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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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die vielen, von einander gänzlich unabhängigen Blätter, in denen Du
sein Lob gelesen, können doch unmöglich alle gelogen haben. Aber
geh! schon die erste Vorstellung enttäuscht Dich, und dem Räthsel
des Lobes nachspürend, erkennst Du, daß das Engagement des in
Rede stehenden Subjects schon vor seinem Triumphzuge von der
Direction abgeschlossen war und daß alle diese so gut bezahlten Lob¬
reden nur ein Manoeuvre der Direction waren, um die so oft be¬
trogenen Abonnenten noch ein Mal anzulocken.

Aber beschränkte sich der Diebstahl wenigstens noch darauf, uns
nur unser Geld zu nehmen! Er wird leider, -- so weit sührt die
Gewinnsucht -- zum Mord, zur Vergiftung. Wie wenige von
den Dingen, die wir täglich brauchen, verkauft man uns in ihrem
natürlichen Zustande! Die Weine z. B. werden, um ihnen ihre
Herbe zu benehmen, mit Bleioxyd, einem Gift, versetzt; um sie rother
und schmackhafter zumachen, wird etwas Alaun hinzugethan: gefärbt
werden sie mit tausenderlei Dingen, die alle der Gesundheit mehr
oder weniger nachtheilig sind. Der Weinessig ist mit verdünnter
Vitriolsäure vermischt, deren Folgen wir an unsern Zähnen ver¬
spüren, so daß ein Mund voll Salat sonderbarerweise dieselbe Wir¬
kung haben kann, wie ein tüchtiger Faustschlag. Der Specerciwaa-
renhändler, scheinbar der unschuldigste Mensch von der Welt, ist nicht
nur Taschenspieler, -- sage Betrüger -- sondern auch Chemiker --
sage Vergifter. Mit seinen krummen, groben Fingern führt er
Kunststücke aus, die eines Bosco würdig sind; denn, ohne daß seine
Wagschalen oder Gewichte falsch sind, weiß er doch am Gewicht zu
gewinnen durch die Art, wie er die Wage hält oder die Waaren
auf die Wagschale legt; seine Maße für Flüssigkeiten sind sorgfäl¬
tig gestempelt; er weiß aber so geschickt einzugicßen, daß er stets im
Gewinne bleibt. Der Arme, der aus Noth oder der Junggeselle,
der aus Bequemlichkeit seinen Caffee gemalen einkauft, kann sicher
sein, die Hälfte Cichorie zu haben : der Zucker ist in eine Art blei-
vder zinkhaltigen Papiers eingepackt, wodurch an jedem Hut, den
er im Ganzen verkauft, ein halbes Pfund wenigstens gewonnen
wird. Aber alle diese Betrügereien sind wenigstens nur unsrer
Börse nachtheilig: was sollen wir aber gegen folgende Vergif¬
tungen thun?

Dvcse lieben Specereiwaarenhändler mischen unter das Küchen-


die vielen, von einander gänzlich unabhängigen Blätter, in denen Du
sein Lob gelesen, können doch unmöglich alle gelogen haben. Aber
geh! schon die erste Vorstellung enttäuscht Dich, und dem Räthsel
des Lobes nachspürend, erkennst Du, daß das Engagement des in
Rede stehenden Subjects schon vor seinem Triumphzuge von der
Direction abgeschlossen war und daß alle diese so gut bezahlten Lob¬
reden nur ein Manoeuvre der Direction waren, um die so oft be¬
trogenen Abonnenten noch ein Mal anzulocken.

