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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Wolle, Leinen u. s. w. erfunden, die ebenfalls kostspielig und unsolid
sind. Es ist also überaus schwer, hier eine für Jedermann passende
Summe anzunehmen, und wir müssen unsere Leser immer wieder
bitten, ihre eigenen Ansichten und Berechnungen den unsrigen zu
substituiren. Ich will jedoch einen durchschnittlichen Verbrauch von
sechs Paar Stiefeln jährlich, einfachen, gewöhnlichen Stiefeln, an¬
nehmen; dazu dann 4 Paar jener verschiedenartigen lackirten, seide¬
nen oder sonstigen Luxusartikel, worunter ich auch die EscarpinS
für den Ball mit einbegriffen haben will. Das Alles veranschlage ich
auf 48 Thaler jährlich, was 4 Thaler monatlich und 4 Silbergro¬
schen täglich ergiebt. Eine Stunde also, die wir auf unsern Füßen
zubringen, kostet uns...........2 Pfennige.

Gott sei Dank, nun haben wir unser Individuum von Kopf
bis auf den Fuß höchst anständig bekleidet, nachdem wir ihn vorher
unter Dach und Fach gebracht und ihm zu essen gegeben haben, und
das Alles kostet ihn nur . . . Halt! wir sind noch nicht fertig: ein
Mensch, der nach dem bisher angegebenen Verhältnisse wohnt, speist
und sich kleidet, macht wedcy sein Bett allein, noch kehrt er selbst sein
Zimmer, noch schüttelt er seinen Teppich selbst aus, noch putzt er
seine Stiefeln, noch klopft er seine Kleider selbst aus :c. Er hat
also irgend einen dienstbaren Geist, der einige Stunden seines Tages
darauf verwendet, all diese häuslichen Bedürfnisse des gnädigen
Herrn zu befriedigen, der unter Andern auch sein Frühstück bereitet,
die nothwendigen Einkäufe macht u. f. w. Was dieses Individuum
an Lohn, so wie an abgelegten Kleidungsstücken, abgegriffenem Hü¬
ten, durchgelaufenen Stiefeln u. s. w. erhält, kann auf monatlich
4 Thaler angeschlagen werden. Eben so hoch kann man durchschnitt¬
lich dasjenige berechnen, was, im Gegensatz zu den Feudalzeiten, der
Diener an Diener-Recht von seinem gnädigen Herrn erhebt,
d- h. die kleinen Markt- oder Schwänzelpfennige, oder wie man
sonst die Uebertheuerungen der Diener bei allen Einkäufen auf Rech¬
nung ihrer Herrn in den verschiedenen Welttheilen nennt. In
Summa also kostet unser dienstbares Wesen monatlich 8 Thaler oder
täglich 8 Silbergroschen. Unsere Bequemlichkeit, unsere Herrschaft¬
lichkett verlangt also eine stündliche Ausgabe von . 4 Pfennigen.

Ich habe oben unter den materiellen Lebensbedürfnissen auch
die Gesundheitspflege aufgezählt: dagegen wird, wie ich hoffe, selbst


Wolle, Leinen u. s. w. erfunden, die ebenfalls kostspielig und unsolid
sind. Es ist also überaus schwer, hier eine für Jedermann passende
Summe anzunehmen, und wir müssen unsere Leser immer wieder
bitten, ihre eigenen Ansichten und Berechnungen den unsrigen zu
substituiren. Ich will jedoch einen durchschnittlichen Verbrauch von
sechs Paar Stiefeln jährlich, einfachen, gewöhnlichen Stiefeln, an¬
nehmen; dazu dann 4 Paar jener verschiedenartigen lackirten, seide¬
nen oder sonstigen Luxusartikel, worunter ich auch die EscarpinS
für den Ball mit einbegriffen haben will. Das Alles veranschlage ich
auf 48 Thaler jährlich, was 4 Thaler monatlich und 4 Silbergro¬
schen täglich ergiebt. Eine Stunde also, die wir auf unsern Füßen
zubringen, kostet uns...........2 Pfennige.

