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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Ausdruck der verschiedenen Leidenschaften, die hier in Thätigkeit ge¬
rathen waren, mit einer merkwürdigen Energie wiedergegeben.

Da sich in Amsterdam das Gerücht verbreitet hatte, daß der
unbekannte Maler, mit dessen Arbeiten Franz Hals bisher
einen Monopolhandel getrieben, diese Stadt bewohne, gelang es
einem Liebhaber, Namens Herr von Vermandois, Brauer zu ent¬
decken. Er ward betroffen von der Originalität der Gruppirung,
von der Kraft des Colorits und vorzüglich von diesem männlich
festen Pinselstrich, der die jugendliche Glut des Künstlers verrieth.
Brauer, dem van Zomeren vorher seine Lection eingelernt hatte, in¬
dem er ihm sagte, es werde ein Liebhaber kommen und mit ihm
um sein Gemälde handeln, wagte es nicht das Wort zu nehmen
und den Preis zu bestimmen. Endlich frug Herr von Verman¬
dois, ob er wohl sein Gemälde für 100 Dukaten abzulassen ge¬
willt wäre. Der Künstler glaubte anfangs, die Ohren klängen
ihm, oder der Käufer wolle sich über ihn lustig machen. Als aber
dieser sein Gebot wiederholte, und Brauer sah, daß ihm van Zomeren
durch Zeichen winkte, anzunehmen, antwortete er verwirrt und ver¬
legen und seinenSchnurrbart drehend: "Dieses Gemälde hätte
ihn viel Arbeit gekostet und die Kupferplatte habe
einen großen Werth" und ähnliche Gründe, die ihm geeignet
schienen, der bedeutenden Summe, die man ihm bot, ein Gegenge¬
wicht zu halten. Endlich stand Herr von Vermandois auf, um
wegzugehen und bat den Künstler, ihn mit seinem Gemälde in seine
Wohnung zu begleiten, wo er ihm den Preis für seine Arbeit in
schönen, neuen Dukaten zustellen würde.

Erst als Brauer seine hundert Dukaten wirklich besaß, entfernte
er die Idee, die er bis dahin gehegt, man wolle sich über ihn lustig
machen. Der Anblick dieser schönen, glänzenden Goldstücke berauschte
ihn völlig. Er glaubte, Potosi's Goldminen ständen ihm nun zu
Gebote. Erst von diesem Augenblick an begriff er sein Talent und
die Zaubergewalt seines Pinsels, der gleich einem Zauberstab alle
irdischen Genüsse ihm verschaffen konnte. Sein Genie war der goldne
Schlüssel, der ihm nun die Thore dieser Freudenwelt weit öffnen
sollte, die er bisher nur im Traume erblickt, von der er bis jetzt
ausgeschlossen gewesen und in der er fortan als Herr und Meister
werde herrschen können. Ihm gehören fortan die Frauen, ihm die


Ausdruck der verschiedenen Leidenschaften, die hier in Thätigkeit ge¬
rathen waren, mit einer merkwürdigen Energie wiedergegeben.

Da sich in Amsterdam das Gerücht verbreitet hatte, daß der
unbekannte Maler, mit dessen Arbeiten Franz Hals bisher
einen Monopolhandel getrieben, diese Stadt bewohne, gelang es
einem Liebhaber, Namens Herr von Vermandois, Brauer zu ent¬
decken. Er ward betroffen von der Originalität der Gruppirung,
von der Kraft des Colorits und vorzüglich von diesem männlich
festen Pinselstrich, der die jugendliche Glut des Künstlers verrieth.
Brauer, dem van Zomeren vorher seine Lection eingelernt hatte, in¬
dem er ihm sagte, es werde ein Liebhaber kommen und mit ihm
um sein Gemälde handeln, wagte es nicht das Wort zu nehmen
und den Preis zu bestimmen. Endlich frug Herr von Verman¬
dois, ob er wohl sein Gemälde für 100 Dukaten abzulassen ge¬
willt wäre. Der Künstler glaubte anfangs, die Ohren klängen
ihm, oder der Käufer wolle sich über ihn lustig machen. Als aber
dieser sein Gebot wiederholte, und Brauer sah, daß ihm van Zomeren
durch Zeichen winkte, anzunehmen, antwortete er verwirrt und ver¬
legen und seinenSchnurrbart drehend: „Dieses Gemälde hätte
ihn viel Arbeit gekostet und die Kupferplatte habe
einen großen Werth" und ähnliche Gründe, die ihm geeignet
schienen, der bedeutenden Summe, die man ihm bot, ein Gegenge¬
wicht zu halten. Endlich stand Herr von Vermandois auf, um
wegzugehen und bat den Künstler, ihn mit seinem Gemälde in seine
Wohnung zu begleiten, wo er ihm den Preis für seine Arbeit in
schönen, neuen Dukaten zustellen würde.

