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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Emporarbeiten der Durcheinandergefallenen ließen bedeutende Verletzungen
ahnen, doch glücklicher Weise kam man mit dem bloßen Schreck davon.

Während das zu Monplaisir vor sich ging, zogen die zum Concurs
angelangten Musikvereine in feierlichem Zuge in die Stadt ein.

Nicht nur jede Stadt in Belgien, sondern jedes nur einigermaßen
bedeutende Dorf, hie und da selbst eine ganz kleine Gemeinde besitzt wenig¬
stens eine Gesellschaft, die sich an bestimmten Tagen versammelt, um in soge¬
nannter türkischer- oder Harmoniemusik verschiedene, aus Opern arrangirte
Stücke, oder Variationen für einzelne Instrumente vorzutragen. Ich will
mich hier nicht auf die Frage einlassen, ob die Anzahl dieser Harmonien auf
wahrhast musikalischen Sinn im Lande schließen läßt, genug, der Anschein ist
wenigstens da und verdient mithin eine Aufmunterung. So waren nun alle
diese Gesellschaften zu einem musikalischen Wettstreite eingeladen, und um das
Herbeikommen zu erleichtern, hatte die Regierung ihnen die Eisenbahn
zu freier Disposition gestellt, dabei noch Preise für die entferntesten, je nach¬
dem sie mit oder ohne Eisenbahn kommen konnten, ausgesetzt. Da für die
Sieger, außer den Lorberkränzen, noch bedeutende Geldpreise ausgesetzt waren,
so läßt sich denken, wie schon seit 5 Monaten des Musizirens fast im ganzen
Lande kein Ende war, so daß am bestimmten Tage über 40 Harmonien, mit der
bestimmten Hoffnung des Siegs, von den Segenswünschen der Ihrigen be¬
gleitet, sich ausmachten, und zum Theil freilich etwas beschmutzt, nichts desto
weniger fröhlich und guten Muthes in die Hauptstadt einzogen. Jede Ge¬
sellschaft spielte ihren Lieblingsmarsch, und obgleich kein allgemeiner Takt
beobachtet werden konnte, und das Ensemble einen infernalischen, höchst un¬
musikalischen Lärm bildete, so gelangte der Zug doch, von unzähliger Volks¬
menge begleitet, von tausend und tausend Neugierigen an allen Fenstern be¬
grüßt, bis in die Mitte der Stadt, von wo aus sich Alle in ihre verschiedenen
Quartiere zerstreuten. Zu gleicher Zeit langten auf der Eisenbahn und den
Diligenzen die Massen der Provinzialen an, die Alle an den Festen einen
mehr oder weniger activen oder passiven Antheil nehmen wollten. Kein Wa¬
genzug bestand aus weniger als 33 Wagen, größtentheils Waggons und
Char-a-banc's, mit 30 Einsitzern, von zwei oder drei Locomotiven gezogen,
und nun erhielt die sonst ohnehin reich bevölkerte Stadt ein neues Ansehen. In
den Hauptstraßen drängten sich die Neugierigen aller Stände, in Wagen
und zu Fuß, in regem Gewühl durch einander, man erfreute sich an der
Pracht der Läden, man traf unvermuthet auf Bekannte ferner Städte, Un¬
bekannte schlossen sich aneinander und freuten sich der maskenartigen Begeg¬
nung. Am Abend wurden die Theater und die Estaminets (Wirthshäuser)
überschwemmt, und es waren eben nicht grade fromme Psalmen die gesungen
wurden. Der Südniederländer findet sich gerne in der Kirche mit seinem Gott

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Emporarbeiten der Durcheinandergefallenen ließen bedeutende Verletzungen
ahnen, doch glücklicher Weise kam man mit dem bloßen Schreck davon.

Während das zu Monplaisir vor sich ging, zogen die zum Concurs
angelangten Musikvereine in feierlichem Zuge in die Stadt ein.

