Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

und Waaren überfüllt, daß es unmöglich war, an einen Spaziergang
auf dem Verdecke zu denken. Diese buntfarbige Menschenmenge, ei¬
nige Musikanten, die sich hören ließen, das Geräusch der Unterhal¬
tungen, die allgemeine Fröhlichkeit, gaben der Gesellschaft, -- indem
wir selbst für unsern Theil das Gehörige beitrugen -- das Ausse¬
hen eines Maskenballes. Endlich fanden wir mit vieler Mühe einen
Platz in Gesellschaft einiger Herren, die wir, ihrer Kleidung nach
zu urtheilen, für Collegen hielten.

Es ist eine Lehre, die wohl Jedermann aus seiner Erfahrung
geschöpft hat, daß der Mensch auf Reisen, seien sie nun zu Lande
oder zu Wasser, achtungsvoll und artig behandelt wird, wenn er ein
Kleid nach der Mode trägt, während man unter dem Leinwandkittel,
und wäre man ein Engel, selten etwas Besseres, als geringschätzige,
verächtliche Aufnahme findet. So falsch und trügerisch nun auch
dies Urtheil nach dem äußeren Scheine sehr häufig ist, so, hat es
doch in so fern etwas für sich, als es in der That schwer ist, einen
uns gänzlich fremden Menschen nach etwas Anderem, als seiner äu¬
ßern Erscheinung zu beurtheilen, und diese besteht denn doch nur in
seiner Kleidung i denn nicht Jedermann ist ein Lavater, um nach der
Physiognomie und den Gesichtszügen zu urtheilen. Wir hatten uns
diesmal nicht geirrt: die Gesellschaft, zu der wir uns setzten, bestand
nus Malern und Studenten, und nach dem alten Sprüchwort:
"Gleich und gleich gesellt sich gern," tafelten wir denn auch bald
mit einander an einem lustig mit Weinflaschen besetzten Tisch, der in
einen dichten Schleier von Tabaksdampf eingehüllt war, aus dem
unser Anstoßen der Gläser unter dem Rufe: "Ihr Wohlsein, meine
Herrn" fröhlich herausklang.

Den Gegenstand unserer Unterhaltung bildeten, wie man sich
leicht denken kann, Kunst uno Wissenschaften. Hinter uns befand
sich ein Herr in Gesellschaft einiger Damen, welche ehrenwerthe
Person uns aber von Zeit zu Zeit Blicke zuwarf, die nichts
weniger, als wohlwollend waren. Unsre geräuschvolle Heiterkeit
schien ihn in einer wichtigen Erzählung zu stören, die er diesen
Damen über seine Reise in Italien mittheilte. Zwei andre Herren,
die ebenfalls an diesem Tische saßen, machten ihm hin und wieder
Complimente über die elegante Art, mit der er das Italienische aus¬
sprach, da er sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, durch einige


und Waaren überfüllt, daß es unmöglich war, an einen Spaziergang
auf dem Verdecke zu denken. Diese buntfarbige Menschenmenge, ei¬
nige Musikanten, die sich hören ließen, das Geräusch der Unterhal¬
tungen, die allgemeine Fröhlichkeit, gaben der Gesellschaft, — indem
wir selbst für unsern Theil das Gehörige beitrugen — das Ausse¬
hen eines Maskenballes. Endlich fanden wir mit vieler Mühe einen
Platz in Gesellschaft einiger Herren, die wir, ihrer Kleidung nach
zu urtheilen, für Collegen hielten.

