Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.als jenen verborgene", geheimnißvollen, inneren Trieb, der nichts Brauer setzte eine Zeit lang diese angenehme und leichte Arbeit Doch eilen wir dem Laufe der Begebenheiten nicht zuvor. -- als jenen verborgene», geheimnißvollen, inneren Trieb, der nichts Brauer setzte eine Zeit lang diese angenehme und leichte Arbeit Doch eilen wir dem Laufe der Begebenheiten nicht zuvor. — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266727"/> <p xml:id="ID_260" prev="#ID_259"> als jenen verborgene», geheimnißvollen, inneren Trieb, der nichts<lb/> anderes ist als das Genie, konnte Brauer sehr bald seinen Spielen<lb/> eine ernsthaftere Bedeutung verleihen. Er verließ die weißen<lb/> Wände, die bisher seine Skizzenbücher gewesen, auf denen er mit<lb/> Kohle alle Launen seiner Phantasie verzeichnete, und begann Blu¬<lb/> men, Laubwerk und Vögel auf Leinwand zu zeichnen, welche seine<lb/> Mutter alsdann stickte. Diese kleine Industrie, deren Erzeugnisse<lb/> an den Bäuerinnen der Umgegend sichere Abnehmerinnen fanden,<lb/> trug dazu bei, daß Brauer's Mutter wenigstens eine Erleichterung<lb/> des Elends fand, das bisher stets mit erdrückender Schwere rauh<lb/> auf ihr gelastet hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_261"> Brauer setzte eine Zeit lang diese angenehme und leichte Arbeit<lb/> fort, in der sich seine eigenthümliche Geistesrichtung, deren wilde<lb/> Lebhaftigkeit durch keinen akademischen Unterricht gemäßigt worden,<lb/> täglich offener kundgab. Seine überströmende Einbildungskraft of¬<lb/> fenbarte sich schon in kleinen Gruppen voll jenes offenherzigen, gut¬<lb/> müthigen und heitern flamändischen Spottes. Seine glühende und<lb/> kräftige Natur, welche, wenn eine moralische und einsichtsvolle Erziehung<lb/> ihr Geschmeidigkeit verliehen und ihre Ecken abgeschliffen hätte, so<lb/> herrliche Früchte getragen haben würde, ward durch die fortwährende<lb/> Berührung der ungeschlachten Sitten, die ihn umgaben, rauh und<lb/> wild. Er nahm üble Gewohnheiten an und verdarb sich dadurch<lb/> seine Einbildungskraft, und, als später sein Genie so glänzend und<lb/> vollständig sich offenbarte, sah der arme Brauer bald ein, daß er aus<lb/> den schönen und rein poetischen Gebieten ausgeschlossen sei, und<lb/> stürzte sich dann ganz und gar in den verschlingenden Strudel eines<lb/> ausschweifenden Lebens, so daß er sein Dasein schon mit 32 Jahren<lb/> endete und Rubens, dem Einzigen, der ihn verstanden und gewür¬<lb/> digt, Thränen über seinen Verlust entlockte.</p><lb/> <p xml:id="ID_262" next="#ID_263"> Doch eilen wir dem Laufe der Begebenheiten nicht zuvor. —<lb/> Brauer zeichnete noch seine Blumen, sein Laubwerk für seine Mul-<lb/> li-r, als eines Tages ein Fremder vor diesem zerlumpten, schmuzigen<lb/> Knaben stehen blieb, der, im hellen Tageslicht sitzend und munter<lb/> singend, reizende, phantastische Gruppen zeichnete. Als der Knabe<lb/> den Fremden erblickte, erhob er sein schelmisches und trotziges Gesicht,<lb/> aus dem ein Blick voll geistiger Kraft hervorleuchtete. Der<lb/> Fremde war Niemand anders als Franz Hals aus Mecheln, ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
als jenen verborgene», geheimnißvollen, inneren Trieb, der nichts
anderes ist als das Genie, konnte Brauer sehr bald seinen Spielen
eine ernsthaftere Bedeutung verleihen. Er verließ die weißen
Wände, die bisher seine Skizzenbücher gewesen, auf denen er mit
Kohle alle Launen seiner Phantasie verzeichnete, und begann Blu¬
men, Laubwerk und Vögel auf Leinwand zu zeichnen, welche seine
Mutter alsdann stickte. Diese kleine Industrie, deren Erzeugnisse
an den Bäuerinnen der Umgegend sichere Abnehmerinnen fanden,
trug dazu bei, daß Brauer's Mutter wenigstens eine Erleichterung
des Elends fand, das bisher stets mit erdrückender Schwere rauh
auf ihr gelastet hatte.
Brauer setzte eine Zeit lang diese angenehme und leichte Arbeit
fort, in der sich seine eigenthümliche Geistesrichtung, deren wilde
Lebhaftigkeit durch keinen akademischen Unterricht gemäßigt worden,
täglich offener kundgab. Seine überströmende Einbildungskraft of¬
fenbarte sich schon in kleinen Gruppen voll jenes offenherzigen, gut¬
müthigen und heitern flamändischen Spottes. Seine glühende und
kräftige Natur, welche, wenn eine moralische und einsichtsvolle Erziehung
ihr Geschmeidigkeit verliehen und ihre Ecken abgeschliffen hätte, so
herrliche Früchte getragen haben würde, ward durch die fortwährende
Berührung der ungeschlachten Sitten, die ihn umgaben, rauh und
wild. Er nahm üble Gewohnheiten an und verdarb sich dadurch
seine Einbildungskraft, und, als später sein Genie so glänzend und
vollständig sich offenbarte, sah der arme Brauer bald ein, daß er aus
den schönen und rein poetischen Gebieten ausgeschlossen sei, und
stürzte sich dann ganz und gar in den verschlingenden Strudel eines
ausschweifenden Lebens, so daß er sein Dasein schon mit 32 Jahren
endete und Rubens, dem Einzigen, der ihn verstanden und gewür¬
digt, Thränen über seinen Verlust entlockte.
Doch eilen wir dem Laufe der Begebenheiten nicht zuvor. —
Brauer zeichnete noch seine Blumen, sein Laubwerk für seine Mul-
li-r, als eines Tages ein Fremder vor diesem zerlumpten, schmuzigen
Knaben stehen blieb, der, im hellen Tageslicht sitzend und munter
singend, reizende, phantastische Gruppen zeichnete. Als der Knabe
den Fremden erblickte, erhob er sein schelmisches und trotziges Gesicht,
aus dem ein Blick voll geistiger Kraft hervorleuchtete. Der
Fremde war Niemand anders als Franz Hals aus Mecheln, ein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |