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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Aufmerksamkeit des größeren Publikums auf die von ihm erdachte
Notation hinzulenken, ließ er ein kleines Werkchen unter dem Titel:
"Volksnote oder vereinfachte Tonschrist" erscheinen. Ueberzeugt, daß
eine specielle Notenschrift der Notation durch Ziffern bedeutend vorzu¬
ziehen sei, griff er diese letztere in Journalarlikeln und Brochüren
Mehrfach an, was natürlich von Seiten der Anhänger der Ziffer¬
notation Entgegnungen hervorrief, worauf er replicirte. Das Resul¬
tat des Streites war, daß jeder bei seinem System behmrte; das des
Göttinger Professors aber, dessen Gesammtheit er in seinem Werke
"Methode für den Gesangs - Unterricht in höheren und niederen
Schulen" der Oeffentlichkeit übergeben hatte, ist seitdem fast in allen
Hannover'sehen Schulen eingeführt worden.

Suchen wir uns nun ein Gesammtbild des Musikunterrichts
in den deutschen Elementarschulen zu verschaffen, so sehen wir zu¬
nächst, daß dieser Unterricht in den verschiedenen Theilen dieses wei¬
ten Landes allgemein organisirt ist; daß die Eintheilung der seu--
bien daselbst fast gleichförmig ist und daß drei Notenschrists-Systeme,
nach Verschiedenheit der Loyalitäten, neben einander bestehen. Jedoch
scheint dieser letztere Stand der Dinge nicht definitiv zu sein, und
man ist zu der Vermuthung berechtigt, daß früher oder später eine
Verschmelzung der verschiedenen Systeme stattfinden und eine Gleich¬
förmigkeit des Unterrichts eintreten wird. Seit sechs Jahren erscheint
sogar in Breslau ein pädagogisch-musikalisches Blatt, I5revu'it, das
diesen Zweck verfolgt. Die Mitarbeiter dieser Zeitschrift besitzen
daS für ihre Aufgabe erforderliche ernste Wissen. Ihre Berichte,
Recensionen und Kritiken über die von Tag zu Tag in Deutschland
sieh mehrenden Werke über musikalische Methoden sind mit vieler Gründ¬
lichkeit gearbeitet, und es unterliegt keinem Zweifel, daß sie zuletzt
alle denkenden Geister zu ihrer Ueberzeugung herbeibnngen werden.

In Erwartung dieses Zeitpunktes der Vereinigung aller Systeme
in ein einziges kann man versichern, daß die Praxis der Kunst in
allen Schulen Deutschlands im Allgemeinen auf einem sehr erfreu¬
lichen Fuße sich befindet. Die zahllose Menge religiöser und weit>
licher Lieder, die seit dreißig Jahren zum Gebrauch dieser Schulen
verfaßt und componirt worden sind, haben das Volk ungeheure Fort¬
schritte im Gefühl für Harmonie zu machen veranlaßt. Die Bevölke¬
rung Deutschlands, deren Gewohnheiten viel sanfter, ruhiger und


Aufmerksamkeit des größeren Publikums auf die von ihm erdachte
Notation hinzulenken, ließ er ein kleines Werkchen unter dem Titel:
„Volksnote oder vereinfachte Tonschrist" erscheinen. Ueberzeugt, daß
eine specielle Notenschrift der Notation durch Ziffern bedeutend vorzu¬
ziehen sei, griff er diese letztere in Journalarlikeln und Brochüren
Mehrfach an, was natürlich von Seiten der Anhänger der Ziffer¬
notation Entgegnungen hervorrief, worauf er replicirte. Das Resul¬
tat des Streites war, daß jeder bei seinem System behmrte; das des
Göttinger Professors aber, dessen Gesammtheit er in seinem Werke
„Methode für den Gesangs - Unterricht in höheren und niederen
Schulen" der Oeffentlichkeit übergeben hatte, ist seitdem fast in allen
Hannover'sehen Schulen eingeführt worden.