Es ist eine Lehre, die wohl Jedermann aus seiner Erfahrung
geschöpft hat, daß der Mensch auf Reisen, seien sie nun zu Lande
oder zu Wasser, achtungsvoll und artig behandelt wird, wenn er ein
Kleid nach der Mode trägt, während man unter dem Leinwandkittel,
und wäre man ein Engel, selten etwas Besseres, als geringschätzige,
verächtliche Aufnahme findet. So falsch und trügerisch nun auch
dies Urtheil nach dem äußeren Scheine sehr häufig ist, so, hat es
doch in so fern etwas für sich, als es in der That schwer ist, einen
uns gänzlich fremden Menschen nach etwas Anderem, als seiner äu¬
ßern Erscheinung zu beurtheilen, und diese besteht denn doch nur in
seiner Kleidung i denn nicht Jedermann ist ein Lavater, um nach der
Physiognomie und den Gesichtszügen zu urtheilen. Wir hatten uns
diesmal nicht geirrt: die Gesellschaft, zu der wir uns setzten, bestand
nus Malern und Studenten, und nach dem alten Sprüchwort:
„Gleich und gleich gesellt sich gern," tafelten wir denn auch bald
mit einander an einem lustig mit Weinflaschen besetzten Tisch, der in
einen dichten Schleier von Tabaksdampf eingehüllt war, aus dem
unser Anstoßen der Gläser unter dem Rufe: „Ihr Wohlsein, meine
Herrn" fröhlich herausklang.

