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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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keit gewiß, die jede einigermaßen ansprechende Mittheilung über
das merkwürdige und so wohlverwahrte Oesterreich erregen muß.

Ein in der Schweiz, ich glaube in Winterthm aufgelegtes
Buch mit dem Titel: "Der Jakobiner in Wien" -- halb Romantik,
halb Wirklichkeit, ein echtes Wahrheit und Dichtung, beleuchtet eine
wenig erfreuliche Zeit voll Mißgriffe und Härte in den obern
und voll Verblendung und Stumpsinn in den untern Regionen.
Die in Leipzig gedruckten: "''in <it;"i^el-in" des bekannten Wiener
Lustspieldichters Bauernfeld, sind wohlgemeinte Klagen und Wünsche,
denen die Weite des Gesichtskreises mangelt und die sehr zurückhal¬
tend geschrieben sind, weshalb ihnen die k. k. österr. Censur auch das
angesuchte Imprimatur nicht vorenthalten hat. Unstreitig die beste
Publikation über österreichische Zustände ist das gleichfalls in Sach¬
sen aufgelegte Werk: "Die Juden in Oesterreich," das man dein
or. Jeiteles in Wien oder Herrn Legis in Prag zuschreibt")
Es behandelt die Stellung der Juden von dem Standpunkte der
Geschichte, des Rechts uns des Staatsvortheils; der religiöse soll
und muß natürlich mit dem des juridischen zusammenfallen, denn
Recht und Religion müssen sich im geläuterten Zustande identifi-
ciren. Durch die bekannten Vorfälle in Mantua hat die Juden¬
sache in Oesterreich ein wärmeres Interesse gesunden und auch in
Wien trug ein ganz nculicher Vorgang dazu bei, die Erscheinung
dieses gründlichen Buches, dessen genaue Urkundenbclege auf höhern
Schutz schließen lassen, sehr zeitgemäß zu machen. Durch ein Ver¬
sehen des Censors, dem dafür ein scharfer Verweis zukam, war es
dem Professor Rosas vergönnt in den Medicinischer Jahrbüchern
in einer grundgescheiten Abhandlung mit triftigen Gründen zu
beweisen, ein Israelite könne unmöglich ein guter Arzt sein!!

Ich schließe meinen heutigen Brief mit einer Unglückspost aus
Klausenburg in Siebenbürgen, wo sich die Grafen Bethlen und
Teleky auf Pistolen geschlagen haben, und beide todt blieben, in¬
dem der Erstere in der Schulter verwundet seinem Gegner noch
sterbend den Kopf zerschmetterte. Das Motiv war die Liebe zu
einer von beiden Seite" verehrten Dame.



Die Red.


^) Also nicht Herrn von Hammer.

keit gewiß, die jede einigermaßen ansprechende Mittheilung über
das merkwürdige und so wohlverwahrte Oesterreich erregen muß.

Ein in der Schweiz, ich glaube in Winterthm aufgelegtes
Buch mit dem Titel: „Der Jakobiner in Wien" — halb Romantik,
halb Wirklichkeit, ein echtes Wahrheit und Dichtung, beleuchtet eine
wenig erfreuliche Zeit voll Mißgriffe und Härte in den obern
und voll Verblendung und Stumpsinn in den untern Regionen.
Die in Leipzig gedruckten: „''in <it;«i^el-in" des bekannten Wiener
Lustspieldichters Bauernfeld, sind wohlgemeinte Klagen und Wünsche,
denen die Weite des Gesichtskreises mangelt und die sehr zurückhal¬
tend geschrieben sind, weshalb ihnen die k. k. österr. Censur auch das
angesuchte Imprimatur nicht vorenthalten hat. Unstreitig die beste
Publikation über österreichische Zustände ist das gleichfalls in Sach¬
sen aufgelegte Werk: „Die Juden in Oesterreich," das man dein
or. Jeiteles in Wien oder Herrn Legis in Prag zuschreibt»)
Es behandelt die Stellung der Juden von dem Standpunkte der
Geschichte, des Rechts uns des Staatsvortheils; der religiöse soll
und muß natürlich mit dem des juridischen zusammenfallen, denn
Recht und Religion müssen sich im geläuterten Zustande identifi-
ciren. Durch die bekannten Vorfälle in Mantua hat die Juden¬
sache in Oesterreich ein wärmeres Interesse gesunden und auch in
Wien trug ein ganz nculicher Vorgang dazu bei, die Erscheinung
dieses gründlichen Buches, dessen genaue Urkundenbclege auf höhern
Schutz schließen lassen, sehr zeitgemäß zu machen. Durch ein Ver¬
sehen des Censors, dem dafür ein scharfer Verweis zukam, war es
dem Professor Rosas vergönnt in den Medicinischer Jahrbüchern
in einer grundgescheiten Abhandlung mit triftigen Gründen zu
beweisen, ein Israelite könne unmöglich ein guter Arzt sein!!

