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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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liebes, dcmuthvolleS Vertrauen auf das Mitleid der Gottheit, durch
eine vollkommne Einigkeit unter sich selbst, durch Aufgeben alles
Rechtens und aller Vorwürfe über die unwiederbringliche Vergan¬
genheit, und durch einen unvergänglichen Glauben an den Triumph
der guten Sache des Rechts und der Freiheit."

In demselben Jahre veröffentlichte der Dichter, als vierten
Band seiner im Jahre 1828 zu Paris gedruckten Ausgabe seiner
sämmtlichen frühern Poesien, nun auch den dritten Theil seiner
"Dziady." ES sind diese neuen Gedichte eine Reihe dramatischer
Scenen, die sich vorzüglich auf die Verfolgungen der patriotischen
Jünglinge zu Wilna beziehen und die, wie ein deutscher Beurtheiler
richtig sagt, "das ganze Gebiet der Poesie von der bittern Satyre
bis zur glühenden Andacht mit kühnem Schwunge durchfliegend,
zu dem Trefflichsten gehören, was die neueste Literatur besitzt." Die
pariser Ausgabe seiner Gedichte zeichnet sich, beiläufig bemerkt, vor
allen andern früher und später in verschiedenen Städten Polens
und Rußlands erschienenen durch Eleganz und Correctheit aus.
In dem Vorworte derselben aiebt Mickiewicz einen geistreichen
Ueberblick der poetischen Literatur des neueren Europa, worin er
unter andern auch eine vertraute Bekanntschaft mit der deutschen
Literatur an den Tag legt.

Im folgenden Jahre 1833 vzrheirathete sich der Dichter mit
der Tochter der oben genannten polnischen Dame, Maria Przyma-
nowska, und hatte bald das Glück, Familienvater zu werden. Diese
neue Umgestaltung seiner Lebensverhältnisse blieb auch auf seine
Einbildungskraft nicht ohne Wirkung. Dieselbe ward nun ruhiger,
nahm eine positivere Wendung und beschäftigte sich nun nicht mehr
mit kriegerischen, sondern mit Scenen aus dem häuslichen und länd¬
lichen Leben seiner Nation. Einen Beweis hievon giebt das neue
Gedicht, das er im Jahre 1835 in zwei Bänden unter dem Titel
Herr Thaddäus in Paris herausgab. Diese Dichtung, in wel¬
cher weit mehr Beschreibung als Handlung ist, wird von den Polen
als ein Muster von naturgetreuer Wahrheit und als das zugleich
anziehendste und sprechend ähnlichste Bild des Privatlebens deS
lithauischen Adels betrachtet.,

Im Jahre 1839 bot die Akademie zu Lausanne unsrem Dichter
die Professur der alten Literatur an. In dieser neuen Stellung


liebes, dcmuthvolleS Vertrauen auf das Mitleid der Gottheit, durch
eine vollkommne Einigkeit unter sich selbst, durch Aufgeben alles
Rechtens und aller Vorwürfe über die unwiederbringliche Vergan¬
genheit, und durch einen unvergänglichen Glauben an den Triumph
der guten Sache des Rechts und der Freiheit."

In demselben Jahre veröffentlichte der Dichter, als vierten
Band seiner im Jahre 1828 zu Paris gedruckten Ausgabe seiner
sämmtlichen frühern Poesien, nun auch den dritten Theil seiner
„Dziady." ES sind diese neuen Gedichte eine Reihe dramatischer
Scenen, die sich vorzüglich auf die Verfolgungen der patriotischen
Jünglinge zu Wilna beziehen und die, wie ein deutscher Beurtheiler
richtig sagt, „das ganze Gebiet der Poesie von der bittern Satyre
bis zur glühenden Andacht mit kühnem Schwunge durchfliegend,
zu dem Trefflichsten gehören, was die neueste Literatur besitzt." Die
pariser Ausgabe seiner Gedichte zeichnet sich, beiläufig bemerkt, vor
allen andern früher und später in verschiedenen Städten Polens
und Rußlands erschienenen durch Eleganz und Correctheit aus.
In dem Vorworte derselben aiebt Mickiewicz einen geistreichen
Ueberblick der poetischen Literatur des neueren Europa, worin er
unter andern auch eine vertraute Bekanntschaft mit der deutschen
Literatur an den Tag legt.

