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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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gedeihen ließ, und die Einsamkeit, in der er lebte, waren die Ur¬
sachen gewesen, die dazu beigetragen, daß er fortwährend Mißtrauen
gegen sich selbst hegte. Man würde ihn-vor Erstaunen außer sich
gebracht haben, wenn man ihm gesagt hätte, er sei zu 17 Jahren
ein großer Künstler, dessen Arbeiten im Kaufpreise denen der be¬
rühmtesten Meister gleichstanden. Er überraschte sich oft selbst in
dem Gedanken, ob wohl seine Arbeiten eine hinreichende Entschädigung
für die Kosten wären, die er Hals verursachte, und dieser, wie man
sich leicht denken kann, verfehlte nicht, ihn in diesem Gedanken zu
bestärken, der für ihn so erfreuliche Früchte trug.

So vergingen wieder drei Monate, während deren Brauer,
besser behandelt, besser gespeist und zufriedenen Herzens, solche Fort¬
schritte machte, daß alle Welt von Hals ein, wenn auch noch so
kleines Gemälde von der Hand seines unbekannten Malers ver¬
langte. Franz nahm die Bestellungen an und hatte den Preis eines
kleinen Stasseletgemäldes auf 100 Dukaten festgesetzt. Aber der
Geiz, der diesen Elenden verblendete, verursachte ihm auch bald
Brauer's Verlust. Denn Ostade und einige andre Schüler, welche
Kenntniß von dem geheimen Handel erhielten, den ihr Meister mit
Brauer's Arbeiten trieb, benachrichtigten diesen davon und bewiesen
ihm, daß sein Talent ihm überall Unabhängigkeit und Vermögen
verschaffen könne; daß es der Gipfel der Feigheit wäre, sich noch
länger so ausbeuten zu lassen, und daß er in Amsterdam, wo sein
Talent bekannt und geschätzt wäre, Beschützer, Freunde und Ruhm
finden würde.

Diese Worte hörte Brauer keineswegs vergebens und, obgleich
ihm immer noch einige Zweifel über seinen Künstler-Werth blieben,
so benutzte er doch eine Abwesenheit seines Meisters, um sich für
immer von dem Orte zu entfernen, wo er so viel gelitten. Dieses
Mal aber cimusirte er sich nicht mehr damit, in Harlem umherzu-
streifen, sondern er begab sich sofort nach Amsterdam, ohne Empfeh¬
lung, ohne alles Gepäck und fast ohne Geld, aber frei, frohen Herzens
und reich an Hoffnungen.

In Amsterdam angekommen, erkundigte er sich nach einem Lieb¬
haber der Malerei, dem er sich empfehlen könnte. Man verwies
ihn an einen gewissen Gastwirth van Zomeren, der den Gasthof
"Zum Wappen von Frankreich" inne hatte. Dieser Mann, der in


gedeihen ließ, und die Einsamkeit, in der er lebte, waren die Ur¬
sachen gewesen, die dazu beigetragen, daß er fortwährend Mißtrauen
gegen sich selbst hegte. Man würde ihn-vor Erstaunen außer sich
gebracht haben, wenn man ihm gesagt hätte, er sei zu 17 Jahren
ein großer Künstler, dessen Arbeiten im Kaufpreise denen der be¬
rühmtesten Meister gleichstanden. Er überraschte sich oft selbst in
dem Gedanken, ob wohl seine Arbeiten eine hinreichende Entschädigung
für die Kosten wären, die er Hals verursachte, und dieser, wie man
sich leicht denken kann, verfehlte nicht, ihn in diesem Gedanken zu
bestärken, der für ihn so erfreuliche Früchte trug.

So vergingen wieder drei Monate, während deren Brauer,
besser behandelt, besser gespeist und zufriedenen Herzens, solche Fort¬
schritte machte, daß alle Welt von Hals ein, wenn auch noch so
kleines Gemälde von der Hand seines unbekannten Malers ver¬
langte. Franz nahm die Bestellungen an und hatte den Preis eines
kleinen Stasseletgemäldes auf 100 Dukaten festgesetzt. Aber der
Geiz, der diesen Elenden verblendete, verursachte ihm auch bald
Brauer's Verlust. Denn Ostade und einige andre Schüler, welche
Kenntniß von dem geheimen Handel erhielten, den ihr Meister mit
Brauer's Arbeiten trieb, benachrichtigten diesen davon und bewiesen
ihm, daß sein Talent ihm überall Unabhängigkeit und Vermögen
verschaffen könne; daß es der Gipfel der Feigheit wäre, sich noch
länger so ausbeuten zu lassen, und daß er in Amsterdam, wo sein
Talent bekannt und geschätzt wäre, Beschützer, Freunde und Ruhm
finden würde.