Gott sei Dank, nun haben wir unser Individuum von Kopf
bis auf den Fuß höchst anständig bekleidet, nachdem wir ihn vorher
unter Dach und Fach gebracht und ihm zu essen gegeben haben, und
das Alles kostet ihn nur . . . Halt! wir sind noch nicht fertig: ein
Mensch, der nach dem bisher angegebenen Verhältnisse wohnt, speist
und sich kleidet, macht wedcy sein Bett allein, noch kehrt er selbst sein
Zimmer, noch schüttelt er seinen Teppich selbst aus, noch putzt er
seine Stiefeln, noch klopft er seine Kleider selbst aus :c. Er hat
also irgend einen dienstbaren Geist, der einige Stunden seines Tages
darauf verwendet, all diese häuslichen Bedürfnisse des gnädigen
Herrn zu befriedigen, der unter Andern auch sein Frühstück bereitet,
die nothwendigen Einkäufe macht u. f. w. Was dieses Individuum
an Lohn, so wie an abgelegten Kleidungsstücken, abgegriffenem Hü¬
ten, durchgelaufenen Stiefeln u. s. w. erhält, kann auf monatlich
4 Thaler angeschlagen werden. Eben so hoch kann man durchschnitt¬
lich dasjenige berechnen, was, im Gegensatz zu den Feudalzeiten, der
Diener an Diener-Recht von seinem gnädigen Herrn erhebt,
d- h. die kleinen Markt- oder Schwänzelpfennige, oder wie man
sonst die Uebertheuerungen der Diener bei allen Einkäufen auf Rech¬
nung ihrer Herrn in den verschiedenen Welttheilen nennt. In
Summa also kostet unser dienstbares Wesen monatlich 8 Thaler oder
täglich 8 Silbergroschen. Unsere Bequemlichkeit, unsere Herrschaft¬
lichkett verlangt also eine stündliche Ausgabe von . 4 Pfennigen.

Ich habe oben unter den materiellen Lebensbedürfnissen auch
die Gesundheitspflege aufgezählt: dagegen wird, wie ich hoffe, selbst


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[0183] Wolle, Leinen u. s. w. erfunden, die ebenfalls kostspielig und unsolid sind. Es ist also überaus schwer, hier eine für Jedermann passende Summe anzunehmen, und wir müssen unsere Leser immer wieder bitten, ihre eigenen Ansichten und Berechnungen den unsrigen zu substituiren. Ich will jedoch einen durchschnittlichen Verbrauch von sechs Paar Stiefeln jährlich, einfachen, gewöhnlichen Stiefeln, an¬ nehmen; dazu dann 4 Paar jener verschiedenartigen lackirten, seide¬ nen oder sonstigen Luxusartikel, worunter ich auch die EscarpinS für den Ball mit einbegriffen haben will. Das Alles veranschlage ich auf 48 Thaler jährlich, was 4 Thaler monatlich und 4 Silbergro¬ schen täglich ergiebt. Eine Stunde also, die wir auf unsern Füßen zubringen, kostet uns...........2 Pfennige. Gott sei Dank, nun haben wir unser Individuum von Kopf bis auf den Fuß höchst anständig bekleidet, nachdem wir ihn vorher unter Dach und Fach gebracht und ihm zu essen gegeben haben, und das Alles kostet ihn nur . . . Halt! wir sind noch nicht fertig: ein Mensch, der nach dem bisher angegebenen Verhältnisse wohnt, speist und sich kleidet, macht wedcy sein Bett allein, noch kehrt er selbst sein Zimmer, noch schüttelt er seinen Teppich selbst aus, noch putzt er seine Stiefeln, noch klopft er seine Kleider selbst aus :c. Er hat also irgend einen dienstbaren Geist, der einige Stunden seines Tages darauf verwendet, all diese häuslichen Bedürfnisse des gnädigen Herrn zu befriedigen, der unter Andern auch sein Frühstück bereitet, die nothwendigen Einkäufe macht u. f. w. Was dieses Individuum an Lohn, so wie an abgelegten Kleidungsstücken, abgegriffenem Hü¬ ten, durchgelaufenen Stiefeln u. s. w. erhält, kann auf monatlich 4 Thaler angeschlagen werden. Eben so hoch kann man durchschnitt¬ lich dasjenige berechnen, was, im Gegensatz zu den Feudalzeiten, der Diener an Diener-Recht von seinem gnädigen Herrn erhebt, d- h. die kleinen Markt- oder Schwänzelpfennige, oder wie man sonst die Uebertheuerungen der Diener bei allen Einkäufen auf Rech¬ nung ihrer Herrn in den verschiedenen Welttheilen nennt. In Summa also kostet unser dienstbares Wesen monatlich 8 Thaler oder täglich 8 Silbergroschen. Unsere Bequemlichkeit, unsere Herrschaft¬ lichkett verlangt also eine stündliche Ausgabe von . 4 Pfennigen. Ich habe oben unter den materiellen Lebensbedürfnissen auch die Gesundheitspflege aufgezählt: dagegen wird, wie ich hoffe, selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/183>, abgerufen am 23.07.2024.