Erst als Brauer seine hundert Dukaten wirklich besaß, entfernte
er die Idee, die er bis dahin gehegt, man wolle sich über ihn lustig
machen. Der Anblick dieser schönen, glänzenden Goldstücke berauschte
ihn völlig. Er glaubte, Potosi's Goldminen ständen ihm nun zu
Gebote. Erst von diesem Augenblick an begriff er sein Talent und
die Zaubergewalt seines Pinsels, der gleich einem Zauberstab alle
irdischen Genüsse ihm verschaffen konnte. Sein Genie war der goldne
Schlüssel, der ihm nun die Thore dieser Freudenwelt weit öffnen
sollte, die er bisher nur im Traume erblickt, von der er bis jetzt
ausgeschlossen gewesen und in der er fortan als Herr und Meister
werde herrschen können. Ihm gehören fortan die Frauen, ihm die


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[0118] Ausdruck der verschiedenen Leidenschaften, die hier in Thätigkeit ge¬ rathen waren, mit einer merkwürdigen Energie wiedergegeben. Da sich in Amsterdam das Gerücht verbreitet hatte, daß der unbekannte Maler, mit dessen Arbeiten Franz Hals bisher einen Monopolhandel getrieben, diese Stadt bewohne, gelang es einem Liebhaber, Namens Herr von Vermandois, Brauer zu ent¬ decken. Er ward betroffen von der Originalität der Gruppirung, von der Kraft des Colorits und vorzüglich von diesem männlich festen Pinselstrich, der die jugendliche Glut des Künstlers verrieth. Brauer, dem van Zomeren vorher seine Lection eingelernt hatte, in¬ dem er ihm sagte, es werde ein Liebhaber kommen und mit ihm um sein Gemälde handeln, wagte es nicht das Wort zu nehmen und den Preis zu bestimmen. Endlich frug Herr von Verman¬ dois, ob er wohl sein Gemälde für 100 Dukaten abzulassen ge¬ willt wäre. Der Künstler glaubte anfangs, die Ohren klängen ihm, oder der Käufer wolle sich über ihn lustig machen. Als aber dieser sein Gebot wiederholte, und Brauer sah, daß ihm van Zomeren durch Zeichen winkte, anzunehmen, antwortete er verwirrt und ver¬ legen und seinenSchnurrbart drehend: „Dieses Gemälde hätte ihn viel Arbeit gekostet und die Kupferplatte habe einen großen Werth" und ähnliche Gründe, die ihm geeignet schienen, der bedeutenden Summe, die man ihm bot, ein Gegenge¬ wicht zu halten. Endlich stand Herr von Vermandois auf, um wegzugehen und bat den Künstler, ihn mit seinem Gemälde in seine Wohnung zu begleiten, wo er ihm den Preis für seine Arbeit in schönen, neuen Dukaten zustellen würde. Erst als Brauer seine hundert Dukaten wirklich besaß, entfernte er die Idee, die er bis dahin gehegt, man wolle sich über ihn lustig machen. Der Anblick dieser schönen, glänzenden Goldstücke berauschte ihn völlig. Er glaubte, Potosi's Goldminen ständen ihm nun zu Gebote. Erst von diesem Augenblick an begriff er sein Talent und die Zaubergewalt seines Pinsels, der gleich einem Zauberstab alle irdischen Genüsse ihm verschaffen konnte. Sein Genie war der goldne Schlüssel, der ihm nun die Thore dieser Freudenwelt weit öffnen sollte, die er bisher nur im Traume erblickt, von der er bis jetzt ausgeschlossen gewesen und in der er fortan als Herr und Meister werde herrschen können. Ihm gehören fortan die Frauen, ihm die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/118>, abgerufen am 23.07.2024.