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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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letzterer in dem damaligen Oberst, nachmaligen General Baudrand, einem
höchst verdienstvollen, aber von der Restauration zur Unthätigkeit verdammten
Offizier, einen trefflichen Lehrer der praktischen Kriegskunst, einen überwachenden
Freund. Und daß er dessen Lehren und' Rathschläge wirklich benutzt, hat er
glänzend dargethan, da ihm die Gelegenheit gegeben ward. Seine Kamera¬
den haben ihn in Antwerpen und bei Mascara, in den Engpässen der eisernen
Pforten und auf den Höhen von Muzaja eben so sehr als tapfern Krieger und
sachkundigen Befehlshaber kennen gelernt, wie sie ihn im Frieden als gefälli¬
gen, theilnehmenden, stets zur Hülfe bereiten Freund liebgewonnen hatten.

Merkwürdig bleibt es zur Charakterisirung Louis Philippe's, wie er -- eine
Revolution sei es nun vorbereitend oder voraussehend -- seinen Sohn zum Re¬
gieren erzog. Denn neben seinen militärischen Beschäftigungen verfolgte er
während der letzten Rcstaurations - Jahre eifrig das Studium der Rechts¬
wissenschaft und der Berwaltungskunst; ja er ließ sich sogar von dem ältere"
Dupin einige Rathschläge und Regeln über die Kunst der Improvisation erthei¬
len, gleichsam als ahne er, daß ihm die Zukunft vorbehalte, öfters öffentlich
zu sprechen.

Im Jahre 1829 unternahm er in Gesellschaft seines Vaters eine Reise
nach England und Schottland: in seinem Erziehungssysteme sollten nämlich
nach dem Plane seines Baders Reisen durch das ganze cultivirte Europa, ja
sogar nach Nordamerika, behufs eines selbständigen Studiums der dortigen
Bersassung, den Schlußstein und Uebergangspunkt zum reiferen, männlichen
Alter bilden. Bon dieser Reise zurückgekehrt, erhielt er von dem Hofe, dem die
Familie Orleans wegen der vom Volke ihr geschenkten Theilnahme und Auf¬
merksamkeit anfing lästig und verdächtig zu werden, den Befehl nach Lüneville
zu gehen, um das Commando seines Regiments zu übernehmen. Diese Zeit
war eine schwierige für ihn, weil es einer außerordentlichen Klugheit und Vor¬
sicht bedürfte, um dem argwöhnischen Hofe keinen Anstoß zu geben.

Als die Juli-Revolution ausbrach, stand er mit seinem Regimente in
Joignu. Natürlich beunruhigte ihn das Schicksal seiner Familie, die er in Paris
wußte, sehr: er eilte daher nach Paris, ward aber an der Barriere angehalten
und mußte erst durch einen Offizier der Nationalgarde vom Hotel de Wille
sich Erlaubniß zum Eingang in Paris holen lassen, von der er jedoch, da
ihm indeß Renseignements über die Wichtigkeit der Borgänge in der Residenz
zugekommen waren, keinen Gebrauch machte. Er eilte vielmehr nach Joigny
zurück, um mit seinem Regimente am 3. August in Paris einzuziehen.

Von dieser Epoche an gehörte sein Leben der Oeffentlichkeit an; ich will


letzterer in dem damaligen Oberst, nachmaligen General Baudrand, einem
höchst verdienstvollen, aber von der Restauration zur Unthätigkeit verdammten
Offizier, einen trefflichen Lehrer der praktischen Kriegskunst, einen überwachenden
Freund. Und daß er dessen Lehren und' Rathschläge wirklich benutzt, hat er
glänzend dargethan, da ihm die Gelegenheit gegeben ward. Seine Kamera¬
den haben ihn in Antwerpen und bei Mascara, in den Engpässen der eisernen
Pforten und auf den Höhen von Muzaja eben so sehr als tapfern Krieger und
sachkundigen Befehlshaber kennen gelernt, wie sie ihn im Frieden als gefälli¬
gen, theilnehmenden, stets zur Hülfe bereiten Freund liebgewonnen hatten.

Merkwürdig bleibt es zur Charakterisirung Louis Philippe's, wie er — eine
Revolution sei es nun vorbereitend oder voraussehend — seinen Sohn zum Re¬
gieren erzog. Denn neben seinen militärischen Beschäftigungen verfolgte er
während der letzten Rcstaurations - Jahre eifrig das Studium der Rechts¬
wissenschaft und der Berwaltungskunst; ja er ließ sich sogar von dem ältere»
Dupin einige Rathschläge und Regeln über die Kunst der Improvisation erthei¬
len, gleichsam als ahne er, daß ihm die Zukunft vorbehalte, öfters öffentlich
zu sprechen.