Nicht nur jede Stadt in Belgien, sondern jedes nur einigermaßen
bedeutende Dorf, hie und da selbst eine ganz kleine Gemeinde besitzt wenig¬
stens eine Gesellschaft, die sich an bestimmten Tagen versammelt, um in soge¬
nannter türkischer- oder Harmoniemusik verschiedene, aus Opern arrangirte
Stücke, oder Variationen für einzelne Instrumente vorzutragen. Ich will
mich hier nicht auf die Frage einlassen, ob die Anzahl dieser Harmonien auf
wahrhast musikalischen Sinn im Lande schließen läßt, genug, der Anschein ist
wenigstens da und verdient mithin eine Aufmunterung. So waren nun alle
diese Gesellschaften zu einem musikalischen Wettstreite eingeladen, und um das
Herbeikommen zu erleichtern, hatte die Regierung ihnen die Eisenbahn
zu freier Disposition gestellt, dabei noch Preise für die entferntesten, je nach¬
dem sie mit oder ohne Eisenbahn kommen konnten, ausgesetzt. Da für die
Sieger, außer den Lorberkränzen, noch bedeutende Geldpreise ausgesetzt waren,
so läßt sich denken, wie schon seit 5 Monaten des Musizirens fast im ganzen
Lande kein Ende war, so daß am bestimmten Tage über 40 Harmonien, mit der
bestimmten Hoffnung des Siegs, von den Segenswünschen der Ihrigen be¬
gleitet, sich ausmachten, und zum Theil freilich etwas beschmutzt, nichts desto
weniger fröhlich und guten Muthes in die Hauptstadt einzogen. Jede Ge¬
sellschaft spielte ihren Lieblingsmarsch, und obgleich kein allgemeiner Takt
beobachtet werden konnte, und das Ensemble einen infernalischen, höchst un¬
musikalischen Lärm bildete, so gelangte der Zug doch, von unzähliger Volks¬
menge begleitet, von tausend und tausend Neugierigen an allen Fenstern be¬
grüßt, bis in die Mitte der Stadt, von wo aus sich Alle in ihre verschiedenen
Quartiere zerstreuten. Zu gleicher Zeit langten auf der Eisenbahn und den
Diligenzen die Massen der Provinzialen an, die Alle an den Festen einen
mehr oder weniger activen oder passiven Antheil nehmen wollten. Kein Wa¬
genzug bestand aus weniger als 33 Wagen, größtentheils Waggons und
Char-a-banc's, mit 30 Einsitzern, von zwei oder drei Locomotiven gezogen,
und nun erhielt die sonst ohnehin reich bevölkerte Stadt ein neues Ansehen. In
den Hauptstraßen drängten sich die Neugierigen aller Stände, in Wagen
und zu Fuß, in regem Gewühl durch einander, man erfreute sich an der
Pracht der Läden, man traf unvermuthet auf Bekannte ferner Städte, Un¬
bekannte schlossen sich aneinander und freuten sich der maskenartigen Begeg¬
nung. Am Abend wurden die Theater und die Estaminets (Wirthshäuser)
überschwemmt, und es waren eben nicht grade fromme Psalmen die gesungen
wurden. Der Südniederländer findet sich gerne in der Kirche mit seinem Gott

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[39/0047] Emporarbeiten der Durcheinandergefallenen ließen bedeutende Verletzungen ahnen, doch glücklicher Weise kam man mit dem bloßen Schreck davon. Während das zu Monplaisir vor sich ging, zogen die zum Concurs angelangten Musikvereine in feierlichem Zuge in die Stadt ein. Nicht nur jede Stadt in Belgien, sondern jedes nur einigermaßen bedeutende Dorf, hie und da selbst eine ganz kleine Gemeinde besitzt wenig¬ stens eine Gesellschaft, die sich an bestimmten Tagen versammelt, um in soge¬ nannter türkischer- oder Harmoniemusik verschiedene, aus Opern arrangirte Stücke, oder Variationen für einzelne Instrumente vorzutragen. Ich will mich hier nicht auf die Frage einlassen, ob die Anzahl dieser Harmonien auf wahrhast musikalischen Sinn im Lande schließen läßt, genug, der Anschein ist wenigstens da und verdient mithin eine Aufmunterung. So waren nun alle diese Gesellschaften zu einem musikalischen Wettstreite eingeladen, und um das Herbeikommen zu erleichtern, hatte die Regierung ihnen die Eisenbahn zu freier Disposition gestellt, dabei noch Preise für die entferntesten, je nach¬ dem sie mit oder ohne Eisenbahn kommen konnten, ausgesetzt. Da für die Sieger, außer den Lorberkränzen, noch bedeutende Geldpreise ausgesetzt waren, so läßt sich denken, wie schon seit 5 Monaten des Musizirens fast im ganzen Lande kein Ende war, so daß am bestimmten Tage über 40 Harmonien, mit der bestimmten Hoffnung des Siegs, von den Segenswünschen der Ihrigen be¬ gleitet, sich ausmachten, und zum Theil freilich etwas beschmutzt, nichts desto weniger fröhlich und guten Muthes in die Hauptstadt einzogen. Jede Ge¬ sellschaft spielte ihren Lieblingsmarsch, und obgleich kein allgemeiner Takt beobachtet werden konnte, und das Ensemble einen infernalischen, höchst un¬ musikalischen Lärm bildete, so gelangte der Zug doch, von unzähliger Volks¬ menge begleitet, von tausend und tausend Neugierigen an allen Fenstern be¬ grüßt, bis in die Mitte der Stadt, von wo aus sich Alle in ihre verschiedenen Quartiere zerstreuten. Zu gleicher Zeit langten auf der Eisenbahn und den Diligenzen die Massen der Provinzialen an, die Alle an den Festen einen mehr oder weniger activen oder passiven Antheil nehmen wollten. Kein Wa¬ genzug bestand aus weniger als 33 Wagen, größtentheils Waggons und Char-a-banc's, mit 30 Einsitzern, von zwei oder drei Locomotiven gezogen, und nun erhielt die sonst ohnehin reich bevölkerte Stadt ein neues Ansehen. In den Hauptstraßen drängten sich die Neugierigen aller Stände, in Wagen und zu Fuß, in regem Gewühl durch einander, man erfreute sich an der Pracht der Läden, man traf unvermuthet auf Bekannte ferner Städte, Un¬ bekannte schlossen sich aneinander und freuten sich der maskenartigen Begeg¬ nung. Am Abend wurden die Theater und die Estaminets (Wirthshäuser) überschwemmt, und es waren eben nicht grade fromme Psalmen die gesungen wurden. Der Südniederländer findet sich gerne in der Kirche mit seinem Gott 0 *

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Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/47>, abgerufen am 23.11.2024.