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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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der Herzog ganz entzückt davon war und in aller Eile Rubens ru¬
fen ließ, um seine Meinung über das zu hören, was ihm ein Mei¬
sterwerk dünkte.

Kaum hatte Rubens die Augen auf das Gemälde geworfen,
als er entzückt ausrief: Metner Seele! Das ist von Brauer;
er allein vermag dieses Genre mit so viel Kraft und
so viel Schönheit zu malen! Auf die Frage des Herzogs,
wie viel dies Gemälde wohl werth sei, bot Rubens, ohne sich wei¬
ter zu besinnen, 600 Gulden dafür; dem Herzog aber war das
Ganze ein zu seltsames Abenteuer gewesen, als daß er hätte darein¬
willigen mögen, sich eines Meisterwerkes zu entäußern, das ihn an
Brauer und ihrer Beider Gefangenschaft in der Citadelle erinnerte.

Durch Rubens' Einfluß hörte Brauer's Gefangenschaft bald
auf. Rubens machte sich zu seinem Bürgen und führte den Befrei¬
ten aus dem Gefängniß in sein Haus, wo er ihm eine prachtvolle
und reichliche Gastfreundschaft anbot. Aber das Adlige im äußern
Benehmen und die Sittenstrenge, welche Rubens' Charakter aus¬
machten, konnten Brauer nicht zusagen. Gewöhnt an eine zügellose
Freiheit, an ein zwischen fürstlicher Verschwendung und einem jam¬
mervollen Elend abwechselndes Leben, war die geordnete, sestgeregelte
Lebensweise in Rubens' Haus ihm eine lastende Kette, von der er
sich zu befreien eifrig sehnte, um sein freies und tolles Zigeunerleben
wieder zu beginnen. Vergebens predigte ihm Rubens, vergebens
bemühte er sich ihn seinen Kneipenliebschaften und seinen tief in die
Nacht hineingehenden Gelagen zu entreißen: Alles blieb erfolglos.

Müde endlich dieser fortwährenden Ermahnungen verließ Brauer,
für den die edle und würdige Lebensweise Rubens' vielleicht ein na¬
gender Gewissensbiß, ein geheimer Vorwurf war, das Haus seines
edelmüthigen Wirthes; er hatte endlich eine Seele gefunden, welche
die seinige begriff, ein Herz, das zu dem seinigen paßte, wie ein
Schwert zur Scheide. Dieses sein anderes Ich, dessen Mängel und
Vorzüge ganz mit den seinigen übereinstimmten, -- denn bei all
seiner Liederlichkeit verläugnete und verlor Brauer nie seine angebo¬
rene Gutmüthigkeit; darin stimmen alle Zeugnisse seiner Zeitgenossen
überein -- war Craesbeck, ein einfacher, aus Brüssel gebürtiger
Bäcker, der bald, in Folge von Adrian Brauer's Unterricht, einen
ziemlichen Ruf als Maler sich erwarb.


der Herzog ganz entzückt davon war und in aller Eile Rubens ru¬
fen ließ, um seine Meinung über das zu hören, was ihm ein Mei¬
sterwerk dünkte.

Kaum hatte Rubens die Augen auf das Gemälde geworfen,
als er entzückt ausrief: Metner Seele! Das ist von Brauer;
er allein vermag dieses Genre mit so viel Kraft und
so viel Schönheit zu malen! Auf die Frage des Herzogs,
wie viel dies Gemälde wohl werth sei, bot Rubens, ohne sich wei¬
ter zu besinnen, 600 Gulden dafür; dem Herzog aber war das
Ganze ein zu seltsames Abenteuer gewesen, als daß er hätte darein¬
willigen mögen, sich eines Meisterwerkes zu entäußern, das ihn an
Brauer und ihrer Beider Gefangenschaft in der Citadelle erinnerte.

Durch Rubens' Einfluß hörte Brauer's Gefangenschaft bald
auf. Rubens machte sich zu seinem Bürgen und führte den Befrei¬
ten aus dem Gefängniß in sein Haus, wo er ihm eine prachtvolle
und reichliche Gastfreundschaft anbot. Aber das Adlige im äußern
Benehmen und die Sittenstrenge, welche Rubens' Charakter aus¬
machten, konnten Brauer nicht zusagen. Gewöhnt an eine zügellose
Freiheit, an ein zwischen fürstlicher Verschwendung und einem jam¬
mervollen Elend abwechselndes Leben, war die geordnete, sestgeregelte
Lebensweise in Rubens' Haus ihm eine lastende Kette, von der er
sich zu befreien eifrig sehnte, um sein freies und tolles Zigeunerleben
wieder zu beginnen. Vergebens predigte ihm Rubens, vergebens
bemühte er sich ihn seinen Kneipenliebschaften und seinen tief in die
Nacht hineingehenden Gelagen zu entreißen: Alles blieb erfolglos.

