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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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schaffen wußte, dessen Gesinnungen ihn nur eine kalte höfliche Behandlung er¬
warten ließen, wie man sie ihm auch in der That Anfangs zugedacht hatte,
die aber sehr durch das Wohlgefallen, das der verstorbene König an ihm
fand und öffentlich bezeigte, umgewandelt ward*). Die erste Stufe zu dieser
Popularität und Beliebtheit in Frankreich hatte übrigens sein Vater für ihn
und seine Brüder durch ihre weise Erziehung in den öffentlichen Collegien gelegt,
die sie mit vieler Auszeichnung besuchten. Es machte damals ein ungeheures
Aufsehen, daß ein Prinz von Geblüt sich mitten unter den Söhnen einfacher Bür¬
ger auf den Bänken des Collvge Henri IV. hinsetzte: -- er hatte nicht etwa,
gleich den adligen Studenten in Göttingen, einen abgesonderten, erhöhten Platz:
-- heutzutage aber sind die Pariser schon daran gewöhnt, daß sie die Prinzen
(jetzt nur noch den jüngsten) in ihrer Kutsche in Begleitung ihres Erziehers
an den Thüren der Collegien ankommen sehen. So war es auch mit dem
jetzigen Herzog von Orleans, damals noch Herzog von Chartres. Aber ein
Mal außer der Kutsche hörte er völlig auf Prinz zu, sein und wurde nun der
Kamerad seiner Mitschüler. Daß er übrigens die im College ihm gewordenen
Auszeichnungen des Fleißes wirklich verdient hat, darauf kann man sich ver¬
lassen; denn im Gegentheile würden seine Mitschüler ein stärkeres Geschrei dar¬
über erhoben haben, als die Oppositionsjournale anstimmten, da er, nachdem
er im Feuer von Antwerpen und Mascara unzweifelhafte Proben seines Muthes
abgelegt hatte, zum Generallieutenant ernannt wurde. ,

Und doch hatte es dem Herzog weder an theoretischer noch an praktischer
Bildung für den Militairstand gefehlt; denn neben der Erziehung, die er im Col¬
lege erhielt, ward ihm privatim von den bedeutendsten Lehrern ein anhalten¬
der Unterricht in Geschichte, Geographie, Mathematik, Naturwissenschaften und
den anderen Grundlagen militärischer Bildung ertheilt. Und als er dann,
noch ein Knabe, nach den Sitten und Bräuchen des alten Hofes zum
Obersten des ersten Husaren-Regiments ernannt worden war, -- sein Bater
war Colonel-General aller Husaren-Regimenter des Königreichs -- gab ihm



*) Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, einer Aeußerung des regierenden
Königs von Preußen zu erwähnen, die derselbe gegen den König von Belgien bei
seinem letzten Aufenthalte in Brüssel in-lebte. "Mag man ein Partisan der Legiti¬
mität oder der Julidynastie sein, da" ausi man zugestehen, Frankreich besitzt einen
dieser hohen Mission gewachsenen Kronprinzen." Diese Aeußerung war uns schon
seit "ier Monaten bekannt; jetzt glauben wir sie, ohne Verdacht der Schmeichelei,
Anm. d. Red. mittheilen zu können.

schaffen wußte, dessen Gesinnungen ihn nur eine kalte höfliche Behandlung er¬
warten ließen, wie man sie ihm auch in der That Anfangs zugedacht hatte,
die aber sehr durch das Wohlgefallen, das der verstorbene König an ihm
fand und öffentlich bezeigte, umgewandelt ward*). Die erste Stufe zu dieser
Popularität und Beliebtheit in Frankreich hatte übrigens sein Vater für ihn
und seine Brüder durch ihre weise Erziehung in den öffentlichen Collegien gelegt,
die sie mit vieler Auszeichnung besuchten. Es machte damals ein ungeheures
Aufsehen, daß ein Prinz von Geblüt sich mitten unter den Söhnen einfacher Bür¬
ger auf den Bänken des Collvge Henri IV. hinsetzte: — er hatte nicht etwa,
gleich den adligen Studenten in Göttingen, einen abgesonderten, erhöhten Platz:
— heutzutage aber sind die Pariser schon daran gewöhnt, daß sie die Prinzen
(jetzt nur noch den jüngsten) in ihrer Kutsche in Begleitung ihres Erziehers
an den Thüren der Collegien ankommen sehen. So war es auch mit dem
jetzigen Herzog von Orleans, damals noch Herzog von Chartres. Aber ein
Mal außer der Kutsche hörte er völlig auf Prinz zu, sein und wurde nun der
Kamerad seiner Mitschüler. Daß er übrigens die im College ihm gewordenen
Auszeichnungen des Fleißes wirklich verdient hat, darauf kann man sich ver¬
lassen; denn im Gegentheile würden seine Mitschüler ein stärkeres Geschrei dar¬
über erhoben haben, als die Oppositionsjournale anstimmten, da er, nachdem
er im Feuer von Antwerpen und Mascara unzweifelhafte Proben seines Muthes
abgelegt hatte, zum Generallieutenant ernannt wurde. ,

Und doch hatte es dem Herzog weder an theoretischer noch an praktischer
Bildung für den Militairstand gefehlt; denn neben der Erziehung, die er im Col¬
lege erhielt, ward ihm privatim von den bedeutendsten Lehrern ein anhalten¬
der Unterricht in Geschichte, Geographie, Mathematik, Naturwissenschaften und
den anderen Grundlagen militärischer Bildung ertheilt. Und als er dann,
noch ein Knabe, nach den Sitten und Bräuchen des alten Hofes zum
Obersten des ersten Husaren-Regiments ernannt worden war, — sein Bater
war Colonel-General aller Husaren-Regimenter des Königreichs — gab ihm



*) Bei dieser Gelegenheit können wir nicht umhin, einer Aeußerung des regierenden
Königs von Preußen zu erwähnen, die derselbe gegen den König von Belgien bei
seinem letzten Aufenthalte in Brüssel in-lebte. „Mag man ein Partisan der Legiti¬
mität oder der Julidynastie sein, da« ausi man zugestehen, Frankreich besitzt einen
dieser hohen Mission gewachsenen Kronprinzen." Diese Aeußerung war uns schon
seit «ier Monaten bekannt; jetzt glauben wir sie, ohne Verdacht der Schmeichelei,
Anm. d. Red. mittheilen zu können.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/157>, abgerufen am 03.07.2024.