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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sie werde jedem Antrage auf dem Landtage des nächsten Jahres
auf das Bereitwilligste entgegenkommen und den Ungarn nicht eine
kommerzielle Wohlthat entziehen, die für die Regierung selbst ein wichti¬
ges Mittel der Centralisation darbietet und von großer politischer Be¬
deutung sein würde. Und in der That beginnt man im Jahre 1842 dieselbe
Tendenz, welche 1786 gescheitert ist, im weisen und gemäßigten Sinn
wieder aufzunehmen und wenn der großeDenkkaiser, wie manJosephlI.
unlängst genannt hat, die engere Verbindung und allmälige Verschmel¬
zung der sprachverschiedenen Völkerschaften auf dem Wege der geistigen
Reform zu bewirken meinte, indem er ihnen die Seele der Nationalität,
die Sprache zu nehmen suchte, so geht gegenwärtig das Bestreben
blos dahin, bet möglicher Gewährung nationaler Wünsche die
Bande materieller Wohlfahrt desto enger zu schürzen und die äußern
Interessen der verschiedenen Völkerstämme vollkommen zu centrali-
siren. Die Staatsbahnen dienen offenbar in höherem Maß zur
Erstarkung der Centralgewalt. Abgesehen von der innern Conso-
lidirung der Monarchie und der erhöhten Handelsbewegung kommt
der militärische Vortheil der Eisenstraßen wenigstens einer Verdoppe¬
lung des Heeres gleich, so daß man überhaupt sagen darf, der
Kaiserstaat werde bei einstiger Vollendung seines weit verzweigten
Eisenbahnnetzes mit doppelten Kräften gegen innere und äußere
Feinde dastehen. -- Bedenkliche Schwierigkeiten dürften jedoch erst
dann entstehen, wenn einige der projektirten und bereits im Bau
begriffenen Staatsbahnen wirklich fertig sind und verpachtet werden
sollen. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß bei diesen Eta¬
blissements, von denen die Regierung in ihrer officiellen Erklärung
in der Hofzeitung selbst gestanden, sie seien mehr vom Standpunkt
des höhern Staatszwecks, als aus merkantilischer Spekulation unter¬
nommen worden, die Frage der Herstellung leichter zu entscheiden
ist, denn jene der Verwaltung. Die Pachtverhältnisse werden sür
die Negierung jedenfalls sehr ungünstig ausfallen; denn schon haben
sich mehrere Mitglieder der Direktion der Nordbahn dahin ausge¬
sprochen, die Größe der Pachtsumme erst nach einer zweijährigen
unentgeltlichen Benutzung der fertigen Bahnstrecken je nach
der wahrgenommenen Frequenz durchschnittlich feststellen zu können!

Seit einiger Zeit beschäftigt sich die auswärtige Presse wieder
sehr angelegentlich mit österreichischen Zuständen, der Aufmerksam-


sie werde jedem Antrage auf dem Landtage des nächsten Jahres
auf das Bereitwilligste entgegenkommen und den Ungarn nicht eine
kommerzielle Wohlthat entziehen, die für die Regierung selbst ein wichti¬
ges Mittel der Centralisation darbietet und von großer politischer Be¬
deutung sein würde. Und in der That beginnt man im Jahre 1842 dieselbe
Tendenz, welche 1786 gescheitert ist, im weisen und gemäßigten Sinn
wieder aufzunehmen und wenn der großeDenkkaiser, wie manJosephlI.
unlängst genannt hat, die engere Verbindung und allmälige Verschmel¬
zung der sprachverschiedenen Völkerschaften auf dem Wege der geistigen
Reform zu bewirken meinte, indem er ihnen die Seele der Nationalität,
die Sprache zu nehmen suchte, so geht gegenwärtig das Bestreben
blos dahin, bet möglicher Gewährung nationaler Wünsche die
Bande materieller Wohlfahrt desto enger zu schürzen und die äußern
Interessen der verschiedenen Völkerstämme vollkommen zu centrali-
siren. Die Staatsbahnen dienen offenbar in höherem Maß zur
Erstarkung der Centralgewalt. Abgesehen von der innern Conso-
lidirung der Monarchie und der erhöhten Handelsbewegung kommt
der militärische Vortheil der Eisenstraßen wenigstens einer Verdoppe¬
lung des Heeres gleich, so daß man überhaupt sagen darf, der
Kaiserstaat werde bei einstiger Vollendung seines weit verzweigten
Eisenbahnnetzes mit doppelten Kräften gegen innere und äußere
Feinde dastehen. — Bedenkliche Schwierigkeiten dürften jedoch erst
dann entstehen, wenn einige der projektirten und bereits im Bau
begriffenen Staatsbahnen wirklich fertig sind und verpachtet werden
sollen. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß bei diesen Eta¬
blissements, von denen die Regierung in ihrer officiellen Erklärung
in der Hofzeitung selbst gestanden, sie seien mehr vom Standpunkt
des höhern Staatszwecks, als aus merkantilischer Spekulation unter¬
nommen worden, die Frage der Herstellung leichter zu entscheiden
ist, denn jene der Verwaltung. Die Pachtverhältnisse werden sür
die Negierung jedenfalls sehr ungünstig ausfallen; denn schon haben
sich mehrere Mitglieder der Direktion der Nordbahn dahin ausge¬
sprochen, die Größe der Pachtsumme erst nach einer zweijährigen
unentgeltlichen Benutzung der fertigen Bahnstrecken je nach
der wahrgenommenen Frequenz durchschnittlich feststellen zu können!

