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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Unsere beiden Freunde hatten ihre gegenseitige Bekanntschaft im
Wirthshaus gemacht, wo Brauer seine Amsterdamer Lebensweise
wieder begonnen hatte und unter zerbrochenen Bierkrügen, zerschla¬
genen Köpfen, umgeworfenen Stühlen und unkeuschen Liebesabenteuern
zugleich Stoff und Inspiration für sein Talent suchte und sand.
Craesbeck war geschaffen, um Brauer zu begreifen: und bald wohnte
letzterer bei ihm, indem er ihm versprach, ihm zum Lohn seiner Gast¬
freundschaft Unterricht in seiner Kunst zu ertheilen, für welche der
Bäcker vorzügliche Anlagen hatte.

CraeSbeck nahm diese Bedingungen dankbar an und jeden Mor¬
gen, nachdem er seine Bäckerarbeit vollendet, arbeitete er mit Eifer
als Maler und zwar mir solchem Erfolg, daß er bald seinem Mei¬
ster, wenn auch nicht gleich, doch wenigstens nahe kam. Doch war
sein Strich nie weder so fein, noch so kühn wie der Brauer's und
in seinen Gemälden findet man stets etwas Gemeines, Plumpes,
Anekelndes, das Brauer nie, selbst in den liederlichsten Arbeiten sei¬
nes Talentes nicht, eigen war.

Craesbeck hatte eine sehr hübsche Frau, die anfangs Brauer
lange Zeit Vorwürfe gemacht hatte, er sei Schuld daran, daß ihr
Mann sein Geschäft vernachlässige und lieber schlechte Gemälde
pinsle; endlich aber wurde sie gegen ihren Gast freundlicher gesinnt
und ward ihm zuletzt so gewogen, daß sie alle Drei in voll¬
kommenster Eintracht lebten. Die bösen Zungen jener Zeit behaup¬
teten, Craesbeck theile mit Brauer Haus, Tisch und Frau: und so
abgeneigt wir auch sind, den Todten Böses nachzusagen, eingedenk
des alten Spruches: cle moi tuis nil nisi Iiene, so müssen Wir doch
eingestehen, daß wir uns nicht gut als Kämpen für die Tugend
der Bäckerfrau stellen können.

Das Leben, welches diese beiden Freunde einige Zeit lang führten,
ward endlich so scandalös, daß die Behörden sich darein mischten.
Aus dieser Zeit erzählt man auch folgende Anekdote: Craesbeck,
heißt es, durch das Gerede der Leute argwöhnisch geworden, wollte
sich über die Liebe seiner Gattin zu ihm Gewißheit verschaffen und
nahm zu einem originellen Mittel seine Zuflucht. Er malte sich
eines Tages eine schreckliche Wunde auf die Brust und ließ sich mit
aller Schwere auf den Fußboden des Zimmers fallen, indem er ein
herzzerreißendes Geschrei ausstieß. Seine erschrockene Frau eilt herbei,


8*

Unsere beiden Freunde hatten ihre gegenseitige Bekanntschaft im
Wirthshaus gemacht, wo Brauer seine Amsterdamer Lebensweise
wieder begonnen hatte und unter zerbrochenen Bierkrügen, zerschla¬
genen Köpfen, umgeworfenen Stühlen und unkeuschen Liebesabenteuern
zugleich Stoff und Inspiration für sein Talent suchte und sand.
Craesbeck war geschaffen, um Brauer zu begreifen: und bald wohnte
letzterer bei ihm, indem er ihm versprach, ihm zum Lohn seiner Gast¬
freundschaft Unterricht in seiner Kunst zu ertheilen, für welche der
Bäcker vorzügliche Anlagen hatte.

CraeSbeck nahm diese Bedingungen dankbar an und jeden Mor¬
gen, nachdem er seine Bäckerarbeit vollendet, arbeitete er mit Eifer
als Maler und zwar mir solchem Erfolg, daß er bald seinem Mei¬
ster, wenn auch nicht gleich, doch wenigstens nahe kam. Doch war
sein Strich nie weder so fein, noch so kühn wie der Brauer's und
in seinen Gemälden findet man stets etwas Gemeines, Plumpes,
Anekelndes, das Brauer nie, selbst in den liederlichsten Arbeiten sei¬
nes Talentes nicht, eigen war.