Diese Worte hörte Brauer keineswegs vergebens und, obgleich
ihm immer noch einige Zweifel über seinen Künstler-Werth blieben,
so benutzte er doch eine Abwesenheit seines Meisters, um sich für
immer von dem Orte zu entfernen, wo er so viel gelitten. Dieses
Mal aber cimusirte er sich nicht mehr damit, in Harlem umherzu-
streifen, sondern er begab sich sofort nach Amsterdam, ohne Empfeh¬
lung, ohne alles Gepäck und fast ohne Geld, aber frei, frohen Herzens
und reich an Hoffnungen.

In Amsterdam angekommen, erkundigte er sich nach einem Lieb¬
haber der Malerei, dem er sich empfehlen könnte. Man verwies
ihn an einen gewissen Gastwirth van Zomeren, der den Gasthof
„Zum Wappen von Frankreich" inne hatte. Dieser Mann, der in


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[0116] gedeihen ließ, und die Einsamkeit, in der er lebte, waren die Ur¬ sachen gewesen, die dazu beigetragen, daß er fortwährend Mißtrauen gegen sich selbst hegte. Man würde ihn-vor Erstaunen außer sich gebracht haben, wenn man ihm gesagt hätte, er sei zu 17 Jahren ein großer Künstler, dessen Arbeiten im Kaufpreise denen der be¬ rühmtesten Meister gleichstanden. Er überraschte sich oft selbst in dem Gedanken, ob wohl seine Arbeiten eine hinreichende Entschädigung für die Kosten wären, die er Hals verursachte, und dieser, wie man sich leicht denken kann, verfehlte nicht, ihn in diesem Gedanken zu bestärken, der für ihn so erfreuliche Früchte trug. So vergingen wieder drei Monate, während deren Brauer, besser behandelt, besser gespeist und zufriedenen Herzens, solche Fort¬ schritte machte, daß alle Welt von Hals ein, wenn auch noch so kleines Gemälde von der Hand seines unbekannten Malers ver¬ langte. Franz nahm die Bestellungen an und hatte den Preis eines kleinen Stasseletgemäldes auf 100 Dukaten festgesetzt. Aber der Geiz, der diesen Elenden verblendete, verursachte ihm auch bald Brauer's Verlust. Denn Ostade und einige andre Schüler, welche Kenntniß von dem geheimen Handel erhielten, den ihr Meister mit Brauer's Arbeiten trieb, benachrichtigten diesen davon und bewiesen ihm, daß sein Talent ihm überall Unabhängigkeit und Vermögen verschaffen könne; daß es der Gipfel der Feigheit wäre, sich noch länger so ausbeuten zu lassen, und daß er in Amsterdam, wo sein Talent bekannt und geschätzt wäre, Beschützer, Freunde und Ruhm finden würde. Diese Worte hörte Brauer keineswegs vergebens und, obgleich ihm immer noch einige Zweifel über seinen Künstler-Werth blieben, so benutzte er doch eine Abwesenheit seines Meisters, um sich für immer von dem Orte zu entfernen, wo er so viel gelitten. Dieses Mal aber cimusirte er sich nicht mehr damit, in Harlem umherzu- streifen, sondern er begab sich sofort nach Amsterdam, ohne Empfeh¬ lung, ohne alles Gepäck und fast ohne Geld, aber frei, frohen Herzens und reich an Hoffnungen. In Amsterdam angekommen, erkundigte er sich nach einem Lieb¬ haber der Malerei, dem er sich empfehlen könnte. Man verwies ihn an einen gewissen Gastwirth van Zomeren, der den Gasthof „Zum Wappen von Frankreich" inne hatte. Dieser Mann, der in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/116>, abgerufen am 23.07.2024.