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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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glücklicher sind, als die der Franzosen und Belgier, ergiebt sich sehr
oft einer Ergötzung, die nur in Chorgesängen besteht. Daher domin
es, daß eS bei gewissen Volksfesten weder selten noch schwer ist,
Chöre von ^12--Sängern, ja noch mehr, -- beim Mainzer
Guttenbergssest waren dttvl) Männerstimmen vereint -- zusammen-
anbringen, die sämmtlich geübte Stimmen haben und genug musika¬
lische Kenntnisse besitzen, um die ihnen anvertraute Musik gehörig
vorzutragen.

Um nun unsre Untersuchung über die verschiedenen Unterrichts-
Methoden für Musik in ihrer Anwendung für Volksschulen vollsM-
big zu machen, bleibt uns noch zu prüfen übrig, was man hiefür
in Frankreich seit etwa 25 Jahren gethan hat. Erst nach dieser
Prüfung wird es uns erlaubt sein, unsre eigene Meinung, Betreffs
der Wahl unter allen diesen Methoden, abzugeben. Diejenigen,
welche in Paris den entschiedensten Beifall gefunden, sind Vie N"-.-
t!w,to col!c"re!into von Choron, die Methode des gleichzeitigen Un¬
terrichts, erfunden von Massimino, der Meloplast von Gaur, die
harmonische Lyra von Pastou und endlich die Methode des
Herrn Boauillon Wilden.

Mit Ausnahme von Herrn Wilden scheint keiner unter den
Urhebern dieser verschiedenen Methoden sich eine Erleichterung des
volkstümlichen Musikunterrichts zur eigentlichen Aufgabe gemacht
zu haben; es scheinen sie vielmehr in allen Forschungen und Arbeiten
Rücksichten andrer Art geleitet zu haben. Das Pariser Musik-Con-
servatoire hatte, indem es die Elementarwerke für den speciellen
Musikunterricht vervollkommnete, zu tüchtigeren Studien gezwungen
und dadurch geschicktere Musiker gebildet, als die der früheren Ge¬
nerationen waren. Diese kräftige musikalische Erziehung aber, die
man im Conservatoire erhielt, fand man eben auch nur da und nir¬
gend anderswo. In den Provinzen gab es keine Schulen, keinen
gemeinsamen Unterricht; Privatunterricht war das einzige Mittel,
das den Belehrungslustigen daselbst zu Gebote stand, und die
welche denselben ertheilten, waren meistentheils arme Künstler, denen,
es an Methode fehlte und welche der Literatur und den Fortschrit¬
ten ihrer Kunst in Folge ihrer beschränkten äußern Mittel gänzlich
fremd blieben. So erwarben denn die jungen Leute aus beiden
Geschlechtern, da sie nur den erbärmlichen Unterricht dieser oft selbst


glücklicher sind, als die der Franzosen und Belgier, ergiebt sich sehr
oft einer Ergötzung, die nur in Chorgesängen besteht. Daher domin
es, daß eS bei gewissen Volksfesten weder selten noch schwer ist,
Chöre von ^12—Sängern, ja noch mehr, — beim Mainzer
Guttenbergssest waren dttvl) Männerstimmen vereint — zusammen-
anbringen, die sämmtlich geübte Stimmen haben und genug musika¬
lische Kenntnisse besitzen, um die ihnen anvertraute Musik gehörig
vorzutragen.

Um nun unsre Untersuchung über die verschiedenen Unterrichts-
Methoden für Musik in ihrer Anwendung für Volksschulen vollsM-
big zu machen, bleibt uns noch zu prüfen übrig, was man hiefür
in Frankreich seit etwa 25 Jahren gethan hat. Erst nach dieser
Prüfung wird es uns erlaubt sein, unsre eigene Meinung, Betreffs
der Wahl unter allen diesen Methoden, abzugeben. Diejenigen,
welche in Paris den entschiedensten Beifall gefunden, sind Vie N«-.-
t!w,to col!c«re!into von Choron, die Methode des gleichzeitigen Un¬
terrichts, erfunden von Massimino, der Meloplast von Gaur, die
harmonische Lyra von Pastou und endlich die Methode des
Herrn Boauillon Wilden.

