nur nach Verhältniß der ihnen be¬
willigten Vortheile zum Ankauf. Der Producent muß also, um die
Consumenten an sich zu ziehen, einerseits seine Fabrikationöbcdürf-
nisse so niedrig als möglich zu stellen suchen, da er andrerseits trotz
der niedrigeren Verkaufspreise und des geringeren Gewinnes doch
die Qualität seiner Waaren nicht verschlechtern darf. Der größte


mung der Dinge, den Forderungen und Interessen der unteren
Stände Genüge leisten und dadurch die eigene, in ihren Grundla¬
gen erschütterte Stellung wieder befestigen könnten. Denn in der
That verbindet eine enge Gemeinsamkeit der Interessen diese beiden
entgegengesetzten Lagen. Die Festigkeit der einen ist eine Bürgschaft
für die Dauer der andern. Das Grundeigenthum wird nicht eher
ein unerschütterlich Feststehendes sein, die beweglichen Capitalien
werden sich nicht eher in ihrem Umlauf völlig sicher fühlen, als bis
die Arbeiter und Gehülfen, welche von beiden angewandt werden,
sie nicht mehr, wie es bisher geschah, als Tyrannen betrachten wer¬
den, welche auf ihre, der Arbeiter, Kosten sich bereichern.

Wie aber die Dinge heutzutage stehen, so sind es gerade die
gegenwärtig herrschenden Verhältnisse, welche verhindern, daß die
Arbeiter eine andere Ansicht der Dinge gewinnen. Das anhaltende
Zunehmen der Bevölkerung während einer mehr als fünfundzwan¬
zigjährigen Friedenszeit, wie sie bisher in Europa fast noch nie
Statt gefunden, die noch größere Entwickelung der Production, die
fortwährende Verringerung des Arbeitslohnes und der immer nied¬
rigere Preis der Fabrikate haben jene so unheilvolle Spaltung der
Gesellschaft in zwei einander auf den Tod befeindete Parteien her¬
vorgerufen , die sich in einem falschen, von der Concurrenz ihnen
aufgezwungenen Zirkel beweg»n. Die Bedingungen, denen sich die
Producenten heutiger Zeit unterworfen sehen, nöthigen sie, die Con-
sequenzen eines Systems, dessen erste Opfer oft sie selbst werden,
von dem allein aber sie ihre Rettung erwarten können, bis auss
Aeußerste zu treiben. Ihr letzter Zweck muß ja immer die Unter¬
bringung ihrer Erzeugnisse sein; wie können sie diese aber bewerk¬
stelligen, wenn sie nicht vor ihren Concurrenten den Vortheil der
niedrigeren Preise voraus haben? Denn jetzt, da die wirklichen Be¬
dürfnisse der Consumenten weit geringer sind, als die Anzahl der
Gegenstände, welche Absatz erheischen, sind die Käufer wählerisch
geworden und entschließen sich nur nach Verhältniß der ihnen be¬
willigten Vortheile zum Ankauf. Der Producent muß also, um die
Consumenten an sich zu ziehen, einerseits seine Fabrikationöbcdürf-
nisse so niedrig als möglich zu stellen suchen, da er andrerseits trotz
der niedrigeren Verkaufspreise und des geringeren Gewinnes doch
die Qualität seiner Waaren nicht verschlechtern darf. Der größte


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[0570] mung der Dinge, den Forderungen und Interessen der unteren Stände Genüge leisten und dadurch die eigene, in ihren Grundla¬ gen erschütterte Stellung wieder befestigen könnten. Denn in der That verbindet eine enge Gemeinsamkeit der Interessen diese beiden entgegengesetzten Lagen. Die Festigkeit der einen ist eine Bürgschaft für die Dauer der andern. Das Grundeigenthum wird nicht eher ein unerschütterlich Feststehendes sein, die beweglichen Capitalien werden sich nicht eher in ihrem Umlauf völlig sicher fühlen, als bis die Arbeiter und Gehülfen, welche von beiden angewandt werden, sie nicht mehr, wie es bisher geschah, als Tyrannen betrachten wer¬ den, welche auf ihre, der Arbeiter, Kosten sich bereichern. Wie aber die Dinge heutzutage stehen, so sind es gerade die gegenwärtig herrschenden Verhältnisse, welche verhindern, daß die Arbeiter eine andere Ansicht der Dinge gewinnen. Das anhaltende Zunehmen der Bevölkerung während einer mehr als fünfundzwan¬ zigjährigen Friedenszeit, wie sie bisher in Europa fast noch nie Statt gefunden, die noch größere Entwickelung der Production, die fortwährende Verringerung des Arbeitslohnes und der immer nied¬ rigere Preis der Fabrikate haben jene so unheilvolle Spaltung der Gesellschaft in zwei einander auf den Tod befeindete Parteien her¬ vorgerufen , die sich in einem falschen, von der Concurrenz ihnen aufgezwungenen Zirkel beweg»n. Die Bedingungen, denen sich die Producenten heutiger Zeit unterworfen sehen, nöthigen sie, die Con- sequenzen eines Systems, dessen erste Opfer oft sie selbst werden, von dem allein aber sie ihre Rettung erwarten können, bis auss Aeußerste zu treiben. Ihr letzter Zweck muß ja immer die Unter¬ bringung ihrer Erzeugnisse sein; wie können sie diese aber bewerk¬ stelligen, wenn sie nicht vor ihren Concurrenten den Vortheil der niedrigeren Preise voraus haben? Denn jetzt, da die wirklichen Be¬ dürfnisse der Consumenten weit geringer sind, als die Anzahl der Gegenstände, welche Absatz erheischen, sind die Käufer wählerisch geworden und entschließen sich nur nach Verhältniß der ihnen be¬ willigten Vortheile zum Ankauf. Der Producent muß also, um die Consumenten an sich zu ziehen, einerseits seine Fabrikationöbcdürf- nisse so niedrig als möglich zu stellen suchen, da er andrerseits trotz der niedrigeren Verkaufspreise und des geringeren Gewinnes doch die Qualität seiner Waaren nicht verschlechtern darf. Der größte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/570>, abgerufen am 23.07.2024.