Den Gegenstand unserer Unterhaltung bildeten, wie man sich
leicht denken kann, Kunst uno Wissenschaften. Hinter uns befand
sich ein Herr in Gesellschaft einiger Damen, welche ehrenwerthe
Person uns aber von Zeit zu Zeit Blicke zuwarf, die nichts
weniger, als wohlwollend waren. Unsre geräuschvolle Heiterkeit
schien ihn in einer wichtigen Erzählung zu stören, die er diesen
Damen über seine Reise in Italien mittheilte. Zwei andre Herren,
die ebenfalls an diesem Tische saßen, machten ihm hin und wieder
Complimente über die elegante Art, mit der er das Italienische aus¬
sprach, da er sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, durch einige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0368" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266985"/>
              <p xml:id="ID_1010" prev="#ID_1009"> und Waaren überfüllt, daß es unmöglich war, an einen Spaziergang<lb/>
auf dem Verdecke zu denken. Diese buntfarbige Menschenmenge, ei¬<lb/>
nige Musikanten, die sich hören ließen, das Geräusch der Unterhal¬<lb/>
tungen, die allgemeine Fröhlichkeit, gaben der Gesellschaft, &#x2014; indem<lb/>
wir selbst für unsern Theil das Gehörige beitrugen &#x2014; das Ausse¬<lb/>
hen eines Maskenballes. Endlich fanden wir mit vieler Mühe einen<lb/>
Platz in Gesellschaft einiger Herren, die wir, ihrer Kleidung nach<lb/>
zu urtheilen, für Collegen hielten.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1011"> Es ist eine Lehre, die wohl Jedermann aus seiner Erfahrung<lb/>
geschöpft hat, daß der Mensch auf Reisen, seien sie nun zu Lande<lb/>
oder zu Wasser, achtungsvoll und artig behandelt wird, wenn er ein<lb/>
Kleid nach der Mode trägt, während man unter dem Leinwandkittel,<lb/>
und wäre man ein Engel, selten etwas Besseres, als geringschätzige,<lb/>
verächtliche Aufnahme findet. So falsch und trügerisch nun auch<lb/>
dies Urtheil nach dem äußeren Scheine sehr häufig ist, so, hat es<lb/>
doch in so fern etwas für sich, als es in der That schwer ist, einen<lb/>
uns gänzlich fremden Menschen nach etwas Anderem, als seiner äu¬<lb/>
ßern Erscheinung zu beurtheilen, und diese besteht denn doch nur in<lb/>
seiner Kleidung i denn nicht Jedermann ist ein Lavater, um nach der<lb/>
Physiognomie und den Gesichtszügen zu urtheilen. Wir hatten uns<lb/>
diesmal nicht geirrt: die Gesellschaft, zu der wir uns setzten, bestand<lb/>
nus Malern und Studenten, und nach dem alten Sprüchwort:<lb/>
&#x201E;Gleich und gleich gesellt sich gern," tafelten wir denn auch bald<lb/>
mit einander an einem lustig mit Weinflaschen besetzten Tisch, der in<lb/>
einen dichten Schleier von Tabaksdampf eingehüllt war, aus dem<lb/>
unser Anstoßen der Gläser unter dem Rufe: &#x201E;Ihr Wohlsein, meine<lb/>
Herrn" fröhlich herausklang.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1012" next="#ID_1013"> Den Gegenstand unserer Unterhaltung bildeten, wie man sich<lb/>
leicht denken kann, Kunst uno Wissenschaften. Hinter uns befand<lb/>
sich ein Herr in Gesellschaft einiger Damen, welche ehrenwerthe<lb/>
Person uns aber von Zeit zu Zeit Blicke zuwarf, die nichts<lb/>
weniger, als wohlwollend waren. Unsre geräuschvolle Heiterkeit<lb/>
schien ihn in einer wichtigen Erzählung zu stören, die er diesen<lb/>
Damen über seine Reise in Italien mittheilte. Zwei andre Herren,<lb/>
die ebenfalls an diesem Tische saßen, machten ihm hin und wieder<lb/>
Complimente über die elegante Art, mit der er das Italienische aus¬<lb/>
sprach, da er sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, durch einige</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0368] und Waaren überfüllt, daß es unmöglich war, an einen Spaziergang auf dem Verdecke zu denken. Diese buntfarbige Menschenmenge, ei¬ nige Musikanten, die sich hören ließen, das Geräusch der Unterhal¬ tungen, die allgemeine Fröhlichkeit, gaben der Gesellschaft, — indem wir selbst für unsern Theil das Gehörige beitrugen — das Ausse¬ hen eines Maskenballes. Endlich fanden wir mit vieler Mühe einen Platz in Gesellschaft einiger Herren, die wir, ihrer Kleidung nach zu urtheilen, für Collegen hielten. Es ist eine Lehre, die wohl Jedermann aus seiner Erfahrung geschöpft hat, daß der Mensch auf Reisen, seien sie nun zu Lande oder zu Wasser, achtungsvoll und artig behandelt wird, wenn er ein Kleid nach der Mode trägt, während man unter dem Leinwandkittel, und wäre man ein Engel, selten etwas Besseres, als geringschätzige, verächtliche Aufnahme findet. So falsch und trügerisch nun auch dies Urtheil nach dem äußeren Scheine sehr häufig ist, so, hat es doch in so fern etwas für sich, als es in der That schwer ist, einen uns gänzlich fremden Menschen nach etwas Anderem, als seiner äu¬ ßern Erscheinung zu beurtheilen, und diese besteht denn doch nur in seiner Kleidung i denn nicht Jedermann ist ein Lavater, um nach der Physiognomie und den Gesichtszügen zu urtheilen. Wir hatten uns diesmal nicht geirrt: die Gesellschaft, zu der wir uns setzten, bestand nus Malern und Studenten, und nach dem alten Sprüchwort: „Gleich und gleich gesellt sich gern," tafelten wir denn auch bald mit einander an einem lustig mit Weinflaschen besetzten Tisch, der in einen dichten Schleier von Tabaksdampf eingehüllt war, aus dem unser Anstoßen der Gläser unter dem Rufe: „Ihr Wohlsein, meine Herrn" fröhlich herausklang. Den Gegenstand unserer Unterhaltung bildeten, wie man sich leicht denken kann, Kunst uno Wissenschaften. Hinter uns befand sich ein Herr in Gesellschaft einiger Damen, welche ehrenwerthe Person uns aber von Zeit zu Zeit Blicke zuwarf, die nichts weniger, als wohlwollend waren. Unsre geräuschvolle Heiterkeit schien ihn in einer wichtigen Erzählung zu stören, die er diesen Damen über seine Reise in Italien mittheilte. Zwei andre Herren, die ebenfalls an diesem Tische saßen, machten ihm hin und wieder Complimente über die elegante Art, mit der er das Italienische aus¬ sprach, da er sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, durch einige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/368
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/368>, abgerufen am 29.06.2024.