Aber beschränkte sich der Diebstahl wenigstens noch darauf, uns
nur unser Geld zu nehmen! Er wird leider, — so weit sührt die
Gewinnsucht — zum Mord, zur Vergiftung. Wie wenige von
den Dingen, die wir täglich brauchen, verkauft man uns in ihrem
natürlichen Zustande! Die Weine z. B. werden, um ihnen ihre
Herbe zu benehmen, mit Bleioxyd, einem Gift, versetzt; um sie rother
und schmackhafter zumachen, wird etwas Alaun hinzugethan: gefärbt
werden sie mit tausenderlei Dingen, die alle der Gesundheit mehr
oder weniger nachtheilig sind. Der Weinessig ist mit verdünnter
Vitriolsäure vermischt, deren Folgen wir an unsern Zähnen ver¬
spüren, so daß ein Mund voll Salat sonderbarerweise dieselbe Wir¬
kung haben kann, wie ein tüchtiger Faustschlag. Der Specerciwaa-
renhändler, scheinbar der unschuldigste Mensch von der Welt, ist nicht
nur Taschenspieler, — sage Betrüger — sondern auch Chemiker —
sage Vergifter. Mit seinen krummen, groben Fingern führt er
Kunststücke aus, die eines Bosco würdig sind; denn, ohne daß seine
Wagschalen oder Gewichte falsch sind, weiß er doch am Gewicht zu
gewinnen durch die Art, wie er die Wage hält oder die Waaren
auf die Wagschale legt; seine Maße für Flüssigkeiten sind sorgfäl¬
tig gestempelt; er weiß aber so geschickt einzugicßen, daß er stets im
Gewinne bleibt. Der Arme, der aus Noth oder der Junggeselle,
der aus Bequemlichkeit seinen Caffee gemalen einkauft, kann sicher
sein, die Hälfte Cichorie zu haben : der Zucker ist in eine Art blei-
vder zinkhaltigen Papiers eingepackt, wodurch an jedem Hut, den
er im Ganzen verkauft, ein halbes Pfund wenigstens gewonnen
wird. Aber alle diese Betrügereien sind wenigstens nur unsrer
Börse nachtheilig: was sollen wir aber gegen folgende Vergif¬
tungen thun?

Dvcse lieben Specereiwaarenhändler mischen unter das Küchen-


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[0167] die vielen, von einander gänzlich unabhängigen Blätter, in denen Du sein Lob gelesen, können doch unmöglich alle gelogen haben. Aber geh! schon die erste Vorstellung enttäuscht Dich, und dem Räthsel des Lobes nachspürend, erkennst Du, daß das Engagement des in Rede stehenden Subjects schon vor seinem Triumphzuge von der Direction abgeschlossen war und daß alle diese so gut bezahlten Lob¬ reden nur ein Manoeuvre der Direction waren, um die so oft be¬ trogenen Abonnenten noch ein Mal anzulocken. Aber beschränkte sich der Diebstahl wenigstens noch darauf, uns nur unser Geld zu nehmen! Er wird leider, — so weit sührt die Gewinnsucht — zum Mord, zur Vergiftung. Wie wenige von den Dingen, die wir täglich brauchen, verkauft man uns in ihrem natürlichen Zustande! Die Weine z. B. werden, um ihnen ihre Herbe zu benehmen, mit Bleioxyd, einem Gift, versetzt; um sie rother und schmackhafter zumachen, wird etwas Alaun hinzugethan: gefärbt werden sie mit tausenderlei Dingen, die alle der Gesundheit mehr oder weniger nachtheilig sind. Der Weinessig ist mit verdünnter Vitriolsäure vermischt, deren Folgen wir an unsern Zähnen ver¬ spüren, so daß ein Mund voll Salat sonderbarerweise dieselbe Wir¬ kung haben kann, wie ein tüchtiger Faustschlag. Der Specerciwaa- renhändler, scheinbar der unschuldigste Mensch von der Welt, ist nicht nur Taschenspieler, — sage Betrüger — sondern auch Chemiker — sage Vergifter. Mit seinen krummen, groben Fingern führt er Kunststücke aus, die eines Bosco würdig sind; denn, ohne daß seine Wagschalen oder Gewichte falsch sind, weiß er doch am Gewicht zu gewinnen durch die Art, wie er die Wage hält oder die Waaren auf die Wagschale legt; seine Maße für Flüssigkeiten sind sorgfäl¬ tig gestempelt; er weiß aber so geschickt einzugicßen, daß er stets im Gewinne bleibt. Der Arme, der aus Noth oder der Junggeselle, der aus Bequemlichkeit seinen Caffee gemalen einkauft, kann sicher sein, die Hälfte Cichorie zu haben : der Zucker ist in eine Art blei- vder zinkhaltigen Papiers eingepackt, wodurch an jedem Hut, den er im Ganzen verkauft, ein halbes Pfund wenigstens gewonnen wird. Aber alle diese Betrügereien sind wenigstens nur unsrer Börse nachtheilig: was sollen wir aber gegen folgende Vergif¬ tungen thun? Dvcse lieben Specereiwaarenhändler mischen unter das Küchen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/167>, abgerufen am 23.07.2024.