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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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für 25 Silbergroschen stärken und erneuern. Hier haben wir leichte
Theilung: die Stunde ergiebt 1 Silbergroschen und ^ Pfennig. Von
kleinen Extraausgaben in diesem Punkt werden wir später unter
einer andern Rubrik sprechen: setzen wir also als zweiten Posten aus:
Nahrung kostet stündlich.........12^ Pfennige.

Wir haben als dritte materielle Nothwendigkeit die Kleidung
angesetzt und sind hiermit zu einem noch vielmehr der Willkür je¬
des Einzelnen anheimgestellten Punkt gekommen. Jedermann kleidet
sich nach seiner Einsicht: die Einen mit Sorglosigkeit, die Andern
mit vieler Sorgfalt; wir müssen also auch hier, wie bisher, einen
mittlern Durchschnitt annehmen. Da jedoch jedenfalls dieser Artikel
überaus elastisch ist, so muß ich diejenigen meiner geehrten Leser,
welche mit meinen Angaben nicht übereinstimmen, ersuchen, die Berech¬
nung, die wir hier gemeinsam anstellen, nach ihren Ansichten von der
Sache zu modificiren, vorausgesetzt nämlich, es liegt ihnen etwas
daran, das Resultat dieses Feuilletons zu finden.

Fangen wir nun mit unserem Menschen von oben an, d. h.
mit dem Kopfe und bekleiden ihn bis zum Fuße, so werden wir ihn
ganz und gar durchgenommen haben.

-- Hut.

Man muß wenigstens 2 zugleich haben, also 4 im Laufe des
Jahres. Da man noch nicht dahin gekommen ist, irgend ein Me¬
tall so weit zu bearbeiten, daß man Hüte daraus verfertigen, also
die gebrauchten umschmelzen kann, so läßt sich von alten Hüten kein
Gebrauch weiter machen: höchstens kann man Filzfohlen daraus
schneiden, um sich im Winter vor feuchten Füßen zu schützen. Man
muß also nothwendig jedes Jahr 4 Hüte haben; sollte auch einer
oder der andere meiner Leser von übertriebenen Lurus sprechen, so
ist doch mein Genüssen ganz ruhig und kann ich diesen Vorwurf
nicht allein ablehnen, sondern auch widerlegen.

Mögen meine geistreichen Leser nur gefälligst daran denken,
um wie viel Hüte man in Kaffeehäusern, Konditoreien und andern
öffentlichen Orten bestohlen wird, wie viel im Gedränge zerdrückt,
wie viel im Theater plattgedrückt werden; mögen sie bedenken, wie
oft die äußern Ränder eines sonst noch sehr brauchbaren Hutes durch
das viele Grüßen so abgenutzt sind, daß man den Hut cassiren muß;
wie oft man durch einen Platzregen überrascht wird, ohne mit einem


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für 25 Silbergroschen stärken und erneuern. Hier haben wir leichte
Theilung: die Stunde ergiebt 1 Silbergroschen und ^ Pfennig. Von
kleinen Extraausgaben in diesem Punkt werden wir später unter
einer andern Rubrik sprechen: setzen wir also als zweiten Posten aus:
Nahrung kostet stündlich.........12^ Pfennige.

Wir haben als dritte materielle Nothwendigkeit die Kleidung
angesetzt und sind hiermit zu einem noch vielmehr der Willkür je¬
des Einzelnen anheimgestellten Punkt gekommen. Jedermann kleidet
sich nach seiner Einsicht: die Einen mit Sorglosigkeit, die Andern
mit vieler Sorgfalt; wir müssen also auch hier, wie bisher, einen
mittlern Durchschnitt annehmen. Da jedoch jedenfalls dieser Artikel
überaus elastisch ist, so muß ich diejenigen meiner geehrten Leser,
welche mit meinen Angaben nicht übereinstimmen, ersuchen, die Berech¬
nung, die wir hier gemeinsam anstellen, nach ihren Ansichten von der
Sache zu modificiren, vorausgesetzt nämlich, es liegt ihnen etwas
daran, das Resultat dieses Feuilletons zu finden.

Fangen wir nun mit unserem Menschen von oben an, d. h.
mit dem Kopfe und bekleiden ihn bis zum Fuße, so werden wir ihn
ganz und gar durchgenommen haben.

