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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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ab, um in den Stunden der Freiheit seiner Lust den Zügel lassen zu können,
da fliegen die heißen Worte, und manche wilde That, welche die Geschichte auf¬
bewahrt, wurde in solchen Nächten geboren. Auch diesesmal fehlte es nicht an
Brandfachern und Aufwieglern, man sprach von orangistischen Comploten,
und von andern Liebenswürdigkeiten dieses Schlages -- aber die Vorsehnung
wachte in der Gestalt von eingen Tausenden bewaffneter Soldaten, welche in
den Casernen consignirt waren.

Die spät zur Ruhe Gekommenen wurden am Freitage um 8 Uhr durch
die donnernden Schüsse der Festkanonen aus dem besten Schlafe geschreckt,
und im Nu war die Menge wieder auf den Beinen. Es ist schon an und
für sich ein interessantes Schauspiel, die Straßen von Fremden im besten
Putze wimmeln, die Fenster von Schönen auf das Glänzendste ausstaffirt zu
sehen, und so wäre schon Jeder des Andern wegen hergekommen, nun aber
brachte erst der schliche Auszug der zum Wettstreit herbeigezogenen Harmo¬
nien neues Leben in die Scene. Eine Abtheilung der berittenen Leibwache
(Guiden) des Königs, und die weitberühmte Musik der Brüsseler Harmonie¬
gesellschaft, die dießmal, wahrscheinlich aus Artigkeit, nicht mit concurriren
wollte, eröffneten den Zug. Ihnen folgten die fremden Musikvereine, jeder
Verein stattlich geputzt, zum Theil in Uniform; einer, der aus Blankenberghe
bei Brügge, in alterthümlicher, flamändischer Nationaltracht, mit kurzen, ro¬
then Hosen und dreieckigen Hüten. Jede Gesellschaft trug auf einem rothen
Schilde den Namen ihrer Stadt oder Commune, so wie auch ihre Fahne
mit den in frühern Jahren errungenen Medaillen, vor sich her. So gelang¬
ten sie auf den breiten Theaterplatz, wo das erste Gericht über sie gehalten
wurde, indem denjenigen, die das beste, oder originellste Costüm hatten, Me¬
daillen zugetheilt wurden, wobei denn unsere Blankenbergher nicht leer aus¬
gingen; darauf zog man feierlich in den Park. Der Park ist eine, in der Mitte
der Stadt sich befindende, allerliebste Baumanlage, wo die schöne und nicht
schöne Welt alltäglich sich versammelt, und der historisch dadurch merkwür¬
dig wurde, daß hier die bedeutendsten und blutigsten Rcvolutionsscenen zwi¬
schen den Hollandern und dem gereizten Volke vorgefallen waren. Man
hatte das mittlere, dem königlichen Paläste gegenüberliegende, Thor zum Ein¬
züge erkoren; hier standen die Statuen des Lüttichers Gretry, und des be¬
rühmten Componisten Delassus von Mons, zwar etwas roh, aber in schö¬
nen Verhältnissen und edlem Ausdrucke, in gelbem Gyps ausgeführt. Ganz
am andern Ende, aber vom Eingangsthore aus sichtbar, stand der in leich-
ter Bauart und elegantem Geschmacke, von Eisen gegossene, reich vergoldete
und bemalte Kiosk, in welchem eine Gesellschaft nach der andern sich vor
ihren Richtern hören lassen sollte. Die Allee, die dahin führt, war mit

ab, um in den Stunden der Freiheit seiner Lust den Zügel lassen zu können,
da fliegen die heißen Worte, und manche wilde That, welche die Geschichte auf¬
bewahrt, wurde in solchen Nächten geboren. Auch diesesmal fehlte es nicht an
Brandfachern und Aufwieglern, man sprach von orangistischen Comploten,
und von andern Liebenswürdigkeiten dieses Schlages — aber die Vorsehnung
wachte in der Gestalt von eingen Tausenden bewaffneter Soldaten, welche in
den Casernen consignirt waren.

