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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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mit ihren eigenen Plänen und Absichten so schön zusammentraf;
denn obgleich sie sich mit der Idee dieser Verbindung, die für Ru߬
land in politischer Beziehung von bedeutendem Nutzen sein mußte,
schon seit langer Zeit herumtrug, so harte sie ihrem Sohne dennoch
freie Hand in der Wahl seiner Gattin gelassen, weil sie vor Allem
wünschte, er solle in der Ehe ein wahres häusliches Glück finden.
Die preußische Königstochter kam nun nach Petersburg und ward,
nachdem sie den Namen Alerandra Feodorowna und die griechisch¬
katholische Religion angenommen, am 18ten Juli 1817 mit dem
Großfürsten Nikolaus vermählt. Die Kaiserin Mutter hat in dieser
Verbindung die Erfüllung ihrer theuersten Hoffnungen gefunden;
denn sie hat aus dieser glücklichen Ehe noch vier Kinder, zwei Prin¬
zen und zwei Prinzessinnen, erlebt. Jetzt besitzt Kaiser Nikolaus
im Ganzen sieben Kinder, drei weiblichen und vier männlichen Ge¬
schlechts, welche die Namen seiner Brüder, Alexander, Constantin
und Michael und seinen eigenen, Nikolaus, führen; Nikolaus ist
noch minderjährig und Michael noch Knabe.

Erziehung und zufällige, glückliche Anlagen scheinen gleich viel
beigetragen zu haben, um aus Nikolaus einen wahren russischen
Herrscher, einen ächten Hossudar und Autokraten zu bilden, wie ihn
Rußland stets nöthig hat, wie es ihn aber besonders nach dem Tode
Alerander's bedürfte.

Er unterscheidet sich von allen seinen Brüdern sowohl in phy¬
sischer, als moralischer Beziehung; er selbst aber ist in seinem Aeu-
ßeren ein getreues Abbild seines Innern. Die kolossale Größe sei-'
mes Körpers, die männliche Schönheit seiner Gesichtsbildung, sein
einfaches, aber majestätisches Benehmen, seine starke, tönende und
heroische Stimme entsprechen getreu seiner moralischen Individualität:^
die Ueberzeugungen des Kaisers, seine religiösen, wie seine politischen
Grundsätze sind fest und bestimmt, sein Charakter ist abgeschlossen
und unabhängig, wie seine Gewalt unbeschränkt.'

Der schwankende, unselbständige Charakter Aleranders und die
Unsicherheit seiner Ueberzeugungen hatten einen nachtheiligen Einfluß
auf das Geschut des russischen Reiches ausgeübt. In religiöser Be¬
ziehung war sein Geist mehrfachen Umwälzungen unterworfen gewesen;
als ein Zögling Laharpe's bestieg er den Thron, voll der Ideen des
Isten Jahrhunderts; alsdann kam ein Augenblick, wo er sich gleich


mit ihren eigenen Plänen und Absichten so schön zusammentraf;
denn obgleich sie sich mit der Idee dieser Verbindung, die für Ru߬
land in politischer Beziehung von bedeutendem Nutzen sein mußte,
schon seit langer Zeit herumtrug, so harte sie ihrem Sohne dennoch
freie Hand in der Wahl seiner Gattin gelassen, weil sie vor Allem
wünschte, er solle in der Ehe ein wahres häusliches Glück finden.
Die preußische Königstochter kam nun nach Petersburg und ward,
nachdem sie den Namen Alerandra Feodorowna und die griechisch¬
katholische Religion angenommen, am 18ten Juli 1817 mit dem
Großfürsten Nikolaus vermählt. Die Kaiserin Mutter hat in dieser
Verbindung die Erfüllung ihrer theuersten Hoffnungen gefunden;
denn sie hat aus dieser glücklichen Ehe noch vier Kinder, zwei Prin¬
zen und zwei Prinzessinnen, erlebt. Jetzt besitzt Kaiser Nikolaus
im Ganzen sieben Kinder, drei weiblichen und vier männlichen Ge¬
schlechts, welche die Namen seiner Brüder, Alexander, Constantin
und Michael und seinen eigenen, Nikolaus, führen; Nikolaus ist
noch minderjährig und Michael noch Knabe.

