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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sich den Röhren mittheilt, nach Maßstab, daß die Finger, welche
die Mündungen zuhalten, sich in die Höhe heben, um der Luft
freien Durchzug zu gestatten. Diese kleine Orgel heißt Cheny.
Diejenigen, welche darauf spielen, lassen gewöhnlich nur Melodien
hören; in wenigen, sehr seltenen Fällen jedoch spielen sie eine Be¬
gleitung zum Gesang, die aber, für europäische Ohren wenigstens,
mit dem GesangeSton durchaus keine Verwandtschaft hat. Nie
aber hört man sie Harmonieverbindungcn, d. h. Accorde oder
Intervalle spielen.

Die Chinesen haben übrigens über die Pflichten eines Musikers
in der Ausübung seiner Functionen ganz eigenthümliche, ihnen allein
angehörende Ideen. Ein Schriftsteller, der von der Kunst, das
Kilt zu spielen, handelt, drückt sich folgendermaßen aus: "Diejeni¬
gen, welche ihm Töne entlocken wollen, die fähig sind, das Ohr
zu rühren, müssen ein ernstes Aeußere und ein wohl geregeltes
Benehmen sich alieignen." Der Kaiser Thal-An stellt in einem
eigenhändig von ihm niedergesehriebenen Musiktraktat eine dieser
Aeußerung ähnliche Meinung auf, inoem er sagt: "Diejenigen,
welche Ehe spielen wollen, müssen ihre Leidenschaften in sich er-
tödtet haben und im Grunve ihres Herzens die Liebe zur Tugend
unterhalten; sonst werden sie dem Instrumente nur unfruchtbare
Töne entlocken, welche uns nicht zu rühren vermögen." Wer in
diesen Grundsätzen auch nicht das Zeichen einer sehr weit vorgeschrittenen
musikalischen Ausbildung erblicken will, wird doch wenigstens ihren
hohen moralischen Werth anerkennen müssen.

Die Instrumente, von denen wir bisher gesprochen, sind nicht
die einzigen, welche die Chinesen besitzen. Sie haben auch noch
eine Art Viola, die mit seidnen Saiten versehen ist, und auf der
man mit einem Bogen spielt. Pater Scncvo. Verfasser einer Reise
durch Asien, spricht sehr lobend von dem Effect, welchen diese In¬
strumente hervorbringen, wenn sie von einem geschickten Musiker
gespielt werden. Burney giebt uns die Betreibung eines chinesi¬
schen Instruments, daS er in Paris beim Abb" Arnaud gesehen,
welchem es gehörte; es bestand aus einer gewissen Anzahl Holz¬
platten, die aber so klangvoll waren, als wären sie von Metall
gewesen, und die quer über ein hohles Gefäß gelegt waren, das
seiner Form nach einem Schiffskiel ähnlich war. Es hatte einen


sich den Röhren mittheilt, nach Maßstab, daß die Finger, welche
die Mündungen zuhalten, sich in die Höhe heben, um der Luft
freien Durchzug zu gestatten. Diese kleine Orgel heißt Cheny.
Diejenigen, welche darauf spielen, lassen gewöhnlich nur Melodien
hören; in wenigen, sehr seltenen Fällen jedoch spielen sie eine Be¬
gleitung zum Gesang, die aber, für europäische Ohren wenigstens,
mit dem GesangeSton durchaus keine Verwandtschaft hat. Nie
aber hört man sie Harmonieverbindungcn, d. h. Accorde oder
Intervalle spielen.

Die Chinesen haben übrigens über die Pflichten eines Musikers
in der Ausübung seiner Functionen ganz eigenthümliche, ihnen allein
angehörende Ideen. Ein Schriftsteller, der von der Kunst, das
Kilt zu spielen, handelt, drückt sich folgendermaßen aus: „Diejeni¬
gen, welche ihm Töne entlocken wollen, die fähig sind, das Ohr
zu rühren, müssen ein ernstes Aeußere und ein wohl geregeltes
Benehmen sich alieignen." Der Kaiser Thal-An stellt in einem
eigenhändig von ihm niedergesehriebenen Musiktraktat eine dieser
Aeußerung ähnliche Meinung auf, inoem er sagt: „Diejenigen,
welche Ehe spielen wollen, müssen ihre Leidenschaften in sich er-
tödtet haben und im Grunve ihres Herzens die Liebe zur Tugend
unterhalten; sonst werden sie dem Instrumente nur unfruchtbare
Töne entlocken, welche uns nicht zu rühren vermögen." Wer in
diesen Grundsätzen auch nicht das Zeichen einer sehr weit vorgeschrittenen
musikalischen Ausbildung erblicken will, wird doch wenigstens ihren
hohen moralischen Werth anerkennen müssen.

