Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.nicht aus dem Regen in die Traufe geriet!), d. h. vom Commissair Zu diesen einzelnen Fällen, wo ich den Diebstahl ertragen Einer meiner Bekannten, voll Verdruß, stets betrogen zu sein, nicht aus dem Regen in die Traufe geriet!), d. h. vom Commissair Zu diesen einzelnen Fällen, wo ich den Diebstahl ertragen Einer meiner Bekannten, voll Verdruß, stets betrogen zu sein, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266782"/> <p xml:id="ID_404" prev="#ID_403"> nicht aus dem Regen in die Traufe geriet!), d. h. vom Commissair<lb/> Unrecht erhielt, und alsdann dem Kutscher obendrein noch eine<lb/> Entschädigung für die ihm verursachte Versäumniß zu zahlen daS<lb/> Vergnügen hatte. Was blieb mir also übrig, als dem Kutscher<lb/> seinen Willen zu thun und den verlangte Thaler zu geben? Er<lb/> konnte jetzt sein Trinkgeld entbehren; er hatte Ueberschuß genug,<lb/> um sich einen Rausch zu trinken. Und ich — nun ich war eben<lb/> wieder um einen halben Thaler mit sehenden Augen bestohlen und<lb/> mußte es eben dulden.</p><lb/> <p xml:id="ID_405"> Zu diesen einzelnen Fällen, wo ich den Diebstahl ertragen<lb/> mußte, kann ich noch hundert andre, Jedermann betreffende hinzufü¬<lb/> gen, die sich in allen großen Städten wiederholen. Wehe dem un¬<lb/> glücklichen jungen Manne, der sich seine Bedürfnisse allein einkaufen<lb/> muß; er kann sicher sein, Alles nicht allein theurer zu bezahlen, als<lb/> jeder Andre, sondern noch dazu die schlechteste Waare zu erhalten.<lb/> Habe ich doch letzthin eines Morgens ein Halstuch eingekauft und<lb/> sofort umgebunden, dessen Grund dunkelblau war; als ich es am<lb/> Abend — der Tag war ziemlich heiß gewesen und ich hatte etwas<lb/> stark geschwitzt — wieder ablegte, hatte es chamäleonartig seine Farbe<lb/> geändert und war aus dunkelblau hellgelb geworden. Mein Hals<lb/> mußte den Tag über, während diese Metamorphose stellenweise vor-<lb/> ging, zebraartig ausgesehen haben. So wird man in allen Dingen<lb/> bestohlen; man glaubt, ein seidenes Taschentuch zu kaufen, und hat<lb/> ein halb baumwollenes; ein Hut, den man heute für neu bezahlt,<lb/> zeigt sich nach acht Tagen als ein aller, dem nur Walze und Bügel--<lb/> eisen einen ephemeren Glanz verliehen hatten; statt auf Leversohlen<lb/> geht man auf Holz und Pappendeckel. Ich bestellte jüngst bei einem<lb/> Tischler ein festes, eichenes Büchergestell; nachdem ich es etwa vier<lb/> Wochen hatte, fallt es meiner Haushälterin ein, es mit heißem<lb/> Wasser zu reinigen: was stellte sich aber als Resultat heraus? Daß<lb/> der Tischler ein finsteres Gestell geliefert hatte, dem er vermittelst<lb/> Leim und Politur das Ansehen eines eichenen zu geben gewußt.<lb/> So wird man überall betrogen; nur in Einem betrübt Sie kein<lb/> Kaufmann, lieber Leser; alle fordern den richtigen Preis, den Preis<lb/> für solide Waare von bester Qualität.</p><lb/> <p xml:id="ID_406" next="#ID_407"> Einer meiner Bekannten, voll Verdruß, stets betrogen zu sein,<lb/> und der sich doch durchaus nicht entschließen konnte, zu handelt!«</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0165]
nicht aus dem Regen in die Traufe geriet!), d. h. vom Commissair
Unrecht erhielt, und alsdann dem Kutscher obendrein noch eine
Entschädigung für die ihm verursachte Versäumniß zu zahlen daS
Vergnügen hatte. Was blieb mir also übrig, als dem Kutscher
seinen Willen zu thun und den verlangte Thaler zu geben? Er
konnte jetzt sein Trinkgeld entbehren; er hatte Ueberschuß genug,
um sich einen Rausch zu trinken. Und ich — nun ich war eben
wieder um einen halben Thaler mit sehenden Augen bestohlen und
mußte es eben dulden.
Zu diesen einzelnen Fällen, wo ich den Diebstahl ertragen
mußte, kann ich noch hundert andre, Jedermann betreffende hinzufü¬
gen, die sich in allen großen Städten wiederholen. Wehe dem un¬
glücklichen jungen Manne, der sich seine Bedürfnisse allein einkaufen
muß; er kann sicher sein, Alles nicht allein theurer zu bezahlen, als
jeder Andre, sondern noch dazu die schlechteste Waare zu erhalten.
Habe ich doch letzthin eines Morgens ein Halstuch eingekauft und
sofort umgebunden, dessen Grund dunkelblau war; als ich es am
Abend — der Tag war ziemlich heiß gewesen und ich hatte etwas
stark geschwitzt — wieder ablegte, hatte es chamäleonartig seine Farbe
geändert und war aus dunkelblau hellgelb geworden. Mein Hals
mußte den Tag über, während diese Metamorphose stellenweise vor-
ging, zebraartig ausgesehen haben. So wird man in allen Dingen
bestohlen; man glaubt, ein seidenes Taschentuch zu kaufen, und hat
ein halb baumwollenes; ein Hut, den man heute für neu bezahlt,
zeigt sich nach acht Tagen als ein aller, dem nur Walze und Bügel--
eisen einen ephemeren Glanz verliehen hatten; statt auf Leversohlen
geht man auf Holz und Pappendeckel. Ich bestellte jüngst bei einem
Tischler ein festes, eichenes Büchergestell; nachdem ich es etwa vier
Wochen hatte, fallt es meiner Haushälterin ein, es mit heißem
Wasser zu reinigen: was stellte sich aber als Resultat heraus? Daß
der Tischler ein finsteres Gestell geliefert hatte, dem er vermittelst
Leim und Politur das Ansehen eines eichenen zu geben gewußt.
So wird man überall betrogen; nur in Einem betrübt Sie kein
Kaufmann, lieber Leser; alle fordern den richtigen Preis, den Preis
für solide Waare von bester Qualität.
Einer meiner Bekannten, voll Verdruß, stets betrogen zu sein,
und der sich doch durchaus nicht entschließen konnte, zu handelt!«
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