Erziehung und zufällige, glückliche Anlagen scheinen gleich viel
beigetragen zu haben, um aus Nikolaus einen wahren russischen
Herrscher, einen ächten Hossudar und Autokraten zu bilden, wie ihn
Rußland stets nöthig hat, wie es ihn aber besonders nach dem Tode
Alerander's bedürfte.

Er unterscheidet sich von allen seinen Brüdern sowohl in phy¬
sischer, als moralischer Beziehung; er selbst aber ist in seinem Aeu-
ßeren ein getreues Abbild seines Innern. Die kolossale Größe sei-'
mes Körpers, die männliche Schönheit seiner Gesichtsbildung, sein
einfaches, aber majestätisches Benehmen, seine starke, tönende und
heroische Stimme entsprechen getreu seiner moralischen Individualität:^
die Ueberzeugungen des Kaisers, seine religiösen, wie seine politischen
Grundsätze sind fest und bestimmt, sein Charakter ist abgeschlossen
und unabhängig, wie seine Gewalt unbeschränkt.'

Der schwankende, unselbständige Charakter Aleranders und die
Unsicherheit seiner Ueberzeugungen hatten einen nachtheiligen Einfluß
auf das Geschut des russischen Reiches ausgeübt. In religiöser Be¬
ziehung war sein Geist mehrfachen Umwälzungen unterworfen gewesen;
als ein Zögling Laharpe's bestieg er den Thron, voll der Ideen des
Isten Jahrhunderts; alsdann kam ein Augenblick, wo er sich gleich


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[0341] mit ihren eigenen Plänen und Absichten so schön zusammentraf; denn obgleich sie sich mit der Idee dieser Verbindung, die für Ru߬ land in politischer Beziehung von bedeutendem Nutzen sein mußte, schon seit langer Zeit herumtrug, so harte sie ihrem Sohne dennoch freie Hand in der Wahl seiner Gattin gelassen, weil sie vor Allem wünschte, er solle in der Ehe ein wahres häusliches Glück finden. Die preußische Königstochter kam nun nach Petersburg und ward, nachdem sie den Namen Alerandra Feodorowna und die griechisch¬ katholische Religion angenommen, am 18ten Juli 1817 mit dem Großfürsten Nikolaus vermählt. Die Kaiserin Mutter hat in dieser Verbindung die Erfüllung ihrer theuersten Hoffnungen gefunden; denn sie hat aus dieser glücklichen Ehe noch vier Kinder, zwei Prin¬ zen und zwei Prinzessinnen, erlebt. Jetzt besitzt Kaiser Nikolaus im Ganzen sieben Kinder, drei weiblichen und vier männlichen Ge¬ schlechts, welche die Namen seiner Brüder, Alexander, Constantin und Michael und seinen eigenen, Nikolaus, führen; Nikolaus ist noch minderjährig und Michael noch Knabe. Erziehung und zufällige, glückliche Anlagen scheinen gleich viel beigetragen zu haben, um aus Nikolaus einen wahren russischen Herrscher, einen ächten Hossudar und Autokraten zu bilden, wie ihn Rußland stets nöthig hat, wie es ihn aber besonders nach dem Tode Alerander's bedürfte. Er unterscheidet sich von allen seinen Brüdern sowohl in phy¬ sischer, als moralischer Beziehung; er selbst aber ist in seinem Aeu- ßeren ein getreues Abbild seines Innern. Die kolossale Größe sei-' mes Körpers, die männliche Schönheit seiner Gesichtsbildung, sein einfaches, aber majestätisches Benehmen, seine starke, tönende und heroische Stimme entsprechen getreu seiner moralischen Individualität:^ die Ueberzeugungen des Kaisers, seine religiösen, wie seine politischen Grundsätze sind fest und bestimmt, sein Charakter ist abgeschlossen und unabhängig, wie seine Gewalt unbeschränkt.' Der schwankende, unselbständige Charakter Aleranders und die Unsicherheit seiner Ueberzeugungen hatten einen nachtheiligen Einfluß auf das Geschut des russischen Reiches ausgeübt. In religiöser Be¬ ziehung war sein Geist mehrfachen Umwälzungen unterworfen gewesen; als ein Zögling Laharpe's bestieg er den Thron, voll der Ideen des Isten Jahrhunderts; alsdann kam ein Augenblick, wo er sich gleich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/341>, abgerufen am 03.07.2024.