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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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seiner Jugend selbst die Malerkunst betrieben, und dessen Sohn,
Heinrich van Zomeren für Landschaftsmalerei und Blumenstücke einen
gewissen Ruf genoß, nahm Brauer freundschaftlich auf, indem er
ihm versprach, er werde ihm seine Gemälde zu guten Preisen unter¬
bringen.

Zum ersten Male in seinem Leben fand Brauer in seinen Um¬
gebungen Theilnahme und rücksichtsvolles Benehmen. Gut behan¬
delt, gut gespeist, konnte er nach Belieben arbeiten und sich ganz den
Launen seiner Einbildungskraft hingeben. Van Zomeren, erstaunt
schon über seine unglaubliche Leichtigkeit und über die Wärme seiner
Composition bei kleinen Gegenständen, glaubte, daß so reiche Fähig¬
keiten sich in einem größeren Nahmen nur um so vortheilhafter ent¬
falten würden. Er gab daher Brauer eine Kupferplatte, auf die, er
ihn einen Gegenstand seiner Phantasie zu malen bat.

Brauer, seinen persönlichen Inspirationen überlassen, beendigte
in einigen Tagen ein Gemälde, dessen Gegenstand ein Zank oder,
richtiger gesagt, ein Kampf zwischen Bauern und Soldaten war.
Karten, die auf dem Boden zerstreut umherliegen, zeigten die Ursache
des Zankes an. Man sah einen zu Boden geworfenen Soldaten,
dessen Schädel halb geöffnet worden durch einen Schlag mit einem
zinnernen Bierkrug, den ein wüthender Bauer noch über seinem
Kopfe schwingt. Weiterhin röchelt ein Andrer seinen Todeskampf.
Ein von allen Seiten umringter Soldat wehrt sich, um den Degen
aus der Scheide ziehen zu können, während ein'Bauer mit wilden
Zügen, mit dem Messer in der Faust, sich anschickt, mitten inS
Handgemenge sich zu stürzen. Im Hintergrunde steht man einen
Mann eine Treppe hinabsteigen, mit einer Zange in der Hand, um
dieser Schlächterei ein Ende zu machen. Tisch und Stühle sind um¬
geworfen, die Dienstmädchen fliehen den Tumult.

Van Zomeren, erstaunt über dieses Werk eines jungen Men¬
schen von zwanzig Jahren, erkannte endlich an den Eigenschaften,
die dieses Gemälde auszeichneten, daß Brauer jener unbekannte
Maler war, nach dessen Gemälden alle Liebhaber eine wahre Hetz¬
jagd anstellten. Es war aber in einem noch höheren Grade der
Vollkommenheit dieselbe ungestüme Kraft, derselbe Farbenreichthum,
dieselbe Reinheit der Zeichnung, Vorzüglich aber war der moralische


seiner Jugend selbst die Malerkunst betrieben, und dessen Sohn,
Heinrich van Zomeren für Landschaftsmalerei und Blumenstücke einen
gewissen Ruf genoß, nahm Brauer freundschaftlich auf, indem er
ihm versprach, er werde ihm seine Gemälde zu guten Preisen unter¬
bringen.

Zum ersten Male in seinem Leben fand Brauer in seinen Um¬
gebungen Theilnahme und rücksichtsvolles Benehmen. Gut behan¬
delt, gut gespeist, konnte er nach Belieben arbeiten und sich ganz den
Launen seiner Einbildungskraft hingeben. Van Zomeren, erstaunt
schon über seine unglaubliche Leichtigkeit und über die Wärme seiner
Composition bei kleinen Gegenständen, glaubte, daß so reiche Fähig¬
keiten sich in einem größeren Nahmen nur um so vortheilhafter ent¬
falten würden. Er gab daher Brauer eine Kupferplatte, auf die, er
ihn einen Gegenstand seiner Phantasie zu malen bat.

