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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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geschickter Maler; er fragte den jungen Burschen, ob er nicht, an¬
statt weiter Vögel und Blumen zu zeichnen, den Pinsel in die Hand
nehmen und ein großer Maler werden wolle? Der Knabe zögerte
nicht, mit einem lustigen Ja zu antworten.

Franz, welcher die reiche Goldader erkannte, die hier unter ge¬
meinem und grobem Aeußeren lag, suchte Brauer's Mutter auf, der
er die glänzende Zukunft, die einem solchen Genie bevorstehe, mit
hellen Farben ausmalte. Die arme Frau, der es täglich schwerer
fiel, den Bedürfnissen ihres eigenwilligen und launischen Kindes zu
genügen, dessen Schelmenstreiche sie obendrein mit ihren Nachbarn oft
genug in Unannehmlichkeiten verwickelten, nahm HalsenS Anerbie-
tungen freundlich an, um so mehr, als er ihr versprach, er werde
für ihren Sohn Sorge tragen, werde ihn in seiner Kunst unterrich¬
ten und ihn nähren und kleiden.

Leicht an Gepäck, aber reich an jenen frischen und freudigen
Hoffnungen, welche zu 15 Jahren über unserem Dasein wie heitere,
glänzende Vögel dcchinschweben, folgte, nachdem er seine Mutter
umarmt, mit der ihm ein Wiedersehen das Schicksal nicht mehr ver¬
gönnte, Brauer seinem Meister, unter dem ihm die harte LehrlingS-
zeit des Lebens zu bestehen und das bittere Noviziat des Elends
und Hungers durchzumachen bestimmt war. Hals begab sich damals
nach Harlem, wo er sich niederzulassen gedachte.

Nach einigen Monaten schon machte Brauer reißende Fort¬
schritte. Er arbeitete mit einem unerhörten, fast fieberhaften Eifer.
Hals sah bald, daß der Augenblick nahe war, wo er die schöne,"
Früchte dieses jugendlichen, ungewöhnlich frühreifen Talents ernten
konnte; er schloß daher unter dem Verwände, ihm mehr Ruhe zu
lassen und ihn vor Zerstreuungen zu sichern, seinen Schüler in ei¬
nem Söller ein. Der Zweck dieses geizigen und herrschsüchtigen
Menschen aber war, vor Aller Augen die Arbeiten deS jungen
Brauer zu verheimlichen, die ein so eigenthümliches Gepräge und
eine so originelle Färbung an sich trugen, daß er beschloß, dieselben
unter dem Namen eines fremden und geheimnißvollen Meisters, dessen
Gemälde nur er zu erlangen vermöge, dem Publikum darzubieten.

Brauer's Verschwinden aus Franz Halsens Werkstätte, so wie
das plötzliche Erscheinen reizender Gemälde, in denen sich eine bis jetzt


geschickter Maler; er fragte den jungen Burschen, ob er nicht, an¬
statt weiter Vögel und Blumen zu zeichnen, den Pinsel in die Hand
nehmen und ein großer Maler werden wolle? Der Knabe zögerte
nicht, mit einem lustigen Ja zu antworten.

Franz, welcher die reiche Goldader erkannte, die hier unter ge¬
meinem und grobem Aeußeren lag, suchte Brauer's Mutter auf, der
er die glänzende Zukunft, die einem solchen Genie bevorstehe, mit
hellen Farben ausmalte. Die arme Frau, der es täglich schwerer
fiel, den Bedürfnissen ihres eigenwilligen und launischen Kindes zu
genügen, dessen Schelmenstreiche sie obendrein mit ihren Nachbarn oft
genug in Unannehmlichkeiten verwickelten, nahm HalsenS Anerbie-
tungen freundlich an, um so mehr, als er ihr versprach, er werde
für ihren Sohn Sorge tragen, werde ihn in seiner Kunst unterrich¬
ten und ihn nähren und kleiden.

Leicht an Gepäck, aber reich an jenen frischen und freudigen
Hoffnungen, welche zu 15 Jahren über unserem Dasein wie heitere,
glänzende Vögel dcchinschweben, folgte, nachdem er seine Mutter
umarmt, mit der ihm ein Wiedersehen das Schicksal nicht mehr ver¬
gönnte, Brauer seinem Meister, unter dem ihm die harte LehrlingS-
zeit des Lebens zu bestehen und das bittere Noviziat des Elends
und Hungers durchzumachen bestimmt war. Hals begab sich damals
nach Harlem, wo er sich niederzulassen gedachte.

