Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

zu untergraben suchen. Wenn dem wirklich so ist, so war dies ein
Meisterstück diplomatischer Gewandtheit österreichischer Seits; denn
die Allocution und die Denkschrift sind in Rom mit einer solchen
Geheimhaltung vorbereitet worden, daß die sonst so fein spionirende,
Russische Gesandtschaft nicht eher Wind davon erhielt, als bis die
Sache nicht mehr rückgängig zu machen war. Den Kaiser, der auch
noch nicht einen Tag vorher von der Sache unterrichtet war, trafen
daher Allocution und Denkschrift wie ein Blitzstrahl aus heiterem
Himmel und mit Recht war er, wie ich Ihnen aus guter Quelle
versichern kann, auf den Russischen Gesandten in Rom, Grafen
Gurieff, sehr erzürnt. Freilich war es auch nicht anders zu erwar¬
ten, da der Graf nur ein Mann von sehr mittelmäßigem, politischem
Talent ist und seine ganze Befähigung zur Diplomatie nur in sei¬
ner Gewandtheit im Jnlriguenfache, in feinen angenehmen äußeren
Manieren, seinem geschmeidigen Wesen und einer äußerlichen De¬
muth besteht, Charakterzüge, die sonst zwar beim päpstlichen Hofe in
Gunst zu sein pflegten, für den diesmaligen Fall jedoch nicht aus"
reichten. Das wußte aber der Czar selbst sehr wohl und die russische
Gesandtschaft in Rom war daher auch niemals lediglich sich selbst
überlassen, sondern eS kamen von Zeit zu Zeit nicht officielle Ge¬
sandte ihr zu Hülfe. So hat unter andern der Großfürst Thron¬
folger zwei Mal Rom besucht, um dem heiligen Vater seine Huldi¬
gung darzubringen. Ueberhaupt wurden alle, diplomatische und au¬
ßerdiplomatische Mittel in Anwendung gesetzt, um alle Personen,
welche die Umgebung Seiner Heiligkeit bilden, den russischen Inter¬
essen geneigt zu machen. Die werth- und geschmackvollsten, dem
Charakter eines jeden Einzelnen angemessensten Geschenke wurden
mit Freigebigkeit, ja mit Verschwendung vertheilt. Dazu kamen
noch die schönsten und diplomatischsten Frauen Rußlands, die wie
an manchen anderen Höfen, so auch hier mit dem Zauber ihrer
Reize die Pläne ihres Gebieters unterstützten. War es trotz dieser
von Nußland erkauften Umgebung des Papstes dennoch, -- freilich
selten genug, -- einigen wahrheitsliebenden Männern gelungen,
zu dem Oberhaupte der Gläubigen Zutritt zu erhalten, und ihm
die traurige Wirklichkeit und den Ruin der polnischen Kirche darzu¬
stellen, so fanden sich hundert Andere bereit, ihm das Gegentheil zu
versichern. Um die Glaubwürdigkeit der unwillkommenen Bericht-


zu untergraben suchen. Wenn dem wirklich so ist, so war dies ein
Meisterstück diplomatischer Gewandtheit österreichischer Seits; denn
die Allocution und die Denkschrift sind in Rom mit einer solchen
Geheimhaltung vorbereitet worden, daß die sonst so fein spionirende,
Russische Gesandtschaft nicht eher Wind davon erhielt, als bis die
Sache nicht mehr rückgängig zu machen war. Den Kaiser, der auch
noch nicht einen Tag vorher von der Sache unterrichtet war, trafen
daher Allocution und Denkschrift wie ein Blitzstrahl aus heiterem
Himmel und mit Recht war er, wie ich Ihnen aus guter Quelle
versichern kann, auf den Russischen Gesandten in Rom, Grafen
Gurieff, sehr erzürnt. Freilich war es auch nicht anders zu erwar¬
ten, da der Graf nur ein Mann von sehr mittelmäßigem, politischem
Talent ist und seine ganze Befähigung zur Diplomatie nur in sei¬
ner Gewandtheit im Jnlriguenfache, in feinen angenehmen äußeren