Mit Ausnahme von Herrn Wilden scheint keiner unter den
Urhebern dieser verschiedenen Methoden sich eine Erleichterung des
volkstümlichen Musikunterrichts zur eigentlichen Aufgabe gemacht
zu haben; es scheinen sie vielmehr in allen Forschungen und Arbeiten
Rücksichten andrer Art geleitet zu haben. Das Pariser Musik-Con-
servatoire hatte, indem es die Elementarwerke für den speciellen
Musikunterricht vervollkommnete, zu tüchtigeren Studien gezwungen
und dadurch geschicktere Musiker gebildet, als die der früheren Ge¬
nerationen waren. Diese kräftige musikalische Erziehung aber, die
man im Conservatoire erhielt, fand man eben auch nur da und nir¬
gend anderswo. In den Provinzen gab es keine Schulen, keinen
gemeinsamen Unterricht; Privatunterricht war das einzige Mittel,
das den Belehrungslustigen daselbst zu Gebote stand, und die
welche denselben ertheilten, waren meistentheils arme Künstler, denen,
es an Methode fehlte und welche der Literatur und den Fortschrit¬
ten ihrer Kunst in Folge ihrer beschränkten äußern Mittel gänzlich
fremd blieben. So erwarben denn die jungen Leute aus beiden
Geschlechtern, da sie nur den erbärmlichen Unterricht dieser oft selbst


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[0229] glücklicher sind, als die der Franzosen und Belgier, ergiebt sich sehr oft einer Ergötzung, die nur in Chorgesängen besteht. Daher domin es, daß eS bei gewissen Volksfesten weder selten noch schwer ist, Chöre von ^12—Sängern, ja noch mehr, — beim Mainzer Guttenbergssest waren dttvl) Männerstimmen vereint — zusammen- anbringen, die sämmtlich geübte Stimmen haben und genug musika¬ lische Kenntnisse besitzen, um die ihnen anvertraute Musik gehörig vorzutragen. Um nun unsre Untersuchung über die verschiedenen Unterrichts- Methoden für Musik in ihrer Anwendung für Volksschulen vollsM- big zu machen, bleibt uns noch zu prüfen übrig, was man hiefür in Frankreich seit etwa 25 Jahren gethan hat. Erst nach dieser Prüfung wird es uns erlaubt sein, unsre eigene Meinung, Betreffs der Wahl unter allen diesen Methoden, abzugeben. Diejenigen, welche in Paris den entschiedensten Beifall gefunden, sind Vie N«-.- t!w,to col!c«re!into von Choron, die Methode des gleichzeitigen Un¬ terrichts, erfunden von Massimino, der Meloplast von Gaur, die harmonische Lyra von Pastou und endlich die Methode des Herrn Boauillon Wilden. Mit Ausnahme von Herrn Wilden scheint keiner unter den Urhebern dieser verschiedenen Methoden sich eine Erleichterung des volkstümlichen Musikunterrichts zur eigentlichen Aufgabe gemacht zu haben; es scheinen sie vielmehr in allen Forschungen und Arbeiten Rücksichten andrer Art geleitet zu haben. Das Pariser Musik-Con- servatoire hatte, indem es die Elementarwerke für den speciellen Musikunterricht vervollkommnete, zu tüchtigeren Studien gezwungen und dadurch geschicktere Musiker gebildet, als die der früheren Ge¬ nerationen waren. Diese kräftige musikalische Erziehung aber, die man im Conservatoire erhielt, fand man eben auch nur da und nir¬ gend anderswo. In den Provinzen gab es keine Schulen, keinen gemeinsamen Unterricht; Privatunterricht war das einzige Mittel, das den Belehrungslustigen daselbst zu Gebote stand, und die welche denselben ertheilten, waren meistentheils arme Künstler, denen, es an Methode fehlte und welche der Literatur und den Fortschrit¬ ten ihrer Kunst in Folge ihrer beschränkten äußern Mittel gänzlich fremd blieben. So erwarben denn die jungen Leute aus beiden Geschlechtern, da sie nur den erbärmlichen Unterricht dieser oft selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/229>, abgerufen am 23.07.2024.