Nach einigen Monaten schon machte Brauer reißende Fort¬
schritte. Er arbeitete mit einem unerhörten, fast fieberhaften Eifer.
Hals sah bald, daß der Augenblick nahe war, wo er die schöne,«
Früchte dieses jugendlichen, ungewöhnlich frühreifen Talents ernten
konnte; er schloß daher unter dem Verwände, ihm mehr Ruhe zu
lassen und ihn vor Zerstreuungen zu sichern, seinen Schüler in ei¬
nem Söller ein. Der Zweck dieses geizigen und herrschsüchtigen
Menschen aber war, vor Aller Augen die Arbeiten deS jungen
Brauer zu verheimlichen, die ein so eigenthümliches Gepräge und
eine so originelle Färbung an sich trugen, daß er beschloß, dieselben
unter dem Namen eines fremden und geheimnißvollen Meisters, dessen
Gemälde nur er zu erlangen vermöge, dem Publikum darzubieten.

Brauer's Verschwinden aus Franz Halsens Werkstätte, so wie
das plötzliche Erscheinen reizender Gemälde, in denen sich eine bis jetzt


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[0111] geschickter Maler; er fragte den jungen Burschen, ob er nicht, an¬ statt weiter Vögel und Blumen zu zeichnen, den Pinsel in die Hand nehmen und ein großer Maler werden wolle? Der Knabe zögerte nicht, mit einem lustigen Ja zu antworten. Franz, welcher die reiche Goldader erkannte, die hier unter ge¬ meinem und grobem Aeußeren lag, suchte Brauer's Mutter auf, der er die glänzende Zukunft, die einem solchen Genie bevorstehe, mit hellen Farben ausmalte. Die arme Frau, der es täglich schwerer fiel, den Bedürfnissen ihres eigenwilligen und launischen Kindes zu genügen, dessen Schelmenstreiche sie obendrein mit ihren Nachbarn oft genug in Unannehmlichkeiten verwickelten, nahm HalsenS Anerbie- tungen freundlich an, um so mehr, als er ihr versprach, er werde für ihren Sohn Sorge tragen, werde ihn in seiner Kunst unterrich¬ ten und ihn nähren und kleiden. Leicht an Gepäck, aber reich an jenen frischen und freudigen Hoffnungen, welche zu 15 Jahren über unserem Dasein wie heitere, glänzende Vögel dcchinschweben, folgte, nachdem er seine Mutter umarmt, mit der ihm ein Wiedersehen das Schicksal nicht mehr ver¬ gönnte, Brauer seinem Meister, unter dem ihm die harte LehrlingS- zeit des Lebens zu bestehen und das bittere Noviziat des Elends und Hungers durchzumachen bestimmt war. Hals begab sich damals nach Harlem, wo er sich niederzulassen gedachte. Nach einigen Monaten schon machte Brauer reißende Fort¬ schritte. Er arbeitete mit einem unerhörten, fast fieberhaften Eifer. Hals sah bald, daß der Augenblick nahe war, wo er die schöne,« Früchte dieses jugendlichen, ungewöhnlich frühreifen Talents ernten konnte; er schloß daher unter dem Verwände, ihm mehr Ruhe zu lassen und ihn vor Zerstreuungen zu sichern, seinen Schüler in ei¬ nem Söller ein. Der Zweck dieses geizigen und herrschsüchtigen Menschen aber war, vor Aller Augen die Arbeiten deS jungen Brauer zu verheimlichen, die ein so eigenthümliches Gepräge und eine so originelle Färbung an sich trugen, daß er beschloß, dieselben unter dem Namen eines fremden und geheimnißvollen Meisters, dessen Gemälde nur er zu erlangen vermöge, dem Publikum darzubieten. Brauer's Verschwinden aus Franz Halsens Werkstätte, so wie das plötzliche Erscheinen reizender Gemälde, in denen sich eine bis jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/111>, abgerufen am 23.07.2024.