Die Instrumente, von denen wir bisher gesprochen, sind nicht
die einzigen, welche die Chinesen besitzen. Sie haben auch noch
eine Art Viola, die mit seidnen Saiten versehen ist, und auf der
man mit einem Bogen spielt. Pater Scncvo. Verfasser einer Reise
durch Asien, spricht sehr lobend von dem Effect, welchen diese In¬
strumente hervorbringen, wenn sie von einem geschickten Musiker
gespielt werden. Burney giebt uns die Betreibung eines chinesi¬
schen Instruments, daS er in Paris beim Abb« Arnaud gesehen,
welchem es gehörte; es bestand aus einer gewissen Anzahl Holz¬
platten, die aber so klangvoll waren, als wären sie von Metall
gewesen, und die quer über ein hohles Gefäß gelegt waren, das
seiner Form nach einem Schiffskiel ähnlich war. Es hatte einen


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[0196] sich den Röhren mittheilt, nach Maßstab, daß die Finger, welche die Mündungen zuhalten, sich in die Höhe heben, um der Luft freien Durchzug zu gestatten. Diese kleine Orgel heißt Cheny. Diejenigen, welche darauf spielen, lassen gewöhnlich nur Melodien hören; in wenigen, sehr seltenen Fällen jedoch spielen sie eine Be¬ gleitung zum Gesang, die aber, für europäische Ohren wenigstens, mit dem GesangeSton durchaus keine Verwandtschaft hat. Nie aber hört man sie Harmonieverbindungcn, d. h. Accorde oder Intervalle spielen. Die Chinesen haben übrigens über die Pflichten eines Musikers in der Ausübung seiner Functionen ganz eigenthümliche, ihnen allein angehörende Ideen. Ein Schriftsteller, der von der Kunst, das Kilt zu spielen, handelt, drückt sich folgendermaßen aus: „Diejeni¬ gen, welche ihm Töne entlocken wollen, die fähig sind, das Ohr zu rühren, müssen ein ernstes Aeußere und ein wohl geregeltes Benehmen sich alieignen." Der Kaiser Thal-An stellt in einem eigenhändig von ihm niedergesehriebenen Musiktraktat eine dieser Aeußerung ähnliche Meinung auf, inoem er sagt: „Diejenigen, welche Ehe spielen wollen, müssen ihre Leidenschaften in sich er- tödtet haben und im Grunve ihres Herzens die Liebe zur Tugend unterhalten; sonst werden sie dem Instrumente nur unfruchtbare Töne entlocken, welche uns nicht zu rühren vermögen." Wer in diesen Grundsätzen auch nicht das Zeichen einer sehr weit vorgeschrittenen musikalischen Ausbildung erblicken will, wird doch wenigstens ihren hohen moralischen Werth anerkennen müssen. Die Instrumente, von denen wir bisher gesprochen, sind nicht die einzigen, welche die Chinesen besitzen. Sie haben auch noch eine Art Viola, die mit seidnen Saiten versehen ist, und auf der man mit einem Bogen spielt. Pater Scncvo. Verfasser einer Reise durch Asien, spricht sehr lobend von dem Effect, welchen diese In¬ strumente hervorbringen, wenn sie von einem geschickten Musiker gespielt werden. Burney giebt uns die Betreibung eines chinesi¬ schen Instruments, daS er in Paris beim Abb« Arnaud gesehen, welchem es gehörte; es bestand aus einer gewissen Anzahl Holz¬ platten, die aber so klangvoll waren, als wären sie von Metall gewesen, und die quer über ein hohles Gefäß gelegt waren, das seiner Form nach einem Schiffskiel ähnlich war. Es hatte einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/196>, abgerufen am 23.07.2024.