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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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In den zahlreichen gesellschaftlichen Abtheilungen aus den ver¬
schiedenen Klassen der Welt, will ich mir, eingedenk der Horazischen
"ni-on, no(Il"erit"8, eine Person auswählen, die entweder durch vä¬
terliches Erbtheil oder als Ertrag ihrer täglichen Arbeit zu den
mittelbegüterten gehört, welche eine Einnahme von 1800 Thalern,
sage 15,0 Thaler monatlich, genießen. Wir wollen nun im Folgen¬
den sehen, wie dieser Einnahme von den Ausgaben das Gleich¬
gewicht gehalten wird. Vorauszusetzen ist dabei noch, daß von ei¬
nem Gar^on die Rede ist.

Die Erfahrung hat unwiderleglich dargethan, daß die materiel¬
len Nothwendigkeiten des Lebens bestehen in: Wohnung, Nah¬
rung, Kleidung, Bedienung und Gesundheitspflege. Für
moralische Nothwendigkeiten halten wir, bei dem Rentier: eine Ar¬
beit, die ihn hindert, an Spleen oder Langeweile zu sterben; bei dem
vom Ertrag seiner Arbeit Lebenden: geistiges Amüsement. Für
Beide gehört hieher noch fortschreitende Belehrung.

Nehmen wir nun die materiellen Nothwendigkeiten, deren Zahl
gewiß Niemand für übertrieben halten wird, eine nach der andern
in Bezug auf den Kostenpunkt vor. Zunächst also kommt:

Die Wohnung.

Für einen Junggesellen, der auf 18it0 Thaler Einnahme rech¬
nen kann, ist es weise und passend zugleich, eine Wohnung für
180 Thaler zu miethen ; denn ein Grundsatz der häuslichen Oeko-
nomie lautet dahin, der Miethzins solle sich auf ein Zehntel der
Einnahme belaufen. Eine Wohnung also für 180 Thaler jährlich,
das macht fünfzehn monatlich, also 15 Silbergroschen täglich, oder
7^ Pfennig stündlich. Die Unmöglichkeit, diese Zahl noch zu dividi-
ren, verbietet uns die Theilung für den Augenblick bis auf die
Minute fortzusetzen: wir wollen diese daher erst dann anwenden,
wenn mehrere Posten addirt eine durch 60 theilbare Summe dar¬
stellen werden. Um aber auf unsere Wohnung zurückzukommen:
man kann doch nicht innerhalb der 4 nackten Wände wohnen, und
hat man eine Wohnung für 180 Thaler, so muß man auch daran
denken, sie passend und mit einigem Comfort auszumeublircn, um
dieses jammervolle Dasein besser ertragen zu können. Nun nehme
ich an, daß, um eine Wohnung von 4 Zimmern -- Wohnung, Sa¬
lon, Studirzimmer und Bibliothek, Schlafcabinet -- einigermaßen


In den zahlreichen gesellschaftlichen Abtheilungen aus den ver¬
schiedenen Klassen der Welt, will ich mir, eingedenk der Horazischen
»ni-on, no(Il«erit»8, eine Person auswählen, die entweder durch vä¬
terliches Erbtheil oder als Ertrag ihrer täglichen Arbeit zu den
mittelbegüterten gehört, welche eine Einnahme von 1800 Thalern,
sage 15,0 Thaler monatlich, genießen. Wir wollen nun im Folgen¬
den sehen, wie dieser Einnahme von den Ausgaben das Gleich¬
gewicht gehalten wird. Vorauszusetzen ist dabei noch, daß von ei¬
nem Gar^on die Rede ist.

Die Erfahrung hat unwiderleglich dargethan, daß die materiel¬
len Nothwendigkeiten des Lebens bestehen in: Wohnung, Nah¬
rung, Kleidung, Bedienung und Gesundheitspflege. Für
moralische Nothwendigkeiten halten wir, bei dem Rentier: eine Ar¬
beit, die ihn hindert, an Spleen oder Langeweile zu sterben; bei dem
vom Ertrag seiner Arbeit Lebenden: geistiges Amüsement. Für
Beide gehört hieher noch fortschreitende Belehrung.

Nehmen wir nun die materiellen Nothwendigkeiten, deren Zahl
gewiß Niemand für übertrieben halten wird, eine nach der andern
in Bezug auf den Kostenpunkt vor. Zunächst also kommt:

Die Wohnung.