Manieren, seinem geschmeidigen Wesen und einer äußerlichen De¬
muth besteht, Charakterzüge, die sonst zwar beim päpstlichen Hofe in
Gunst zu sein pflegten, für den diesmaligen Fall jedoch nicht aus»
reichten. Das wußte aber der Czar selbst sehr wohl und die russische
Gesandtschaft in Rom war daher auch niemals lediglich sich selbst
überlassen, sondern eS kamen von Zeit zu Zeit nicht officielle Ge¬
sandte ihr zu Hülfe. So hat unter andern der Großfürst Thron¬
folger zwei Mal Rom besucht, um dem heiligen Vater seine Huldi¬
gung darzubringen. Ueberhaupt wurden alle, diplomatische und au¬
ßerdiplomatische Mittel in Anwendung gesetzt, um alle Personen,
welche die Umgebung Seiner Heiligkeit bilden, den russischen Inter¬
essen geneigt zu machen. Die werth- und geschmackvollsten, dem
Charakter eines jeden Einzelnen angemessensten Geschenke wurden
mit Freigebigkeit, ja mit Verschwendung vertheilt. Dazu kamen
noch die schönsten und diplomatischsten Frauen Rußlands, die wie
an manchen anderen Höfen, so auch hier mit dem Zauber ihrer
Reize die Pläne ihres Gebieters unterstützten. War es trotz dieser
von Nußland erkauften Umgebung des Papstes dennoch, — freilich
selten genug, — einigen wahrheitsliebenden Männern gelungen,
zu dem Oberhaupte der Gläubigen Zutritt zu erhalten, und ihm
die traurige Wirklichkeit und den Ruin der polnischen Kirche darzu¬
stellen, so fanden sich hundert Andere bereit, ihm das Gegentheil zu
versichern. Um die Glaubwürdigkeit der unwillkommenen Bericht-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267072"/>
            <p xml:id="ID_1249" prev="#ID_1248" next="#ID_1250"> zu untergraben suchen. Wenn dem wirklich so ist, so war dies ein<lb/>
Meisterstück diplomatischer Gewandtheit österreichischer Seits; denn<lb/>
die Allocution und die Denkschrift sind in Rom mit einer solchen<lb/>
Geheimhaltung vorbereitet worden, daß die sonst so fein spionirende,<lb/>
Russische Gesandtschaft nicht eher Wind davon erhielt, als bis die<lb/>
Sache nicht mehr rückgängig zu machen war. Den Kaiser, der auch<lb/>
noch nicht einen Tag vorher von der Sache unterrichtet war, trafen<lb/>
daher Allocution und Denkschrift wie ein Blitzstrahl aus heiterem<lb/>
Himmel und mit Recht war er, wie ich Ihnen aus guter Quelle<lb/>
versichern kann, auf den Russischen Gesandten in Rom, Grafen<lb/>
Gurieff, sehr erzürnt. Freilich war es auch nicht anders zu erwar¬<lb/>
ten, da der Graf nur ein Mann von sehr mittelmäßigem, politischem<lb/>
Talent ist und seine ganze Befähigung zur Diplomatie nur in sei¬<lb/>
ner Gewandtheit im Jnlriguenfache, in feinen angenehmen äußeren<lb/>
Manieren, seinem geschmeidigen Wesen und einer äußerlichen De¬<lb/>
muth besteht, Charakterzüge, die sonst zwar beim päpstlichen Hofe in<lb/>
Gunst zu sein pflegten, für den diesmaligen Fall jedoch nicht aus»<lb/>
reichten. Das wußte aber der Czar selbst sehr wohl und die russische<lb/>
Gesandtschaft in Rom war daher auch niemals lediglich sich selbst<lb/>
überlassen, sondern eS kamen von Zeit zu Zeit nicht officielle Ge¬<lb/>
sandte ihr zu Hülfe. So hat unter andern der Großfürst Thron¬<lb/>
folger zwei Mal Rom besucht, um dem heiligen Vater seine Huldi¬<lb/>
gung darzubringen. Ueberhaupt wurden alle, diplomatische und au¬<lb/>
ßerdiplomatische Mittel in Anwendung gesetzt, um alle Personen,<lb/>
welche die Umgebung Seiner Heiligkeit bilden, den russischen Inter¬<lb/>
