Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.flossenen, tuschend, klug, consequent und -- glücklich. Wenn Dahl- Die barockste Originalität, wodurch Blumenbach eben so weltbe¬ flossenen, tuschend, klug, consequent und — glücklich. Wenn Dahl- Die barockste Originalität, wodurch Blumenbach eben so weltbe¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266969"/> <p xml:id="ID_956" prev="#ID_955"> flossenen, tuschend, klug, consequent und — glücklich. Wenn Dahl-<lb/> mann mit Schwert und Scepter in den Waffen- und Geifterlärm<lb/> der vaterländischen Geschichte trat, so sortirte Heeren lieber die glat¬<lb/> ten Pfade der Diplomatie aus, mit feinfühlender Stricknadel Schau¬<lb/> seite er Strich für Strich den Staub und Sand der Geschichten<lb/> aus, und zeichnete die Handelsstraßen der alten Welt wie Linien<lb/> einer Landkarte vor uns hin, er grub die Wegweiser aus dem Schutt<lb/> der Wüsten auf, wog den Karawanen des untergegangnen Indiens<lb/> und Meroes ihre Lasten zu, spürte den Platzen nach, wo lange vor<lb/> Joseph und Semiramis die Lederschläuche in den Cisternen sich<lb/> tränkten; Heeren, ein Kind des hanseatischen Bremens, tarirte den<lb/> Ein- und Austausch Arabiens und Mesopotamiens, zählte Truppen<lb/> und Revenüen der Fürsten und Republiken, verzeichnete den Ertrag<lb/> des Bodens und lobte, obgleich er selten urtheilte, die gemäßigte<lb/> Monarchie. Bei Heeren sammelte der Zuhörer sorgsam gesichtete<lb/> Kenntnisse ein, immer war man gewiß, bei ihm den Seckel voll<lb/> vieler, kleiner Münze mit zurückzubringen. Schade, daß der Verfasser<lb/> der Ideen, der Freund des europäischen Gleichgewichts, über die<lb/> neuern Geschichtsereignisse ängstlich hinwegcilte; eS schien ihm nicht<lb/> zu gefallen, daß eS noch immerfort Geschichte geben wollte; darin<lb/> war es ihm gar nicht geheuer; und wenn er denn auch, sobald er<lb/> auf deutsche Schmach und Erhebung zu reden kam, die Stimme<lb/> erhob, ein rednerisches Bild daran wagte, eine poetisch verhüllende<lb/> Metapher hineinnähete, so mußte dennoch immer der dünne Faden<lb/> seiner historischen Spindel hindurchsausen. Heeren gab unter seinen<lb/> Materialien viel Bedenklichkeiten, Dahlmaim mehr Muth; jener war<lb/> in den Weltbegebenheiten gelernt und geschult, dieser ergriff, wie<lb/> die Ereignisse selbst, den Kopf und den Charakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_957" next="#ID_958"> Die barockste Originalität, wodurch Blumenbach eben so weltbe¬<lb/> rühmt und unsterblich geworden, wie durch sein Naturgeschichtssystem<lb/> und seine Schädelracen, konnte man wohl für ein Naturphenomen<lb/> ansehen, so fremdartig, humoristisch ragte dieser Mann unter den<lb/> übrigen denkenden Köpfen, seinen Amtsbrüdern, hervor, ein eroti¬<lb/> sches Gewächs unter den einheimischen. Die Erscheinung dieser<lb/> seltsamen Celebrität war ein Inbegriff von Witzen und Curiosis.<lb/> War es der lebenslange Umgang mit der noch unerzogenen Natur,<lb/> mit Gethier und Gebild jeglicher Gattung, mit Schädeln aller</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
flossenen, tuschend, klug, consequent und — glücklich. Wenn Dahl-
mann mit Schwert und Scepter in den Waffen- und Geifterlärm
der vaterländischen Geschichte trat, so sortirte Heeren lieber die glat¬
ten Pfade der Diplomatie aus, mit feinfühlender Stricknadel Schau¬
seite er Strich für Strich den Staub und Sand der Geschichten
aus, und zeichnete die Handelsstraßen der alten Welt wie Linien
einer Landkarte vor uns hin, er grub die Wegweiser aus dem Schutt
der Wüsten auf, wog den Karawanen des untergegangnen Indiens
und Meroes ihre Lasten zu, spürte den Platzen nach, wo lange vor
Joseph und Semiramis die Lederschläuche in den Cisternen sich
tränkten; Heeren, ein Kind des hanseatischen Bremens, tarirte den
Ein- und Austausch Arabiens und Mesopotamiens, zählte Truppen
und Revenüen der Fürsten und Republiken, verzeichnete den Ertrag
des Bodens und lobte, obgleich er selten urtheilte, die gemäßigte
Monarchie. Bei Heeren sammelte der Zuhörer sorgsam gesichtete
Kenntnisse ein, immer war man gewiß, bei ihm den Seckel voll
vieler, kleiner Münze mit zurückzubringen. Schade, daß der Verfasser
der Ideen, der Freund des europäischen Gleichgewichts, über die
neuern Geschichtsereignisse ängstlich hinwegcilte; eS schien ihm nicht
zu gefallen, daß eS noch immerfort Geschichte geben wollte; darin
war es ihm gar nicht geheuer; und wenn er denn auch, sobald er
auf deutsche Schmach und Erhebung zu reden kam, die Stimme
erhob, ein rednerisches Bild daran wagte, eine poetisch verhüllende
Metapher hineinnähete, so mußte dennoch immer der dünne Faden
seiner historischen Spindel hindurchsausen. Heeren gab unter seinen
Materialien viel Bedenklichkeiten, Dahlmaim mehr Muth; jener war
in den Weltbegebenheiten gelernt und geschult, dieser ergriff, wie
die Ereignisse selbst, den Kopf und den Charakter.
Die barockste Originalität, wodurch Blumenbach eben so weltbe¬
rühmt und unsterblich geworden, wie durch sein Naturgeschichtssystem
und seine Schädelracen, konnte man wohl für ein Naturphenomen
ansehen, so fremdartig, humoristisch ragte dieser Mann unter den
übrigen denkenden Köpfen, seinen Amtsbrüdern, hervor, ein eroti¬
sches Gewächs unter den einheimischen. Die Erscheinung dieser
seltsamen Celebrität war ein Inbegriff von Witzen und Curiosis.
War es der lebenslange Umgang mit der noch unerzogenen Natur,
mit Gethier und Gebild jeglicher Gattung, mit Schädeln aller
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