Brauer, seinen persönlichen Inspirationen überlassen, beendigte
in einigen Tagen ein Gemälde, dessen Gegenstand ein Zank oder,
richtiger gesagt, ein Kampf zwischen Bauern und Soldaten war.
Karten, die auf dem Boden zerstreut umherliegen, zeigten die Ursache
des Zankes an. Man sah einen zu Boden geworfenen Soldaten,
dessen Schädel halb geöffnet worden durch einen Schlag mit einem
zinnernen Bierkrug, den ein wüthender Bauer noch über seinem
Kopfe schwingt. Weiterhin röchelt ein Andrer seinen Todeskampf.
Ein von allen Seiten umringter Soldat wehrt sich, um den Degen
aus der Scheide ziehen zu können, während ein'Bauer mit wilden
Zügen, mit dem Messer in der Faust, sich anschickt, mitten inS
Handgemenge sich zu stürzen. Im Hintergrunde steht man einen
Mann eine Treppe hinabsteigen, mit einer Zange in der Hand, um
dieser Schlächterei ein Ende zu machen. Tisch und Stühle sind um¬
geworfen, die Dienstmädchen fliehen den Tumult.

Van Zomeren, erstaunt über dieses Werk eines jungen Men¬
schen von zwanzig Jahren, erkannte endlich an den Eigenschaften,
die dieses Gemälde auszeichneten, daß Brauer jener unbekannte
Maler war, nach dessen Gemälden alle Liebhaber eine wahre Hetz¬
jagd anstellten. Es war aber in einem noch höheren Grade der
Vollkommenheit dieselbe ungestüme Kraft, derselbe Farbenreichthum,
dieselbe Reinheit der Zeichnung, Vorzüglich aber war der moralische


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[0117] seiner Jugend selbst die Malerkunst betrieben, und dessen Sohn, Heinrich van Zomeren für Landschaftsmalerei und Blumenstücke einen gewissen Ruf genoß, nahm Brauer freundschaftlich auf, indem er ihm versprach, er werde ihm seine Gemälde zu guten Preisen unter¬ bringen. Zum ersten Male in seinem Leben fand Brauer in seinen Um¬ gebungen Theilnahme und rücksichtsvolles Benehmen. Gut behan¬ delt, gut gespeist, konnte er nach Belieben arbeiten und sich ganz den Launen seiner Einbildungskraft hingeben. Van Zomeren, erstaunt schon über seine unglaubliche Leichtigkeit und über die Wärme seiner Composition bei kleinen Gegenständen, glaubte, daß so reiche Fähig¬ keiten sich in einem größeren Nahmen nur um so vortheilhafter ent¬ falten würden. Er gab daher Brauer eine Kupferplatte, auf die, er ihn einen Gegenstand seiner Phantasie zu malen bat. Brauer, seinen persönlichen Inspirationen überlassen, beendigte in einigen Tagen ein Gemälde, dessen Gegenstand ein Zank oder, richtiger gesagt, ein Kampf zwischen Bauern und Soldaten war. Karten, die auf dem Boden zerstreut umherliegen, zeigten die Ursache des Zankes an. Man sah einen zu Boden geworfenen Soldaten, dessen Schädel halb geöffnet worden durch einen Schlag mit einem zinnernen Bierkrug, den ein wüthender Bauer noch über seinem Kopfe schwingt. Weiterhin röchelt ein Andrer seinen Todeskampf. Ein von allen Seiten umringter Soldat wehrt sich, um den Degen aus der Scheide ziehen zu können, während ein'Bauer mit wilden Zügen, mit dem Messer in der Faust, sich anschickt, mitten inS Handgemenge sich zu stürzen. Im Hintergrunde steht man einen Mann eine Treppe hinabsteigen, mit einer Zange in der Hand, um dieser Schlächterei ein Ende zu machen. Tisch und Stühle sind um¬ geworfen, die Dienstmädchen fliehen den Tumult. Van Zomeren, erstaunt über dieses Werk eines jungen Men¬ schen von zwanzig Jahren, erkannte endlich an den Eigenschaften, die dieses Gemälde auszeichneten, daß Brauer jener unbekannte Maler war, nach dessen Gemälden alle Liebhaber eine wahre Hetz¬ jagd anstellten. Es war aber in einem noch höheren Grade der Vollkommenheit dieselbe ungestüme Kraft, derselbe Farbenreichthum, dieselbe Reinheit der Zeichnung, Vorzüglich aber war der moralische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/117>, abgerufen am 23.07.2024.