— Hut.

Man muß wenigstens 2 zugleich haben, also 4 im Laufe des
Jahres. Da man noch nicht dahin gekommen ist, irgend ein Me¬
tall so weit zu bearbeiten, daß man Hüte daraus verfertigen, also
die gebrauchten umschmelzen kann, so läßt sich von alten Hüten kein
Gebrauch weiter machen: höchstens kann man Filzfohlen daraus
schneiden, um sich im Winter vor feuchten Füßen zu schützen. Man
muß also nothwendig jedes Jahr 4 Hüte haben; sollte auch einer
oder der andere meiner Leser von übertriebenen Lurus sprechen, so
ist doch mein Genüssen ganz ruhig und kann ich diesen Vorwurf
nicht allein ablehnen, sondern auch widerlegen.

Mögen meine geistreichen Leser nur gefälligst daran denken,
um wie viel Hüte man in Kaffeehäusern, Konditoreien und andern
öffentlichen Orten bestohlen wird, wie viel im Gedränge zerdrückt,
wie viel im Theater plattgedrückt werden; mögen sie bedenken, wie
oft die äußern Ränder eines sonst noch sehr brauchbaren Hutes durch
das viele Grüßen so abgenutzt sind, daß man den Hut cassiren muß;
wie oft man durch einen Platzregen überrascht wird, ohne mit einem


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[0177] für 25 Silbergroschen stärken und erneuern. Hier haben wir leichte Theilung: die Stunde ergiebt 1 Silbergroschen und ^ Pfennig. Von kleinen Extraausgaben in diesem Punkt werden wir später unter einer andern Rubrik sprechen: setzen wir also als zweiten Posten aus: Nahrung kostet stündlich.........12^ Pfennige. Wir haben als dritte materielle Nothwendigkeit die Kleidung angesetzt und sind hiermit zu einem noch vielmehr der Willkür je¬ des Einzelnen anheimgestellten Punkt gekommen. Jedermann kleidet sich nach seiner Einsicht: die Einen mit Sorglosigkeit, die Andern mit vieler Sorgfalt; wir müssen also auch hier, wie bisher, einen mittlern Durchschnitt annehmen. Da jedoch jedenfalls dieser Artikel überaus elastisch ist, so muß ich diejenigen meiner geehrten Leser, welche mit meinen Angaben nicht übereinstimmen, ersuchen, die Berech¬ nung, die wir hier gemeinsam anstellen, nach ihren Ansichten von der Sache zu modificiren, vorausgesetzt nämlich, es liegt ihnen etwas daran, das Resultat dieses Feuilletons zu finden. Fangen wir nun mit unserem Menschen von oben an, d. h. mit dem Kopfe und bekleiden ihn bis zum Fuße, so werden wir ihn ganz und gar durchgenommen haben. — Hut. Man muß wenigstens 2 zugleich haben, also 4 im Laufe des Jahres. Da man noch nicht dahin gekommen ist, irgend ein Me¬ tall so weit zu bearbeiten, daß man Hüte daraus verfertigen, also die gebrauchten umschmelzen kann, so läßt sich von alten Hüten kein Gebrauch weiter machen: höchstens kann man Filzfohlen daraus schneiden, um sich im Winter vor feuchten Füßen zu schützen. Man muß also nothwendig jedes Jahr 4 Hüte haben; sollte auch einer oder der andere meiner Leser von übertriebenen Lurus sprechen, so ist doch mein Genüssen ganz ruhig und kann ich diesen Vorwurf nicht allein ablehnen, sondern auch widerlegen. Mögen meine geistreichen Leser nur gefälligst daran denken, um wie viel Hüte man in Kaffeehäusern, Konditoreien und andern öffentlichen Orten bestohlen wird, wie viel im Gedränge zerdrückt, wie viel im Theater plattgedrückt werden; mögen sie bedenken, wie oft die äußern Ränder eines sonst noch sehr brauchbaren Hutes durch das viele Grüßen so abgenutzt sind, daß man den Hut cassiren muß; wie oft man durch einen Platzregen überrascht wird, ohne mit einem 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/177>, abgerufen am 23.07.2024.