Im folgenden Jahre 1833 vzrheirathete sich der Dichter mit
der Tochter der oben genannten polnischen Dame, Maria Przyma-
nowska, und hatte bald das Glück, Familienvater zu werden. Diese
neue Umgestaltung seiner Lebensverhältnisse blieb auch auf seine
Einbildungskraft nicht ohne Wirkung. Dieselbe ward nun ruhiger,
nahm eine positivere Wendung und beschäftigte sich nun nicht mehr
mit kriegerischen, sondern mit Scenen aus dem häuslichen und länd¬
lichen Leben seiner Nation. Einen Beweis hievon giebt das neue
Gedicht, das er im Jahre 1835 in zwei Bänden unter dem Titel
Herr Thaddäus in Paris herausgab. Diese Dichtung, in wel¬
cher weit mehr Beschreibung als Handlung ist, wird von den Polen
als ein Muster von naturgetreuer Wahrheit und als das zugleich
anziehendste und sprechend ähnlichste Bild des Privatlebens deS
lithauischen Adels betrachtet.,

Im Jahre 1839 bot die Akademie zu Lausanne unsrem Dichter
die Professur der alten Literatur an. In dieser neuen Stellung


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[0564] liebes, dcmuthvolleS Vertrauen auf das Mitleid der Gottheit, durch eine vollkommne Einigkeit unter sich selbst, durch Aufgeben alles Rechtens und aller Vorwürfe über die unwiederbringliche Vergan¬ genheit, und durch einen unvergänglichen Glauben an den Triumph der guten Sache des Rechts und der Freiheit." In demselben Jahre veröffentlichte der Dichter, als vierten Band seiner im Jahre 1828 zu Paris gedruckten Ausgabe seiner sämmtlichen frühern Poesien, nun auch den dritten Theil seiner „Dziady." ES sind diese neuen Gedichte eine Reihe dramatischer Scenen, die sich vorzüglich auf die Verfolgungen der patriotischen Jünglinge zu Wilna beziehen und die, wie ein deutscher Beurtheiler richtig sagt, „das ganze Gebiet der Poesie von der bittern Satyre bis zur glühenden Andacht mit kühnem Schwunge durchfliegend, zu dem Trefflichsten gehören, was die neueste Literatur besitzt." Die pariser Ausgabe seiner Gedichte zeichnet sich, beiläufig bemerkt, vor allen andern früher und später in verschiedenen Städten Polens und Rußlands erschienenen durch Eleganz und Correctheit aus. In dem Vorworte derselben aiebt Mickiewicz einen geistreichen Ueberblick der poetischen Literatur des neueren Europa, worin er unter andern auch eine vertraute Bekanntschaft mit der deutschen Literatur an den Tag legt. Im folgenden Jahre 1833 vzrheirathete sich der Dichter mit der Tochter der oben genannten polnischen Dame, Maria Przyma- nowska, und hatte bald das Glück, Familienvater zu werden. Diese neue Umgestaltung seiner Lebensverhältnisse blieb auch auf seine Einbildungskraft nicht ohne Wirkung. Dieselbe ward nun ruhiger, nahm eine positivere Wendung und beschäftigte sich nun nicht mehr mit kriegerischen, sondern mit Scenen aus dem häuslichen und länd¬ lichen Leben seiner Nation. Einen Beweis hievon giebt das neue Gedicht, das er im Jahre 1835 in zwei Bänden unter dem Titel Herr Thaddäus in Paris herausgab. Diese Dichtung, in wel¬ cher weit mehr Beschreibung als Handlung ist, wird von den Polen als ein Muster von naturgetreuer Wahrheit und als das zugleich anziehendste und sprechend ähnlichste Bild des Privatlebens deS lithauischen Adels betrachtet., Im Jahre 1839 bot die Akademie zu Lausanne unsrem Dichter die Professur der alten Literatur an. In dieser neuen Stellung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/564>, abgerufen am 23.07.2024.