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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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worden sind, keineswegs als Anstalten für den Volksunterricht be¬
trachten. Ihr Verdienst besteht darin, daß sie neben dem höheren
Unterrichte der Specialschulen und neben den meist unfruchtbare!;
Lehren des Privatunterrichts, einen Mehreren zugänglichen und mitt¬
lern Unterricht gestellt haben, der durch die Entwicklung des Wett¬
eifers, durch die niedrigen Curse und durch das Anlockende gewisser
mechanischen Verfahrungsarten, mit denen man der Intelligenz zu
Hülfe gekommen, den Geschmack an der Kunst weiter verbreitet und
die Anzahl der Individuen, welche Begriffe davon haben, vermehrt
hat. Hierdurch haben diese Schulen der sittlichen Vervollkommnung
der Gesellschaft außerordentliche Dienste geleistet und haben die Ein¬
führung der Musik in den Elementar- und Volksunterricht vor¬
bereitet.

Wir kommen nun zu einem System, bei dessen Abfassung man
diesen letzten Gegenstand specieller im Auge hatte, und das seit un¬
gefähr zwanzig Jahren praktische Anwendung gefunden hat. ES
handelt sich von der Methode des B. Wilden, Director des Gesang¬
unterrichts in den Elementarschulen von Paris, Gesanglehrer nach
seiner Methode an der polytechnischen Schule und Professor am kö¬
niglichen College lleiiri IV. Wir haben oben gesehen, daß diese
Methode im Jahre 1819 von einer zur Verbesserung des Elemen-
tarunterrichts gegründeten Gesellschaft angenommen worden ist. Nach
einem ersten, ungefähr mit fünfzig Kindern gemachten Versuche
wurde sie in einem größeren Maßstabe in einer unentgeltlichen
Schule angewandt, die in Paris uno 8t. av Le-tuo-us ge¬
gründet worden war. Hier wurden mehrere hundert Kinder im
Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet und zwar nach dem Ver¬
fahren der Bell-Lancasterschen Methode des wechselseitigen Unter¬
richts. Es war also gewissermaßen unumgänglich nöthig, die
Methode des Herrn Wilden mit der, die man in den andern Unter¬
richtszweigen in dieser Anstalt befolgte, in Uebereinstimmung zu
bringen, damit die Regelmäßigkeit in den Bewegungen der Zöglinge
nicht gestört werde. Daher rührt die Masse von Manoeuvres, die
Herr Wilden in dem Abriß seiner Methode auseinandersetzt: Ma-
noeuvres, die mehr oder minder kindisch sind, und deren Anwendung
uns mehr zu schaden als zu nützen scheint, insofern dadurch die Auf¬
merksamkeit der Zöglinge von dem Hauptgegenstand abgelenkt und


worden sind, keineswegs als Anstalten für den Volksunterricht be¬
trachten. Ihr Verdienst besteht darin, daß sie neben dem höheren
Unterrichte der Specialschulen und neben den meist unfruchtbare!;
Lehren des Privatunterrichts, einen Mehreren zugänglichen und mitt¬
lern Unterricht gestellt haben, der durch die Entwicklung des Wett¬
eifers, durch die niedrigen Curse und durch das Anlockende gewisser
mechanischen Verfahrungsarten, mit denen man der Intelligenz zu
Hülfe gekommen, den Geschmack an der Kunst weiter verbreitet und
die Anzahl der Individuen, welche Begriffe davon haben, vermehrt
hat. Hierdurch haben diese Schulen der sittlichen Vervollkommnung
der Gesellschaft außerordentliche Dienste geleistet und haben die Ein¬
führung der Musik in den Elementar- und Volksunterricht vor¬
bereitet.

