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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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müssen, welches Minimum jede auffällige Versäumnis? unmöglich
macht. Obschon nicht, wie man anfangs vermuthete, Militär zum
Bau verwendet wird, so kommt dennoch die Meile Schienenbahn
um ein Drittheil wohlfeiler zu stehen, als die von den Privaten
gebauten, wornach man mit Leichtigkeit ermessen kann, wie übel die
Ausschüsse der Aktienvereine mit fremdem Geld gewirthschaftet haben.
Als schlagendstes Beispiel von der Genauigkeit und dem redlichen
Geschäftsgange dieser Leute mag der Umstand dienen, daß mit den
Einlagen, deren Betrag zum Bau einer Bahn von Wien nach Raab
in Ungarn bestimmt war, nur die Strecke zwischen Wien und Glogg-
nitz hergestellt ward, ja die ganze Richtung des Schienenweges nach¬
träglich und eigenmächtig dahin verändert wurde, daß Ungarn dabei
ganz aus dem Spiele blieb. Man kann sich denken, wie sehr ein
solch verwerfliches Verfahren die treuherzigen Ungarn erbittern mußte,
von denen sich sehr viele aus Patriotismus bei dem Unternehmen
betheiligt hatten und die sich nun in ihren Hoffnungen betrogen
sahen; die ungarischen Journale haben diesen Gegenstand mit Fug
einer scharfen Kritik unterzogen und sind auch soweit gegangen, den
Beschluß der Negierung zu tadeln, da bekanntlich die allgemein er¬
wartete Bahn von Wien nach Pesth sich nicht unter den vom Staat
zu erbauenden Routen vorfand und somit das Königreich Ungarn
mit seinen Kronländern so ziemlich allein von der Wohlthat solcher
CommunikationSmittel auf allgemeine Kosten ausgeschlossen blieb.
Ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung aus Wien giebt,
indem er die Staatsverwaltung von jeder Animosität freispricht, nicht
undeutlich zu verstehen, Ungarn besitze einmal seine besondere Ad¬
ministration, sein eigenthümliches Steuersystem; und wolle es er allen
Dingen als ein Abgesondertes und Eigenartiges gelten, so möge es
sich auch in dieser Beziehung von dem erkämpften Standpunkt der
Selbständigkeit betrachten und nicht auf die Verwendung von Sum¬
men Anspruch erheben, zu denen dasselbe doch nichts beigetragen
habe. Sieht man nicht klar, sagte mir ein eifriger Magyar in Pesth,
man will die Ungarn durch die Konsequenz schlagen und ihnen den
Besitz ihrer Freiheiten auf diese Art verleiden, man will das Dasein
der moralischen Güter durch die Entziehung der materiellen
bestrafen? Wir glauben nicht, daß sich die Regierung von solchen
unzweckmäßigen Ansichten leiten lasse, sind den Gegentheil überzeugt,


müssen, welches Minimum jede auffällige Versäumnis? unmöglich
macht. Obschon nicht, wie man anfangs vermuthete, Militär zum
Bau verwendet wird, so kommt dennoch die Meile Schienenbahn
um ein Drittheil wohlfeiler zu stehen, als die von den Privaten
gebauten, wornach man mit Leichtigkeit ermessen kann, wie übel die
Ausschüsse der Aktienvereine mit fremdem Geld gewirthschaftet haben.
Als schlagendstes Beispiel von der Genauigkeit und dem redlichen
Geschäftsgange dieser Leute mag der Umstand dienen, daß mit den
Einlagen, deren Betrag zum Bau einer Bahn von Wien nach Raab
in Ungarn bestimmt war, nur die Strecke zwischen Wien und Glogg-
nitz hergestellt ward, ja die ganze Richtung des Schienenweges nach¬
träglich und eigenmächtig dahin verändert wurde, daß Ungarn dabei
ganz aus dem Spiele blieb. Man kann sich denken, wie sehr ein
solch verwerfliches Verfahren die treuherzigen Ungarn erbittern mußte,
von denen sich sehr viele aus Patriotismus bei dem Unternehmen
betheiligt hatten und die sich nun in ihren Hoffnungen betrogen
sahen; die ungarischen Journale haben diesen Gegenstand mit Fug
einer scharfen Kritik unterzogen und sind auch soweit gegangen, den
Beschluß der Negierung zu tadeln, da bekanntlich die allgemein er¬
wartete Bahn von Wien nach Pesth sich nicht unter den vom Staat
zu erbauenden Routen vorfand und somit das Königreich Ungarn
mit seinen Kronländern so ziemlich allein von der Wohlthat solcher
CommunikationSmittel auf allgemeine Kosten ausgeschlossen blieb.
Ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung aus Wien giebt,
indem er die Staatsverwaltung von jeder Animosität freispricht, nicht
undeutlich zu verstehen, Ungarn besitze einmal seine besondere Ad¬
ministration, sein eigenthümliches Steuersystem; und wolle es er allen
Dingen als ein Abgesondertes und Eigenartiges gelten, so möge es
sich auch in dieser Beziehung von dem erkämpften Standpunkt der
Selbständigkeit betrachten und nicht auf die Verwendung von Sum¬
men Anspruch erheben, zu denen dasselbe doch nichts beigetragen
habe. Sieht man nicht klar, sagte mir ein eifriger Magyar in Pesth,
man will die Ungarn durch die Konsequenz schlagen und ihnen den
Besitz ihrer Freiheiten auf diese Art verleiden, man will das Dasein
der moralischen Güter durch die Entziehung der materiellen
bestrafen? Wir glauben nicht, daß sich die Regierung von solchen
unzweckmäßigen Ansichten leiten lasse, sind den Gegentheil überzeugt,


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[0436] müssen, welches Minimum jede auffällige Versäumnis? unmöglich macht. Obschon nicht, wie man anfangs vermuthete, Militär zum Bau verwendet wird, so kommt dennoch die Meile Schienenbahn um ein Drittheil wohlfeiler zu stehen, als die von den Privaten gebauten, wornach man mit Leichtigkeit ermessen kann, wie übel die Ausschüsse der Aktienvereine mit fremdem Geld gewirthschaftet haben. Als schlagendstes Beispiel von der Genauigkeit und dem redlichen Geschäftsgange dieser Leute mag der Umstand dienen, daß mit den Einlagen, deren Betrag zum Bau einer Bahn von Wien nach Raab in Ungarn bestimmt war, nur die Strecke zwischen Wien und Glogg- nitz hergestellt ward, ja die ganze Richtung des Schienenweges nach¬ träglich und eigenmächtig dahin verändert wurde, daß Ungarn dabei ganz aus dem Spiele blieb. Man kann sich denken, wie sehr ein solch verwerfliches Verfahren die treuherzigen Ungarn erbittern mußte, von denen sich sehr viele aus Patriotismus bei dem Unternehmen betheiligt hatten und die sich nun in ihren Hoffnungen betrogen sahen; die ungarischen Journale haben diesen Gegenstand mit Fug einer scharfen Kritik unterzogen und sind auch soweit gegangen, den Beschluß der Negierung zu tadeln, da bekanntlich die allgemein er¬ wartete Bahn von Wien nach Pesth sich nicht unter den vom Staat zu erbauenden Routen vorfand und somit das Königreich Ungarn mit seinen Kronländern so ziemlich allein von der Wohlthat solcher CommunikationSmittel auf allgemeine Kosten ausgeschlossen blieb. Ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung aus Wien giebt, indem er die Staatsverwaltung von jeder Animosität freispricht, nicht undeutlich zu verstehen, Ungarn besitze einmal seine besondere Ad¬ ministration, sein eigenthümliches Steuersystem; und wolle es er allen Dingen als ein Abgesondertes und Eigenartiges gelten, so möge es sich auch in dieser Beziehung von dem erkämpften Standpunkt der Selbständigkeit betrachten und nicht auf die Verwendung von Sum¬ men Anspruch erheben, zu denen dasselbe doch nichts beigetragen habe. Sieht man nicht klar, sagte mir ein eifriger Magyar in Pesth, man will die Ungarn durch die Konsequenz schlagen und ihnen den Besitz ihrer Freiheiten auf diese Art verleiden, man will das Dasein der moralischen Güter durch die Entziehung der materiellen bestrafen? Wir glauben nicht, daß sich die Regierung von solchen unzweckmäßigen Ansichten leiten lasse, sind den Gegentheil überzeugt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/436>, abgerufen am 23.07.2024.