essen geneigt zu machen.  Die werth- und geschmackvollsten, dem<lb/>
Charakter eines jeden Einzelnen angemessensten Geschenke wurden<lb/>
mit Freigebigkeit, ja mit Verschwendung vertheilt.  Dazu kamen<lb/>
noch die schönsten und diplomatischsten Frauen Rußlands, die wie<lb/>
an manchen anderen Höfen, so auch hier mit dem Zauber ihrer<lb/>
Reize die Pläne ihres Gebieters unterstützten. War es trotz dieser<lb/>
von Nußland erkauften Umgebung des Papstes dennoch, &#x2014; freilich<lb/>
selten genug, &#x2014; einigen wahrheitsliebenden Männern gelungen,<lb/>
zu dem Oberhaupte der Gläubigen Zutritt zu erhalten, und ihm<lb/>
die traurige Wirklichkeit und den Ruin der polnischen Kirche darzu¬<lb/>
stellen, so fanden sich hundert Andere bereit, ihm das Gegentheil zu<lb/>
versichern. Um die Glaubwürdigkeit der unwillkommenen Bericht-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] zu untergraben suchen. Wenn dem wirklich so ist, so war dies ein Meisterstück diplomatischer Gewandtheit österreichischer Seits; denn die Allocution und die Denkschrift sind in Rom mit einer solchen Geheimhaltung vorbereitet worden, daß die sonst so fein spionirende, Russische Gesandtschaft nicht eher Wind davon erhielt, als bis die Sache nicht mehr rückgängig zu machen war. Den Kaiser, der auch noch nicht einen Tag vorher von der Sache unterrichtet war, trafen daher Allocution und Denkschrift wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel und mit Recht war er, wie ich Ihnen aus guter Quelle versichern kann, auf den Russischen Gesandten in Rom, Grafen Gurieff, sehr erzürnt. Freilich war es auch nicht anders zu erwar¬ ten, da der Graf nur ein Mann von sehr mittelmäßigem, politischem Talent ist und seine ganze Befähigung zur Diplomatie nur in sei¬ ner Gewandtheit im Jnlriguenfache, in feinen angenehmen äußeren Manieren, seinem geschmeidigen Wesen und einer äußerlichen De¬ muth besteht, Charakterzüge, die sonst zwar beim päpstlichen Hofe in Gunst zu sein pflegten, für den diesmaligen Fall jedoch nicht aus» reichten. Das wußte aber der Czar selbst sehr wohl und die russische Gesandtschaft in Rom war daher auch niemals lediglich sich selbst überlassen, sondern eS kamen von Zeit zu Zeit nicht officielle Ge¬ sandte ihr zu Hülfe. So hat unter andern der Großfürst Thron¬ folger zwei Mal Rom besucht, um dem heiligen Vater seine Huldi¬ gung darzubringen. Ueberhaupt wurden alle, diplomatische und au¬ ßerdiplomatische Mittel in Anwendung gesetzt, um alle Personen, welche die Umgebung Seiner Heiligkeit bilden, den russischen Inter¬ essen geneigt zu machen. Die werth- und geschmackvollsten, dem Charakter eines jeden Einzelnen angemessensten Geschenke wurden mit Freigebigkeit, ja mit Verschwendung vertheilt. Dazu kamen noch die schönsten und diplomatischsten Frauen Rußlands, die wie an manchen anderen Höfen, so auch hier mit dem Zauber ihrer Reize die Pläne ihres Gebieters unterstützten. War es trotz dieser von Nußland erkauften Umgebung des Papstes dennoch, — freilich selten genug, — einigen wahrheitsliebenden Männern gelungen, zu dem Oberhaupte der Gläubigen Zutritt zu erhalten, und ihm die traurige Wirklichkeit und den Ruin der polnischen Kirche darzu¬ stellen, so fanden sich hundert Andere bereit, ihm das Gegentheil zu versichern. Um die Glaubwürdigkeit der unwillkommenen Bericht-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/455>, abgerufen am 01.07.2024.