Suchen wir uns nun ein Gesammtbild des Musikunterrichts
in den deutschen Elementarschulen zu verschaffen, so sehen wir zu¬
nächst, daß dieser Unterricht in den verschiedenen Theilen dieses wei¬
ten Landes allgemein organisirt ist; daß die Eintheilung der seu--
bien daselbst fast gleichförmig ist und daß drei Notenschrists-Systeme,
nach Verschiedenheit der Loyalitäten, neben einander bestehen. Jedoch
scheint dieser letztere Stand der Dinge nicht definitiv zu sein, und
man ist zu der Vermuthung berechtigt, daß früher oder später eine
Verschmelzung der verschiedenen Systeme stattfinden und eine Gleich¬
förmigkeit des Unterrichts eintreten wird. Seit sechs Jahren erscheint
sogar in Breslau ein pädagogisch-musikalisches Blatt, I5revu'it, das
diesen Zweck verfolgt. Die Mitarbeiter dieser Zeitschrift besitzen
daS für ihre Aufgabe erforderliche ernste Wissen. Ihre Berichte,
Recensionen und Kritiken über die von Tag zu Tag in Deutschland
sieh mehrenden Werke über musikalische Methoden sind mit vieler Gründ¬
lichkeit gearbeitet, und es unterliegt keinem Zweifel, daß sie zuletzt
alle denkenden Geister zu ihrer Ueberzeugung herbeibnngen werden.

In Erwartung dieses Zeitpunktes der Vereinigung aller Systeme
in ein einziges kann man versichern, daß die Praxis der Kunst in
allen Schulen Deutschlands im Allgemeinen auf einem sehr erfreu¬
lichen Fuße sich befindet. Die zahllose Menge religiöser und weit>
licher Lieder, die seit dreißig Jahren zum Gebrauch dieser Schulen
verfaßt und componirt worden sind, haben das Volk ungeheure Fort¬
schritte im Gefühl für Harmonie zu machen veranlaßt. Die Bevölke¬
rung Deutschlands, deren Gewohnheiten viel sanfter, ruhiger und


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[0228] Aufmerksamkeit des größeren Publikums auf die von ihm erdachte Notation hinzulenken, ließ er ein kleines Werkchen unter dem Titel: „Volksnote oder vereinfachte Tonschrist" erscheinen. Ueberzeugt, daß eine specielle Notenschrift der Notation durch Ziffern bedeutend vorzu¬ ziehen sei, griff er diese letztere in Journalarlikeln und Brochüren Mehrfach an, was natürlich von Seiten der Anhänger der Ziffer¬ notation Entgegnungen hervorrief, worauf er replicirte. Das Resul¬ tat des Streites war, daß jeder bei seinem System behmrte; das des Göttinger Professors aber, dessen Gesammtheit er in seinem Werke „Methode für den Gesangs - Unterricht in höheren und niederen Schulen" der Oeffentlichkeit übergeben hatte, ist seitdem fast in allen Hannover'sehen Schulen eingeführt worden. Suchen wir uns nun ein Gesammtbild des Musikunterrichts in den deutschen Elementarschulen zu verschaffen, so sehen wir zu¬ nächst, daß dieser Unterricht in den verschiedenen Theilen dieses wei¬ ten Landes allgemein organisirt ist; daß die Eintheilung der seu-- bien daselbst fast gleichförmig ist und daß drei Notenschrists-Systeme, nach Verschiedenheit der Loyalitäten, neben einander bestehen. Jedoch scheint dieser letztere Stand der Dinge nicht definitiv zu sein, und man ist zu der Vermuthung berechtigt, daß früher oder später eine Verschmelzung der verschiedenen Systeme stattfinden und eine Gleich¬ förmigkeit des Unterrichts eintreten wird. Seit sechs Jahren erscheint sogar in Breslau ein pädagogisch-musikalisches Blatt, I5revu'it, das diesen Zweck verfolgt. Die Mitarbeiter dieser Zeitschrift besitzen daS für ihre Aufgabe erforderliche ernste Wissen. Ihre Berichte, Recensionen und Kritiken über die von Tag zu Tag in Deutschland sieh mehrenden Werke über musikalische Methoden sind mit vieler Gründ¬ lichkeit gearbeitet, und es unterliegt keinem Zweifel, daß sie zuletzt alle denkenden Geister zu ihrer Ueberzeugung herbeibnngen werden. In Erwartung dieses Zeitpunktes der Vereinigung aller Systeme in ein einziges kann man versichern, daß die Praxis der Kunst in allen Schulen Deutschlands im Allgemeinen auf einem sehr erfreu¬ lichen Fuße sich befindet. Die zahllose Menge religiöser und weit> licher Lieder, die seit dreißig Jahren zum Gebrauch dieser Schulen verfaßt und componirt worden sind, haben das Volk ungeheure Fort¬ schritte im Gefühl für Harmonie zu machen veranlaßt. Die Bevölke¬ rung Deutschlands, deren Gewohnheiten viel sanfter, ruhiger und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/228>, abgerufen am 23.07.2024.