Die spät zur Ruhe Gekommenen wurden am Freitage um 8 Uhr durch
die donnernden Schüsse der Festkanonen aus dem besten Schlafe geschreckt,
und im Nu war die Menge wieder auf den Beinen. Es ist schon an und
für sich ein interessantes Schauspiel, die Straßen von Fremden im besten
Putze wimmeln, die Fenster von Schönen auf das Glänzendste ausstaffirt zu
sehen, und so wäre schon Jeder des Andern wegen hergekommen, nun aber
brachte erst der schliche Auszug der zum Wettstreit herbeigezogenen Harmo¬
nien neues Leben in die Scene. Eine Abtheilung der berittenen Leibwache
(Guiden) des Königs, und die weitberühmte Musik der Brüsseler Harmonie¬
gesellschaft, die dießmal, wahrscheinlich aus Artigkeit, nicht mit concurriren
wollte, eröffneten den Zug. Ihnen folgten die fremden Musikvereine, jeder
Verein stattlich geputzt, zum Theil in Uniform; einer, der aus Blankenberghe
bei Brügge, in alterthümlicher, flamändischer Nationaltracht, mit kurzen, ro¬
then Hosen und dreieckigen Hüten. Jede Gesellschaft trug auf einem rothen
Schilde den Namen ihrer Stadt oder Commune, so wie auch ihre Fahne
mit den in frühern Jahren errungenen Medaillen, vor sich her. So gelang¬
ten sie auf den breiten Theaterplatz, wo das erste Gericht über sie gehalten
wurde, indem denjenigen, die das beste, oder originellste Costüm hatten, Me¬
daillen zugetheilt wurden, wobei denn unsere Blankenbergher nicht leer aus¬
gingen; darauf zog man feierlich in den Park. Der Park ist eine, in der Mitte
der Stadt sich befindende, allerliebste Baumanlage, wo die schöne und nicht
schöne Welt alltäglich sich versammelt, und der historisch dadurch merkwür¬
dig wurde, daß hier die bedeutendsten und blutigsten Rcvolutionsscenen zwi¬
schen den Hollandern und dem gereizten Volke vorgefallen waren. Man
hatte das mittlere, dem königlichen Paläste gegenüberliegende, Thor zum Ein¬
züge erkoren; hier standen die Statuen des Lüttichers Gretry, und des be¬
rühmten Componisten Delassus von Mons, zwar etwas roh, aber in schö¬
nen Verhältnissen und edlem Ausdrucke, in gelbem Gyps ausgeführt. Ganz
am andern Ende, aber vom Eingangsthore aus sichtbar, stand der in leich-
ter Bauart und elegantem Geschmacke, von Eisen gegossene, reich vergoldete
und bemalte Kiosk, in welchem eine Gesellschaft nach der andern sich vor
ihren Richtern hören lassen sollte. Die Allee, die dahin führt, war mit

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[40/0048] ab, um in den Stunden der Freiheit seiner Lust den Zügel lassen zu können, da fliegen die heißen Worte, und manche wilde That, welche die Geschichte auf¬ bewahrt, wurde in solchen Nächten geboren. Auch diesesmal fehlte es nicht an Brandfachern und Aufwieglern, man sprach von orangistischen Comploten, und von andern Liebenswürdigkeiten dieses Schlages — aber die Vorsehnung wachte in der Gestalt von eingen Tausenden bewaffneter Soldaten, welche in den Casernen consignirt waren. Die spät zur Ruhe Gekommenen wurden am Freitage um 8 Uhr durch die donnernden Schüsse der Festkanonen aus dem besten Schlafe geschreckt, und im Nu war die Menge wieder auf den Beinen. Es ist schon an und für sich ein interessantes Schauspiel, die Straßen von Fremden im besten Putze wimmeln, die Fenster von Schönen auf das Glänzendste ausstaffirt zu sehen, und so wäre schon Jeder des Andern wegen hergekommen, nun aber brachte erst der schliche Auszug der zum Wettstreit herbeigezogenen Harmo¬ nien neues Leben in die Scene. Eine Abtheilung der berittenen Leibwache (Guiden) des Königs, und die weitberühmte Musik der Brüsseler Harmonie¬ gesellschaft, die dießmal, wahrscheinlich aus Artigkeit, nicht mit concurriren wollte, eröffneten den Zug. Ihnen folgten die fremden Musikvereine, jeder Verein stattlich geputzt, zum Theil in Uniform; einer, der aus Blankenberghe bei Brügge, in alterthümlicher, flamändischer Nationaltracht, mit kurzen, ro¬ then Hosen und dreieckigen Hüten. Jede Gesellschaft trug auf einem rothen Schilde den Namen ihrer Stadt oder Commune, so wie auch ihre Fahne mit den in frühern Jahren errungenen Medaillen, vor sich her. So gelang¬ ten sie auf den breiten Theaterplatz, wo das erste Gericht über sie gehalten wurde, indem denjenigen, die das beste, oder originellste Costüm hatten, Me¬ daillen zugetheilt wurden, wobei denn unsere Blankenbergher nicht leer aus¬ gingen; darauf zog man feierlich in den Park. Der Park ist eine, in der Mitte der Stadt sich befindende, allerliebste Baumanlage, wo die schöne und nicht schöne Welt alltäglich sich versammelt, und der historisch dadurch merkwür¬ dig wurde, daß hier die bedeutendsten und blutigsten Rcvolutionsscenen zwi¬ schen den Hollandern und dem gereizten Volke vorgefallen waren. Man hatte das mittlere, dem königlichen Paläste gegenüberliegende, Thor zum Ein¬ züge erkoren; hier standen die Statuen des Lüttichers Gretry, und des be¬ rühmten Componisten Delassus von Mons, zwar etwas roh, aber in schö¬ nen Verhältnissen und edlem Ausdrucke, in gelbem Gyps ausgeführt. Ganz am andern Ende, aber vom Eingangsthore aus sichtbar, stand der in leich- ter Bauart und elegantem Geschmacke, von Eisen gegossene, reich vergoldete und bemalte Kiosk, in welchem eine Gesellschaft nach der andern sich vor ihren Richtern hören lassen sollte. Die Allee, die dahin führt, war mit

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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/48>, abgerufen am 02.05.2024.