Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.verdammt ihn, sein Grab zu verlassen und in jedem Jahre, In Polen gab es damals, wie in Frankreich, eine sogenannte Dort erschien er vor der vom Kaiser Alexander eingesetzten verdammt ihn, sein Grab zu verlassen und in jedem Jahre, In Polen gab es damals, wie in Frankreich, eine sogenannte Dort erschien er vor der vom Kaiser Alexander eingesetzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267175"/> <p xml:id="ID_1533" prev="#ID_1532"> verdammt ihn, sein Grab zu verlassen und in jedem Jahre,<lb/> an demselben Tage und am selben Orte sein Verbrechen von Neuem<lb/> zu begehen. Um diesen großen und düstern, eines Dante würdigen<lb/> Gedanken bewegt sich das ganze Drama. Und obgleich sich der<lb/> Leser in diesem phantastischen Helldunkel und unter all diesen<lb/> Volkssagen, die einer längst entschwundenen Epoche unbefangener<lb/> Leichtgläubigkeit angehören, zuweilen nicht ganz zurecht findet, so<lb/> fühlt er sich doch durch den lebendig warmen und innig wahren<lb/> Ausdruck der Leidenschaft gefesselt. Was die Polen am Meisten<lb/> in dieser Dichtung bewundern, ist die Kunst, mit welcher der Dich¬<lb/> ter der Sprache seines Landes ein neues Leben verliehen, indem er<lb/> an die Stelle abgenützter Metaphern und altherkömmlicher Bilder<lb/> neue stylistische Wendungen anbrachte, die er aus dem Studium der<lb/> Natur und des Lebens geschöpft hatte, und die um so schlagender<lb/> sind, da sie eben so passend als unerwartet sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1534"> In Polen gab es damals, wie in Frankreich, eine sogenannte<lb/> classische Schule, oder, richtiger gesagt, die polnische Literatur war<lb/> nur eine mattes schwache Nachahmung der an und für sich nicht allzu<lb/> lebenskräftigen französischen Literatur des vorigen Jahrhunderts.<lb/> Der Witz stand in hohen Ehren und die glänzenden Flitter einer<lb/> prunkenden Sprache verschleierten, so gut es eben gehen wollte, die<lb/> innere Nichtigkeit. Alle gebildet sein wollenden Polen, die Nichts<lb/> als fcingefpitzte, brillantirte Madrigals und dergleichen schrieben, lehnten<lb/> sich daher gegen diese neue Poesie auf, die in dem nationalen Bo¬<lb/> den ihre Wurzeln schlug. Aber die Jugend, diese allzeit bereite<lb/> Freundin von Neuerungen, deckte diese Poesie mit dem Schilde ihrer<lb/> Begeisterung und Mickiewicz's Name flog schon als ein Feldge¬<lb/> schrei einer literarischen Wiedergeburt der Nation von Munde zu<lb/> Munde, als der Dichter nach Wilna als Gefangener kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_1535" next="#ID_1536"> Dort erschien er vor der vom Kaiser Alexander eingesetzten<lb/> Untersuchungs-Commission, an deren Spitze der Senator Nowo-<lb/> silzvff stand, und zwar der Theilnahme an der geheimen Gesell¬<lb/> schaft der Philomathen angeklagt. Die Untersuchung dauerte lange<lb/> Zeit) der Dichter erwartete ihr Resultat in einer dunkeln Zelle des<lb/> zum Staalsgefängnisse umgewandelten ehemaligen Basilianer-Klo¬<lb/> sters. Seine Kerkergenossen waren Thomas Zan, Franz Malewski,<lb/> Johann Czeczot, Joseph JezowSki, OnophriuS Pietraszkiewicz,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0558]
verdammt ihn, sein Grab zu verlassen und in jedem Jahre,
an demselben Tage und am selben Orte sein Verbrechen von Neuem
zu begehen. Um diesen großen und düstern, eines Dante würdigen
Gedanken bewegt sich das ganze Drama. Und obgleich sich der
Leser in diesem phantastischen Helldunkel und unter all diesen
Volkssagen, die einer längst entschwundenen Epoche unbefangener
Leichtgläubigkeit angehören, zuweilen nicht ganz zurecht findet, so
fühlt er sich doch durch den lebendig warmen und innig wahren
Ausdruck der Leidenschaft gefesselt. Was die Polen am Meisten
in dieser Dichtung bewundern, ist die Kunst, mit welcher der Dich¬
ter der Sprache seines Landes ein neues Leben verliehen, indem er
an die Stelle abgenützter Metaphern und altherkömmlicher Bilder
neue stylistische Wendungen anbrachte, die er aus dem Studium der
Natur und des Lebens geschöpft hatte, und die um so schlagender
sind, da sie eben so passend als unerwartet sind.
In Polen gab es damals, wie in Frankreich, eine sogenannte
classische Schule, oder, richtiger gesagt, die polnische Literatur war
nur eine mattes schwache Nachahmung der an und für sich nicht allzu
lebenskräftigen französischen Literatur des vorigen Jahrhunderts.
Der Witz stand in hohen Ehren und die glänzenden Flitter einer
prunkenden Sprache verschleierten, so gut es eben gehen wollte, die
innere Nichtigkeit. Alle gebildet sein wollenden Polen, die Nichts
als fcingefpitzte, brillantirte Madrigals und dergleichen schrieben, lehnten
sich daher gegen diese neue Poesie auf, die in dem nationalen Bo¬
den ihre Wurzeln schlug. Aber die Jugend, diese allzeit bereite
Freundin von Neuerungen, deckte diese Poesie mit dem Schilde ihrer
Begeisterung und Mickiewicz's Name flog schon als ein Feldge¬
schrei einer literarischen Wiedergeburt der Nation von Munde zu
Munde, als der Dichter nach Wilna als Gefangener kam.
Dort erschien er vor der vom Kaiser Alexander eingesetzten
Untersuchungs-Commission, an deren Spitze der Senator Nowo-
silzvff stand, und zwar der Theilnahme an der geheimen Gesell¬
schaft der Philomathen angeklagt. Die Untersuchung dauerte lange
Zeit) der Dichter erwartete ihr Resultat in einer dunkeln Zelle des
zum Staalsgefängnisse umgewandelten ehemaligen Basilianer-Klo¬
sters. Seine Kerkergenossen waren Thomas Zan, Franz Malewski,
Johann Czeczot, Joseph JezowSki, OnophriuS Pietraszkiewicz,
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