Müde endlich dieser fortwährenden Ermahnungen verließ Brauer,
für den die edle und würdige Lebensweise Rubens' vielleicht ein na¬
gender Gewissensbiß, ein geheimer Vorwurf war, das Haus seines
edelmüthigen Wirthes; er hatte endlich eine Seele gefunden, welche
die seinige begriff, ein Herz, das zu dem seinigen paßte, wie ein
Schwert zur Scheide. Dieses sein anderes Ich, dessen Mängel und
Vorzüge ganz mit den seinigen übereinstimmten, — denn bei all
seiner Liederlichkeit verläugnete und verlor Brauer nie seine angebo¬
rene Gutmüthigkeit; darin stimmen alle Zeugnisse seiner Zeitgenossen
überein — war Craesbeck, ein einfacher, aus Brüssel gebürtiger
Bäcker, der bald, in Folge von Adrian Brauer's Unterricht, einen
ziemlichen Ruf als Maler sich erwarb.


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[0122] der Herzog ganz entzückt davon war und in aller Eile Rubens ru¬ fen ließ, um seine Meinung über das zu hören, was ihm ein Mei¬ sterwerk dünkte. Kaum hatte Rubens die Augen auf das Gemälde geworfen, als er entzückt ausrief: Metner Seele! Das ist von Brauer; er allein vermag dieses Genre mit so viel Kraft und so viel Schönheit zu malen! Auf die Frage des Herzogs, wie viel dies Gemälde wohl werth sei, bot Rubens, ohne sich wei¬ ter zu besinnen, 600 Gulden dafür; dem Herzog aber war das Ganze ein zu seltsames Abenteuer gewesen, als daß er hätte darein¬ willigen mögen, sich eines Meisterwerkes zu entäußern, das ihn an Brauer und ihrer Beider Gefangenschaft in der Citadelle erinnerte. Durch Rubens' Einfluß hörte Brauer's Gefangenschaft bald auf. Rubens machte sich zu seinem Bürgen und führte den Befrei¬ ten aus dem Gefängniß in sein Haus, wo er ihm eine prachtvolle und reichliche Gastfreundschaft anbot. Aber das Adlige im äußern Benehmen und die Sittenstrenge, welche Rubens' Charakter aus¬ machten, konnten Brauer nicht zusagen. Gewöhnt an eine zügellose Freiheit, an ein zwischen fürstlicher Verschwendung und einem jam¬ mervollen Elend abwechselndes Leben, war die geordnete, sestgeregelte Lebensweise in Rubens' Haus ihm eine lastende Kette, von der er sich zu befreien eifrig sehnte, um sein freies und tolles Zigeunerleben wieder zu beginnen. Vergebens predigte ihm Rubens, vergebens bemühte er sich ihn seinen Kneipenliebschaften und seinen tief in die Nacht hineingehenden Gelagen zu entreißen: Alles blieb erfolglos. Müde endlich dieser fortwährenden Ermahnungen verließ Brauer, für den die edle und würdige Lebensweise Rubens' vielleicht ein na¬ gender Gewissensbiß, ein geheimer Vorwurf war, das Haus seines edelmüthigen Wirthes; er hatte endlich eine Seele gefunden, welche die seinige begriff, ein Herz, das zu dem seinigen paßte, wie ein Schwert zur Scheide. Dieses sein anderes Ich, dessen Mängel und Vorzüge ganz mit den seinigen übereinstimmten, — denn bei all seiner Liederlichkeit verläugnete und verlor Brauer nie seine angebo¬ rene Gutmüthigkeit; darin stimmen alle Zeugnisse seiner Zeitgenossen überein — war Craesbeck, ein einfacher, aus Brüssel gebürtiger Bäcker, der bald, in Folge von Adrian Brauer's Unterricht, einen ziemlichen Ruf als Maler sich erwarb.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/122>, abgerufen am 23.07.2024.