Für einen Junggesellen, der auf 18it0 Thaler Einnahme rech¬
nen kann, ist es weise und passend zugleich, eine Wohnung für
180 Thaler zu miethen ; denn ein Grundsatz der häuslichen Oeko-
nomie lautet dahin, der Miethzins solle sich auf ein Zehntel der
Einnahme belaufen. Eine Wohnung also für 180 Thaler jährlich,
das macht fünfzehn monatlich, also 15 Silbergroschen täglich, oder
7^ Pfennig stündlich. Die Unmöglichkeit, diese Zahl noch zu dividi-
ren, verbietet uns die Theilung für den Augenblick bis auf die
Minute fortzusetzen: wir wollen diese daher erst dann anwenden,
wenn mehrere Posten addirt eine durch 60 theilbare Summe dar¬
stellen werden. Um aber auf unsere Wohnung zurückzukommen:
man kann doch nicht innerhalb der 4 nackten Wände wohnen, und
hat man eine Wohnung für 180 Thaler, so muß man auch daran
denken, sie passend und mit einigem Comfort auszumeublircn, um
dieses jammervolle Dasein besser ertragen zu können. Nun nehme
ich an, daß, um eine Wohnung von 4 Zimmern — Wohnung, Sa¬
lon, Studirzimmer und Bibliothek, Schlafcabinet — einigermaßen


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[0175] In den zahlreichen gesellschaftlichen Abtheilungen aus den ver¬ schiedenen Klassen der Welt, will ich mir, eingedenk der Horazischen »ni-on, no(Il«erit»8, eine Person auswählen, die entweder durch vä¬ terliches Erbtheil oder als Ertrag ihrer täglichen Arbeit zu den mittelbegüterten gehört, welche eine Einnahme von 1800 Thalern, sage 15,0 Thaler monatlich, genießen. Wir wollen nun im Folgen¬ den sehen, wie dieser Einnahme von den Ausgaben das Gleich¬ gewicht gehalten wird. Vorauszusetzen ist dabei noch, daß von ei¬ nem Gar^on die Rede ist. Die Erfahrung hat unwiderleglich dargethan, daß die materiel¬ len Nothwendigkeiten des Lebens bestehen in: Wohnung, Nah¬ rung, Kleidung, Bedienung und Gesundheitspflege. Für moralische Nothwendigkeiten halten wir, bei dem Rentier: eine Ar¬ beit, die ihn hindert, an Spleen oder Langeweile zu sterben; bei dem vom Ertrag seiner Arbeit Lebenden: geistiges Amüsement. Für Beide gehört hieher noch fortschreitende Belehrung. Nehmen wir nun die materiellen Nothwendigkeiten, deren Zahl gewiß Niemand für übertrieben halten wird, eine nach der andern in Bezug auf den Kostenpunkt vor. Zunächst also kommt: Die Wohnung. Für einen Junggesellen, der auf 18it0 Thaler Einnahme rech¬ nen kann, ist es weise und passend zugleich, eine Wohnung für 180 Thaler zu miethen ; denn ein Grundsatz der häuslichen Oeko- nomie lautet dahin, der Miethzins solle sich auf ein Zehntel der Einnahme belaufen. Eine Wohnung also für 180 Thaler jährlich, das macht fünfzehn monatlich, also 15 Silbergroschen täglich, oder 7^ Pfennig stündlich. Die Unmöglichkeit, diese Zahl noch zu dividi- ren, verbietet uns die Theilung für den Augenblick bis auf die Minute fortzusetzen: wir wollen diese daher erst dann anwenden, wenn mehrere Posten addirt eine durch 60 theilbare Summe dar¬ stellen werden. Um aber auf unsere Wohnung zurückzukommen: man kann doch nicht innerhalb der 4 nackten Wände wohnen, und hat man eine Wohnung für 180 Thaler, so muß man auch daran denken, sie passend und mit einigem Comfort auszumeublircn, um dieses jammervolle Dasein besser ertragen zu können. Nun nehme ich an, daß, um eine Wohnung von 4 Zimmern — Wohnung, Sa¬ lon, Studirzimmer und Bibliothek, Schlafcabinet — einigermaßen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/175>, abgerufen am 23.07.2024.