Wir kommen nun zu einem System, bei dessen Abfassung man
diesen letzten Gegenstand specieller im Auge hatte, und das seit un¬
gefähr zwanzig Jahren praktische Anwendung gefunden hat. ES
handelt sich von der Methode des B. Wilden, Director des Gesang¬
unterrichts in den Elementarschulen von Paris, Gesanglehrer nach
seiner Methode an der polytechnischen Schule und Professor am kö¬
niglichen College lleiiri IV. Wir haben oben gesehen, daß diese
Methode im Jahre 1819 von einer zur Verbesserung des Elemen-
tarunterrichts gegründeten Gesellschaft angenommen worden ist. Nach
einem ersten, ungefähr mit fünfzig Kindern gemachten Versuche
wurde sie in einem größeren Maßstabe in einer unentgeltlichen
Schule angewandt, die in Paris uno 8t. av Le-tuo-us ge¬
gründet worden war. Hier wurden mehrere hundert Kinder im
Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet und zwar nach dem Ver¬
fahren der Bell-Lancasterschen Methode des wechselseitigen Unter¬
richts. Es war also gewissermaßen unumgänglich nöthig, die
Methode des Herrn Wilden mit der, die man in den andern Unter¬
richtszweigen in dieser Anstalt befolgte, in Uebereinstimmung zu
bringen, damit die Regelmäßigkeit in den Bewegungen der Zöglinge
nicht gestört werde. Daher rührt die Masse von Manoeuvres, die
Herr Wilden in dem Abriß seiner Methode auseinandersetzt: Ma-
noeuvres, die mehr oder minder kindisch sind, und deren Anwendung
uns mehr zu schaden als zu nützen scheint, insofern dadurch die Auf¬
merksamkeit der Zöglinge von dem Hauptgegenstand abgelenkt und


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[0236] worden sind, keineswegs als Anstalten für den Volksunterricht be¬ trachten. Ihr Verdienst besteht darin, daß sie neben dem höheren Unterrichte der Specialschulen und neben den meist unfruchtbare!; Lehren des Privatunterrichts, einen Mehreren zugänglichen und mitt¬ lern Unterricht gestellt haben, der durch die Entwicklung des Wett¬ eifers, durch die niedrigen Curse und durch das Anlockende gewisser mechanischen Verfahrungsarten, mit denen man der Intelligenz zu Hülfe gekommen, den Geschmack an der Kunst weiter verbreitet und die Anzahl der Individuen, welche Begriffe davon haben, vermehrt hat. Hierdurch haben diese Schulen der sittlichen Vervollkommnung der Gesellschaft außerordentliche Dienste geleistet und haben die Ein¬ führung der Musik in den Elementar- und Volksunterricht vor¬ bereitet. Wir kommen nun zu einem System, bei dessen Abfassung man diesen letzten Gegenstand specieller im Auge hatte, und das seit un¬ gefähr zwanzig Jahren praktische Anwendung gefunden hat. ES handelt sich von der Methode des B. Wilden, Director des Gesang¬ unterrichts in den Elementarschulen von Paris, Gesanglehrer nach seiner Methode an der polytechnischen Schule und Professor am kö¬ niglichen College lleiiri IV. Wir haben oben gesehen, daß diese Methode im Jahre 1819 von einer zur Verbesserung des Elemen- tarunterrichts gegründeten Gesellschaft angenommen worden ist. Nach einem ersten, ungefähr mit fünfzig Kindern gemachten Versuche wurde sie in einem größeren Maßstabe in einer unentgeltlichen Schule angewandt, die in Paris uno 8t. av Le-tuo-us ge¬ gründet worden war. Hier wurden mehrere hundert Kinder im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet und zwar nach dem Ver¬ fahren der Bell-Lancasterschen Methode des wechselseitigen Unter¬ richts. Es war also gewissermaßen unumgänglich nöthig, die Methode des Herrn Wilden mit der, die man in den andern Unter¬ richtszweigen in dieser Anstalt befolgte, in Uebereinstimmung zu bringen, damit die Regelmäßigkeit in den Bewegungen der Zöglinge nicht gestört werde. Daher rührt die Masse von Manoeuvres, die Herr Wilden in dem Abriß seiner Methode auseinandersetzt: Ma- noeuvres, die mehr oder minder kindisch sind, und deren Anwendung uns mehr zu schaden als zu nützen scheint, insofern dadurch die Auf¬ merksamkeit der Zöglinge von dem Hauptgegenstand abgelenkt und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/236>, abgerufen am 23.07.2024.