Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.schreit hoch auf, da sie ihn ganz blutig erblickt, und drückt ihren Brauer, erdrückt von seiner Schulden Last, täglich eifriger von So begrub das Elend, daS an Brauer's Wiege gewacht, ihn auch Rubens erfuhr Brauer's Tod nur, um ihn zu beweinen. Er schreit hoch auf, da sie ihn ganz blutig erblickt, und drückt ihren Brauer, erdrückt von seiner Schulden Last, täglich eifriger von So begrub das Elend, daS an Brauer's Wiege gewacht, ihn auch Rubens erfuhr Brauer's Tod nur, um ihn zu beweinen. Er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266741"/> <p xml:id="ID_312" prev="#ID_311"> schreit hoch auf, da sie ihn ganz blutig erblickt, und drückt ihren<lb/> Schmerz über seinen Verlust in so jammervollen Ausdrücken aus,<lb/> daß Craesbeck, von seiner Eifersucht geheilt, aufstand und zu ihr sagte:<lb/> „Still, Thörin! Ich habe dich nur prüfen und sehen wollen, ob<lb/> deine Liebe aufrichtig ist." Die Chronik jener Zeiten besagt jedoch<lb/> Nichts davon, ob die Bäckersfrau in Folge dieser Lehre minder<lb/> liebherzig gegen ihren Gast wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_313"> Brauer, erdrückt von seiner Schulden Last, täglich eifriger von<lb/> den Gerichtsdienern und Häschern verfolgt, verließ Antwerpen, wie<lb/> er Amsterdam verlassen d. h. als es kein Wirthshaus mehr gab.<lb/> in dem er nicht seinen Credit erschöpft hatte. Von seinem lieder¬<lb/> lichen, ausschweifenden Leben schon körperlich erschöpft, ging er zu<lb/> seinem größten Unglück nach Paris, wo sein leichtes Talent ihn»<lb/> zwar Goldminen öffnete, wo er aber in noch größere Ercesse verfiel.<lb/> Das Leben war für ihn, seitdem er seines Talentes sich bewußt ge¬<lb/> worden, nur eine lange Wollust, eine fortwährende Trunkenheit<lb/> gewesen; aber er hatte den Becher nun bis auf die Hefe geleert<lb/> und da fand er das Gift. Als er nach einem Aufenthalt von eini¬<lb/> gen Monaten im Jahr 1640 nach Antwerpen zurückkehrte, trug er<lb/> die grausame Strafe seiner leichten Liebesverhältnisse in seinem Leibe<lb/> mit sich. Die Lebensquellen waren so erschöpft in ihm, daß er<lb/> zwei Tage, nachdem er ins Hospital gekommen, an Entkräftung da¬<lb/> selbst starb, allein in einer Ecke, ohne eine Hand, welche die seine<lb/> drückte, ohne einen Blick, der ihn tröstete, ohne ein Gebet und ohne<lb/> einen Grabstein, um einen Namen der Vergessenheit zu entreißen,<lb/> ver so schön und so strahlend hätte sein können!</p><lb/> <p xml:id="ID_314"> So begrub das Elend, daS an Brauer's Wiege gewacht, ihn auch<lb/> mit seinen dürren und gierigen Fingern in dem Leichentuch, das er dem<lb/> Mitleid verdankte. Seine glühend sinnliche Natur, der es in Folge<lb/> seiner gänzlich vernachlässigten Erziehung an jenem Zügel fehlte,<lb/> den Moral und Religion Anderer Begierden auflegen, hatte ihn in<lb/> der Blüthe seiner Jahre als einen lebendigen Leichnam vor die<lb/> Thüren dieses traurigen Pantheons des Genies geworfen, das man<lb/> Hospital nennt.</p><lb/> <p xml:id="ID_315" next="#ID_316"> Rubens erfuhr Brauer's Tod nur, um ihn zu beweinen. Er<lb/> ließ seinen Leichnam, der in die allgemeine Grube geworfen<lb/> worden, ausgraben und in der Carmeliterkirche beerdigen. Er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
schreit hoch auf, da sie ihn ganz blutig erblickt, und drückt ihren
Schmerz über seinen Verlust in so jammervollen Ausdrücken aus,
daß Craesbeck, von seiner Eifersucht geheilt, aufstand und zu ihr sagte:
„Still, Thörin! Ich habe dich nur prüfen und sehen wollen, ob
deine Liebe aufrichtig ist." Die Chronik jener Zeiten besagt jedoch
Nichts davon, ob die Bäckersfrau in Folge dieser Lehre minder
liebherzig gegen ihren Gast wurde.
Brauer, erdrückt von seiner Schulden Last, täglich eifriger von
den Gerichtsdienern und Häschern verfolgt, verließ Antwerpen, wie
er Amsterdam verlassen d. h. als es kein Wirthshaus mehr gab.
in dem er nicht seinen Credit erschöpft hatte. Von seinem lieder¬
lichen, ausschweifenden Leben schon körperlich erschöpft, ging er zu
seinem größten Unglück nach Paris, wo sein leichtes Talent ihn»
zwar Goldminen öffnete, wo er aber in noch größere Ercesse verfiel.
Das Leben war für ihn, seitdem er seines Talentes sich bewußt ge¬
worden, nur eine lange Wollust, eine fortwährende Trunkenheit
gewesen; aber er hatte den Becher nun bis auf die Hefe geleert
und da fand er das Gift. Als er nach einem Aufenthalt von eini¬
gen Monaten im Jahr 1640 nach Antwerpen zurückkehrte, trug er
die grausame Strafe seiner leichten Liebesverhältnisse in seinem Leibe
mit sich. Die Lebensquellen waren so erschöpft in ihm, daß er
zwei Tage, nachdem er ins Hospital gekommen, an Entkräftung da¬
selbst starb, allein in einer Ecke, ohne eine Hand, welche die seine
drückte, ohne einen Blick, der ihn tröstete, ohne ein Gebet und ohne
einen Grabstein, um einen Namen der Vergessenheit zu entreißen,
ver so schön und so strahlend hätte sein können!
So begrub das Elend, daS an Brauer's Wiege gewacht, ihn auch
mit seinen dürren und gierigen Fingern in dem Leichentuch, das er dem
Mitleid verdankte. Seine glühend sinnliche Natur, der es in Folge
seiner gänzlich vernachlässigten Erziehung an jenem Zügel fehlte,
den Moral und Religion Anderer Begierden auflegen, hatte ihn in
der Blüthe seiner Jahre als einen lebendigen Leichnam vor die
Thüren dieses traurigen Pantheons des Genies geworfen, das man
Hospital nennt.
Rubens erfuhr Brauer's Tod nur, um ihn zu beweinen. Er
ließ seinen Leichnam, der in die allgemeine Grube geworfen
worden, ausgraben und in der Carmeliterkirche beerdigen. Er
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