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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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andern zum Ausgangspunkt und zum VergleichungSmittel diente.
Er wurden daher in die Tartarei, wohin die ersehnten Glocken
transportirt worden waren, Deputationen gesandt und der Tag, an
welchem eine der dem Heiligthume entrissenen Sammlungen wieder
in die Hauptstadt zurückkehrte, nachdem man sie mit Gold im wört¬
lichen Sinne aufgewogen, ward als ein Tag öffentlicher Freude
angesetzt.

Die Chinesen kennen acht Arten tönender Körper: das Metall,
den Stein, die Seide, das Bambusrohr, den Kürbis, gebrannte Ton-
erde, die Haut der Thiere und das Holz. Vermittelst dieser
Bestandtheile bauen sie ihre musikalischen Instrumente, deren sie drei
Arten haben, Blase-, Saiten- und Schlag-Instrumente. Der ge¬
lehrte Gerelli Careri, welcher im Jahre l6W China bereiste, theilt
uns das Resultat seiner Beobachtungen über den Gegenstand dieses
Aufsatzes in folgenden Worten mit: "Die Instrumente der chine¬
sischen Musik sind von den unsrigen sowohl in Betreff der Form,
als in Betreff der Art, darauf zu spielen, gänzlich verschieben. Sie
sind aus Bronce, Steinen und Thierhäuten verfertigt, welche
letztere auf mannigfache Art ausgespannt sind. Man findet Arte"
von Lauten und Violinen mit einer, drei und sieben Saiten. Ein
andres, weit älteres Instrument hat einige Analogie mit unserer
Harfe; aber die Saiten sind weder aus Thierdärmen, noch aus
Metall, sondern aus gesponnener Seide verfertigt. Aber waS
ist das für eine Musik, welche nicht die. geringste Verschiedenheit
in der Tonalilät besitzt, welche zwischen den verschiedenen Stimmen
keinen Unterschied macht und der es an den Nuancen fehlt, in
denen der vorzüglichste Reiz der Kunst liegt. Man findet nie auch
nur die geringste Spur von Harmonie; man Hort zuweilen hundert
Musiker dieselbe Note ganze Minuten lang spielen oder singen,
ohne daß sie das Bedürfniß zu verspüren scheinen, einen andern
Ton anzustimmen."

Die Chinesen besitzen ein Instrument, das einige Aehnlichkeit
mit der Orgel hat. So unbeholfen und roh es auch ist, so ist es doch
nach denselben Principien, wie die Orgel, gebaut. Es besteht aus
dreizehn, neunzehn oder vierundzwanzig Bambusröhren, die an
einander gebunden sind; wer darauf spielt, bläst in ein Mundstück
uno die Lust wird in einen Behälter getrieben, von wo aus sie


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andern zum Ausgangspunkt und zum VergleichungSmittel diente.
Er wurden daher in die Tartarei, wohin die ersehnten Glocken
transportirt worden waren, Deputationen gesandt und der Tag, an
welchem eine der dem Heiligthume entrissenen Sammlungen wieder
in die Hauptstadt zurückkehrte, nachdem man sie mit Gold im wört¬
lichen Sinne aufgewogen, ward als ein Tag öffentlicher Freude
angesetzt.