Im Jahre 1829 unternahm er in Gesellschaft seines Vaters eine Reise
nach England und Schottland: in seinem Erziehungssysteme sollten nämlich
nach dem Plane seines Baders Reisen durch das ganze cultivirte Europa, ja
sogar nach Nordamerika, behufs eines selbständigen Studiums der dortigen
Bersassung, den Schlußstein und Uebergangspunkt zum reiferen, männlichen
Alter bilden. Bon dieser Reise zurückgekehrt, erhielt er von dem Hofe, dem die
Familie Orleans wegen der vom Volke ihr geschenkten Theilnahme und Auf¬
merksamkeit anfing lästig und verdächtig zu werden, den Befehl nach Lüneville
zu gehen, um das Commando seines Regiments zu übernehmen. Diese Zeit
war eine schwierige für ihn, weil es einer außerordentlichen Klugheit und Vor¬
sicht bedürfte, um dem argwöhnischen Hofe keinen Anstoß zu geben.

Als die Juli-Revolution ausbrach, stand er mit seinem Regimente in
Joignu. Natürlich beunruhigte ihn das Schicksal seiner Familie, die er in Paris
wußte, sehr: er eilte daher nach Paris, ward aber an der Barriere angehalten
und mußte erst durch einen Offizier der Nationalgarde vom Hotel de Wille
sich Erlaubniß zum Eingang in Paris holen lassen, von der er jedoch, da
ihm indeß Renseignements über die Wichtigkeit der Borgänge in der Residenz
zugekommen waren, keinen Gebrauch machte. Er eilte vielmehr nach Joigny
zurück, um mit seinem Regimente am 3. August in Paris einzuziehen.

Von dieser Epoche an gehörte sein Leben der Oeffentlichkeit an; ich will


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[0158] letzterer in dem damaligen Oberst, nachmaligen General Baudrand, einem höchst verdienstvollen, aber von der Restauration zur Unthätigkeit verdammten Offizier, einen trefflichen Lehrer der praktischen Kriegskunst, einen überwachenden Freund. Und daß er dessen Lehren und' Rathschläge wirklich benutzt, hat er glänzend dargethan, da ihm die Gelegenheit gegeben ward. Seine Kamera¬ den haben ihn in Antwerpen und bei Mascara, in den Engpässen der eisernen Pforten und auf den Höhen von Muzaja eben so sehr als tapfern Krieger und sachkundigen Befehlshaber kennen gelernt, wie sie ihn im Frieden als gefälli¬ gen, theilnehmenden, stets zur Hülfe bereiten Freund liebgewonnen hatten. Merkwürdig bleibt es zur Charakterisirung Louis Philippe's, wie er — eine Revolution sei es nun vorbereitend oder voraussehend — seinen Sohn zum Re¬ gieren erzog. Denn neben seinen militärischen Beschäftigungen verfolgte er während der letzten Rcstaurations - Jahre eifrig das Studium der Rechts¬ wissenschaft und der Berwaltungskunst; ja er ließ sich sogar von dem ältere» Dupin einige Rathschläge und Regeln über die Kunst der Improvisation erthei¬ len, gleichsam als ahne er, daß ihm die Zukunft vorbehalte, öfters öffentlich zu sprechen. Im Jahre 1829 unternahm er in Gesellschaft seines Vaters eine Reise nach England und Schottland: in seinem Erziehungssysteme sollten nämlich nach dem Plane seines Baders Reisen durch das ganze cultivirte Europa, ja sogar nach Nordamerika, behufs eines selbständigen Studiums der dortigen Bersassung, den Schlußstein und Uebergangspunkt zum reiferen, männlichen Alter bilden. Bon dieser Reise zurückgekehrt, erhielt er von dem Hofe, dem die Familie Orleans wegen der vom Volke ihr geschenkten Theilnahme und Auf¬ merksamkeit anfing lästig und verdächtig zu werden, den Befehl nach Lüneville zu gehen, um das Commando seines Regiments zu übernehmen. Diese Zeit war eine schwierige für ihn, weil es einer außerordentlichen Klugheit und Vor¬ sicht bedürfte, um dem argwöhnischen Hofe keinen Anstoß zu geben. Als die Juli-Revolution ausbrach, stand er mit seinem Regimente in Joignu. Natürlich beunruhigte ihn das Schicksal seiner Familie, die er in Paris wußte, sehr: er eilte daher nach Paris, ward aber an der Barriere angehalten und mußte erst durch einen Offizier der Nationalgarde vom Hotel de Wille sich Erlaubniß zum Eingang in Paris holen lassen, von der er jedoch, da ihm indeß Renseignements über die Wichtigkeit der Borgänge in der Residenz zugekommen waren, keinen Gebrauch machte. Er eilte vielmehr nach Joigny zurück, um mit seinem Regimente am 3. August in Paris einzuziehen. Von dieser Epoche an gehörte sein Leben der Oeffentlichkeit an; ich will

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/158>, abgerufen am 01.07.2024.