Ich schließe meinen heutigen Brief mit einer Unglückspost aus
Klausenburg in Siebenbürgen, wo sich die Grafen Bethlen und
Teleky auf Pistolen geschlagen haben, und beide todt blieben, in¬
dem der Erstere in der Schulter verwundet seinem Gegner noch
sterbend den Kopf zerschmetterte. Das Motiv war die Liebe zu
einer von beiden Seite» verehrten Dame.



Die Red.


^) Also nicht Herrn von Hammer.
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[0438] keit gewiß, die jede einigermaßen ansprechende Mittheilung über das merkwürdige und so wohlverwahrte Oesterreich erregen muß. Ein in der Schweiz, ich glaube in Winterthm aufgelegtes Buch mit dem Titel: „Der Jakobiner in Wien" — halb Romantik, halb Wirklichkeit, ein echtes Wahrheit und Dichtung, beleuchtet eine wenig erfreuliche Zeit voll Mißgriffe und Härte in den obern und voll Verblendung und Stumpsinn in den untern Regionen. Die in Leipzig gedruckten: „''in <it;«i^el-in" des bekannten Wiener Lustspieldichters Bauernfeld, sind wohlgemeinte Klagen und Wünsche, denen die Weite des Gesichtskreises mangelt und die sehr zurückhal¬ tend geschrieben sind, weshalb ihnen die k. k. österr. Censur auch das angesuchte Imprimatur nicht vorenthalten hat. Unstreitig die beste Publikation über österreichische Zustände ist das gleichfalls in Sach¬ sen aufgelegte Werk: „Die Juden in Oesterreich," das man dein or. Jeiteles in Wien oder Herrn Legis in Prag zuschreibt») Es behandelt die Stellung der Juden von dem Standpunkte der Geschichte, des Rechts uns des Staatsvortheils; der religiöse soll und muß natürlich mit dem des juridischen zusammenfallen, denn Recht und Religion müssen sich im geläuterten Zustande identifi- ciren. Durch die bekannten Vorfälle in Mantua hat die Juden¬ sache in Oesterreich ein wärmeres Interesse gesunden und auch in Wien trug ein ganz nculicher Vorgang dazu bei, die Erscheinung dieses gründlichen Buches, dessen genaue Urkundenbclege auf höhern Schutz schließen lassen, sehr zeitgemäß zu machen. Durch ein Ver¬ sehen des Censors, dem dafür ein scharfer Verweis zukam, war es dem Professor Rosas vergönnt in den Medicinischer Jahrbüchern in einer grundgescheiten Abhandlung mit triftigen Gründen zu beweisen, ein Israelite könne unmöglich ein guter Arzt sein!! Ich schließe meinen heutigen Brief mit einer Unglückspost aus Klausenburg in Siebenbürgen, wo sich die Grafen Bethlen und Teleky auf Pistolen geschlagen haben, und beide todt blieben, in¬ dem der Erstere in der Schulter verwundet seinem Gegner noch sterbend den Kopf zerschmetterte. Das Motiv war die Liebe zu einer von beiden Seite» verehrten Dame. Die Red. ^) Also nicht Herrn von Hammer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/438>, abgerufen am 23.07.2024.