Craesbeck hatte eine sehr hübsche Frau, die anfangs Brauer
lange Zeit Vorwürfe gemacht hatte, er sei Schuld daran, daß ihr
Mann sein Geschäft vernachlässige und lieber schlechte Gemälde
pinsle; endlich aber wurde sie gegen ihren Gast freundlicher gesinnt
und ward ihm zuletzt so gewogen, daß sie alle Drei in voll¬
kommenster Eintracht lebten. Die bösen Zungen jener Zeit behaup¬
teten, Craesbeck theile mit Brauer Haus, Tisch und Frau: und so
abgeneigt wir auch sind, den Todten Böses nachzusagen, eingedenk
des alten Spruches: cle moi tuis nil nisi Iiene, so müssen Wir doch
eingestehen, daß wir uns nicht gut als Kämpen für die Tugend
der Bäckerfrau stellen können.

Das Leben, welches diese beiden Freunde einige Zeit lang führten,
ward endlich so scandalös, daß die Behörden sich darein mischten.
Aus dieser Zeit erzählt man auch folgende Anekdote: Craesbeck,
heißt es, durch das Gerede der Leute argwöhnisch geworden, wollte
sich über die Liebe seiner Gattin zu ihm Gewißheit verschaffen und
nahm zu einem originellen Mittel seine Zuflucht. Er malte sich
eines Tages eine schreckliche Wunde auf die Brust und ließ sich mit
aller Schwere auf den Fußboden des Zimmers fallen, indem er ein
herzzerreißendes Geschrei ausstieß. Seine erschrockene Frau eilt herbei,


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[0123] Unsere beiden Freunde hatten ihre gegenseitige Bekanntschaft im Wirthshaus gemacht, wo Brauer seine Amsterdamer Lebensweise wieder begonnen hatte und unter zerbrochenen Bierkrügen, zerschla¬ genen Köpfen, umgeworfenen Stühlen und unkeuschen Liebesabenteuern zugleich Stoff und Inspiration für sein Talent suchte und sand. Craesbeck war geschaffen, um Brauer zu begreifen: und bald wohnte letzterer bei ihm, indem er ihm versprach, ihm zum Lohn seiner Gast¬ freundschaft Unterricht in seiner Kunst zu ertheilen, für welche der Bäcker vorzügliche Anlagen hatte. CraeSbeck nahm diese Bedingungen dankbar an und jeden Mor¬ gen, nachdem er seine Bäckerarbeit vollendet, arbeitete er mit Eifer als Maler und zwar mir solchem Erfolg, daß er bald seinem Mei¬ ster, wenn auch nicht gleich, doch wenigstens nahe kam. Doch war sein Strich nie weder so fein, noch so kühn wie der Brauer's und in seinen Gemälden findet man stets etwas Gemeines, Plumpes, Anekelndes, das Brauer nie, selbst in den liederlichsten Arbeiten sei¬ nes Talentes nicht, eigen war. Craesbeck hatte eine sehr hübsche Frau, die anfangs Brauer lange Zeit Vorwürfe gemacht hatte, er sei Schuld daran, daß ihr Mann sein Geschäft vernachlässige und lieber schlechte Gemälde pinsle; endlich aber wurde sie gegen ihren Gast freundlicher gesinnt und ward ihm zuletzt so gewogen, daß sie alle Drei in voll¬ kommenster Eintracht lebten. Die bösen Zungen jener Zeit behaup¬ teten, Craesbeck theile mit Brauer Haus, Tisch und Frau: und so abgeneigt wir auch sind, den Todten Böses nachzusagen, eingedenk des alten Spruches: cle moi tuis nil nisi Iiene, so müssen Wir doch eingestehen, daß wir uns nicht gut als Kämpen für die Tugend der Bäckerfrau stellen können. Das Leben, welches diese beiden Freunde einige Zeit lang führten, ward endlich so scandalös, daß die Behörden sich darein mischten. Aus dieser Zeit erzählt man auch folgende Anekdote: Craesbeck, heißt es, durch das Gerede der Leute argwöhnisch geworden, wollte sich über die Liebe seiner Gattin zu ihm Gewißheit verschaffen und nahm zu einem originellen Mittel seine Zuflucht. Er malte sich eines Tages eine schreckliche Wunde auf die Brust und ließ sich mit aller Schwere auf den Fußboden des Zimmers fallen, indem er ein herzzerreißendes Geschrei ausstieß. Seine erschrockene Frau eilt herbei, 8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/123>, abgerufen am 23.07.2024.