Die Chinesen kennen acht Arten tönender Körper: das Metall,
den Stein, die Seide, das Bambusrohr, den Kürbis, gebrannte Ton-
erde, die Haut der Thiere und das Holz. Vermittelst dieser
Bestandtheile bauen sie ihre musikalischen Instrumente, deren sie drei
Arten haben, Blase-, Saiten- und Schlag-Instrumente. Der ge¬
lehrte Gerelli Careri, welcher im Jahre l6W China bereiste, theilt
uns das Resultat seiner Beobachtungen über den Gegenstand dieses
Aufsatzes in folgenden Worten mit: „Die Instrumente der chine¬
sischen Musik sind von den unsrigen sowohl in Betreff der Form,
als in Betreff der Art, darauf zu spielen, gänzlich verschieben. Sie
sind aus Bronce, Steinen und Thierhäuten verfertigt, welche
letztere auf mannigfache Art ausgespannt sind. Man findet Arte»
von Lauten und Violinen mit einer, drei und sieben Saiten. Ein
andres, weit älteres Instrument hat einige Analogie mit unserer
Harfe; aber die Saiten sind weder aus Thierdärmen, noch aus
Metall, sondern aus gesponnener Seide verfertigt. Aber waS
ist das für eine Musik, welche nicht die. geringste Verschiedenheit
in der Tonalilät besitzt, welche zwischen den verschiedenen Stimmen
keinen Unterschied macht und der es an den Nuancen fehlt, in
denen der vorzüglichste Reiz der Kunst liegt. Man findet nie auch
nur die geringste Spur von Harmonie; man Hort zuweilen hundert
Musiker dieselbe Note ganze Minuten lang spielen oder singen,
ohne daß sie das Bedürfniß zu verspüren scheinen, einen andern
Ton anzustimmen."

Die Chinesen besitzen ein Instrument, das einige Aehnlichkeit
mit der Orgel hat. So unbeholfen und roh es auch ist, so ist es doch
nach denselben Principien, wie die Orgel, gebaut. Es besteht aus
dreizehn, neunzehn oder vierundzwanzig Bambusröhren, die an
einander gebunden sind; wer darauf spielt, bläst in ein Mundstück
uno die Lust wird in einen Behälter getrieben, von wo aus sie


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[0195] andern zum Ausgangspunkt und zum VergleichungSmittel diente. Er wurden daher in die Tartarei, wohin die ersehnten Glocken transportirt worden waren, Deputationen gesandt und der Tag, an welchem eine der dem Heiligthume entrissenen Sammlungen wieder in die Hauptstadt zurückkehrte, nachdem man sie mit Gold im wört¬ lichen Sinne aufgewogen, ward als ein Tag öffentlicher Freude angesetzt. Die Chinesen kennen acht Arten tönender Körper: das Metall, den Stein, die Seide, das Bambusrohr, den Kürbis, gebrannte Ton- erde, die Haut der Thiere und das Holz. Vermittelst dieser Bestandtheile bauen sie ihre musikalischen Instrumente, deren sie drei Arten haben, Blase-, Saiten- und Schlag-Instrumente. Der ge¬ lehrte Gerelli Careri, welcher im Jahre l6W China bereiste, theilt uns das Resultat seiner Beobachtungen über den Gegenstand dieses Aufsatzes in folgenden Worten mit: „Die Instrumente der chine¬ sischen Musik sind von den unsrigen sowohl in Betreff der Form, als in Betreff der Art, darauf zu spielen, gänzlich verschieben. Sie sind aus Bronce, Steinen und Thierhäuten verfertigt, welche letztere auf mannigfache Art ausgespannt sind. Man findet Arte» von Lauten und Violinen mit einer, drei und sieben Saiten. Ein andres, weit älteres Instrument hat einige Analogie mit unserer Harfe; aber die Saiten sind weder aus Thierdärmen, noch aus Metall, sondern aus gesponnener Seide verfertigt. Aber waS ist das für eine Musik, welche nicht die. geringste Verschiedenheit in der Tonalilät besitzt, welche zwischen den verschiedenen Stimmen keinen Unterschied macht und der es an den Nuancen fehlt, in denen der vorzüglichste Reiz der Kunst liegt. Man findet nie auch nur die geringste Spur von Harmonie; man Hort zuweilen hundert Musiker dieselbe Note ganze Minuten lang spielen oder singen, ohne daß sie das Bedürfniß zu verspüren scheinen, einen andern Ton anzustimmen." Die Chinesen besitzen ein Instrument, das einige Aehnlichkeit mit der Orgel hat. So unbeholfen und roh es auch ist, so ist es doch nach denselben Principien, wie die Orgel, gebaut. Es besteht aus dreizehn, neunzehn oder vierundzwanzig Bambusröhren, die an einander gebunden sind; wer darauf spielt, bläst in ein Mundstück uno die Lust wird in einen Behälter getrieben, von wo aus sie Is-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/195>, abgerufen am 23.07.2024.