Seit einiger Zeit beschäftigt sich die auswärtige Presse wieder
sehr angelegentlich mit österreichischen Zuständen, der Aufmerksam-


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[0437] sie werde jedem Antrage auf dem Landtage des nächsten Jahres auf das Bereitwilligste entgegenkommen und den Ungarn nicht eine kommerzielle Wohlthat entziehen, die für die Regierung selbst ein wichti¬ ges Mittel der Centralisation darbietet und von großer politischer Be¬ deutung sein würde. Und in der That beginnt man im Jahre 1842 dieselbe Tendenz, welche 1786 gescheitert ist, im weisen und gemäßigten Sinn wieder aufzunehmen und wenn der großeDenkkaiser, wie manJosephlI. unlängst genannt hat, die engere Verbindung und allmälige Verschmel¬ zung der sprachverschiedenen Völkerschaften auf dem Wege der geistigen Reform zu bewirken meinte, indem er ihnen die Seele der Nationalität, die Sprache zu nehmen suchte, so geht gegenwärtig das Bestreben blos dahin, bet möglicher Gewährung nationaler Wünsche die Bande materieller Wohlfahrt desto enger zu schürzen und die äußern Interessen der verschiedenen Völkerstämme vollkommen zu centrali- siren. Die Staatsbahnen dienen offenbar in höherem Maß zur Erstarkung der Centralgewalt. Abgesehen von der innern Conso- lidirung der Monarchie und der erhöhten Handelsbewegung kommt der militärische Vortheil der Eisenstraßen wenigstens einer Verdoppe¬ lung des Heeres gleich, so daß man überhaupt sagen darf, der Kaiserstaat werde bei einstiger Vollendung seines weit verzweigten Eisenbahnnetzes mit doppelten Kräften gegen innere und äußere Feinde dastehen. — Bedenkliche Schwierigkeiten dürften jedoch erst dann entstehen, wenn einige der projektirten und bereits im Bau begriffenen Staatsbahnen wirklich fertig sind und verpachtet werden sollen. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß bei diesen Eta¬ blissements, von denen die Regierung in ihrer officiellen Erklärung in der Hofzeitung selbst gestanden, sie seien mehr vom Standpunkt des höhern Staatszwecks, als aus merkantilischer Spekulation unter¬ nommen worden, die Frage der Herstellung leichter zu entscheiden ist, denn jene der Verwaltung. Die Pachtverhältnisse werden sür die Negierung jedenfalls sehr ungünstig ausfallen; denn schon haben sich mehrere Mitglieder der Direktion der Nordbahn dahin ausge¬ sprochen, die Größe der Pachtsumme erst nach einer zweijährigen unentgeltlichen Benutzung der fertigen Bahnstrecken je nach der wahrgenommenen Frequenz durchschnittlich feststellen zu können! Seit einiger Zeit beschäftigt sich die auswärtige Presse wieder sehr angelegentlich mit österreichischen Zuständen, der Aufmerksam-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/437>, abgerufen am 23.07.2024.