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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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In der That ist überaus wenig Aehnlichkeit zwischen beiden Partituren zu
bemerken. Die Musik des Oberon trägt nicht wie die des Freischützen
den Stempel eines bisweilen wilden und großartigen Charakters, sie ist viel¬
mehr in einem sanften, melancholischen Styl verfaßt, und ist reich an neuen
Wirkungen von einer delikaten und gefälligen Gattung. Ueber mehre Stücke
darin ist eine Färbung von außerordentlicher Originalität verbreitet, allein
in einigen anderen Abtheilungen der Oper ist Schwäche und Monotonie
zu verspüren. Betrachtet man das Ganze der Composition, so muß man
sie unter der des Freischützen erkennen; demungeachtet sind die schönen
Stellen, welche sich in großer Menge darin vorfinden, von einer neuen
und so gefälligen Gattung, daß man nicht in Abrede stellen kann, die
Arbeit sey ganz des Genies Webers würdig. Der einzige Fehler, den man
ihm mit Grund vorwerfen kann, ist der, daß man keine große Entwickelung
irgend einer Form darin antrifft. Die körperlichen Leiden des Künstlers
haben ihre Spuren in seiner Arbeit hinterlassen. Vierundzwanzigmal ward
Oberon unter Weber's unmittelbarer Leitung aufgeführt, er hatte aber keine
Ursache, mit seinen Zuhörern in dem Maaße zufrieden zu sein, wie er und
seine Freunde es sich vorgestellt hatten.

Die zwei Theater Coventgarden und Drurylane sind fast immer in
Opposition gegen einander; wenn eins von beiden etwas unternimmt, um
das Publikum an sich zu locken, gleich wird dies vom Andern nachgeahmt.
Der Direktor des letztbenannten Theaters trug unverweilt dem Componisten
Bishop die Anfertigung einer neuen großen Oper auf, sobald er nur ver¬
nommen hatte, daß Weber seine Partitur des Oberon aus Deutschland
mit sich bringen werde. Bishop, der als Musiker einiges Verdienst hatte,
aber nie im Stande war, etwas zu erfinden, ward zum Nebenbuhler Weber's
erklärt, ungeachtet des himmelweiten Abstandes, der ihn von dem großen
Künstler trennte. Freilich gab ihm seine Eigenschaft als geborner Engländer
einen Vorzug, der dem Verdienste seines Concurrenten die Stange zu halten
vermochte. Acht Tage nach der ersten Vorstellung des Oberon ward Bi-
shop's Oper: Aladin auf der Bühne des Drurylane gegeben; das Stück
hatte einen unermeßlichen Zulauf und erweckte das lebendigste Interesse. Die
Freunde des englischen Musikers machten ihre Sache so gut, daß dieser sich
einbilden konnte, er habe den erlauchten Künstler, dessen würdiger Neben¬
buhler er zu sein glaubte, aus dem Sattel gehoben.

Weber dachte nunmehr nur noch daran, sich seinen fernern Aufenthalt
in London so einträglich als möglich zu machen, ohne jedoch die Erwar¬
tungen weiter zu nähren, welche er mit sich dahin gebracht hatte. Er
beschäftigte sich mit der Organisation eines Concertes zu seinem Benefiz,
welches in der That Statt fand, und in welchem mehrere neue von ihm

In der That ist überaus wenig Aehnlichkeit zwischen beiden Partituren zu
bemerken. Die Musik des Oberon trägt nicht wie die des Freischützen
den Stempel eines bisweilen wilden und großartigen Charakters, sie ist viel¬
mehr in einem sanften, melancholischen Styl verfaßt, und ist reich an neuen
Wirkungen von einer delikaten und gefälligen Gattung. Ueber mehre Stücke
darin ist eine Färbung von außerordentlicher Originalität verbreitet, allein
in einigen anderen Abtheilungen der Oper ist Schwäche und Monotonie
zu verspüren. Betrachtet man das Ganze der Composition, so muß man
sie unter der des Freischützen erkennen; demungeachtet sind die schönen
Stellen, welche sich in großer Menge darin vorfinden, von einer neuen
und so gefälligen Gattung, daß man nicht in Abrede stellen kann, die
Arbeit sey ganz des Genies Webers würdig. Der einzige Fehler, den man
ihm mit Grund vorwerfen kann, ist der, daß man keine große Entwickelung
irgend einer Form darin antrifft. Die körperlichen Leiden des Künstlers
haben ihre Spuren in seiner Arbeit hinterlassen. Vierundzwanzigmal ward
Oberon unter Weber's unmittelbarer Leitung aufgeführt, er hatte aber keine
Ursache, mit seinen Zuhörern in dem Maaße zufrieden zu sein, wie er und
seine Freunde es sich vorgestellt hatten.

Die zwei Theater Coventgarden und Drurylane sind fast immer in
Opposition gegen einander; wenn eins von beiden etwas unternimmt, um
das Publikum an sich zu locken, gleich wird dies vom Andern nachgeahmt.
Der Direktor des letztbenannten Theaters trug unverweilt dem Componisten
Bishop die Anfertigung einer neuen großen Oper auf, sobald er nur ver¬
nommen hatte, daß Weber seine Partitur des Oberon aus Deutschland
mit sich bringen werde. Bishop, der als Musiker einiges Verdienst hatte,
aber nie im Stande war, etwas zu erfinden, ward zum Nebenbuhler Weber's
erklärt, ungeachtet des himmelweiten Abstandes, der ihn von dem großen
Künstler trennte. Freilich gab ihm seine Eigenschaft als geborner Engländer
einen Vorzug, der dem Verdienste seines Concurrenten die Stange zu halten
vermochte. Acht Tage nach der ersten Vorstellung des Oberon ward Bi-
shop's Oper: Aladin auf der Bühne des Drurylane gegeben; das Stück
hatte einen unermeßlichen Zulauf und erweckte das lebendigste Interesse. Die
Freunde des englischen Musikers machten ihre Sache so gut, daß dieser sich
einbilden konnte, er habe den erlauchten Künstler, dessen würdiger Neben¬
buhler er zu sein glaubte, aus dem Sattel gehoben.

Weber dachte nunmehr nur noch daran, sich seinen fernern Aufenthalt
in London so einträglich als möglich zu machen, ohne jedoch die Erwar¬
tungen weiter zu nähren, welche er mit sich dahin gebracht hatte. Er
beschäftigte sich mit der Organisation eines Concertes zu seinem Benefiz,
welches in der That Statt fand, und in welchem mehrere neue von ihm

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[308/0316] In der That ist überaus wenig Aehnlichkeit zwischen beiden Partituren zu bemerken. Die Musik des Oberon trägt nicht wie die des Freischützen den Stempel eines bisweilen wilden und großartigen Charakters, sie ist viel¬ mehr in einem sanften, melancholischen Styl verfaßt, und ist reich an neuen Wirkungen von einer delikaten und gefälligen Gattung. Ueber mehre Stücke darin ist eine Färbung von außerordentlicher Originalität verbreitet, allein in einigen anderen Abtheilungen der Oper ist Schwäche und Monotonie zu verspüren. Betrachtet man das Ganze der Composition, so muß man sie unter der des Freischützen erkennen; demungeachtet sind die schönen Stellen, welche sich in großer Menge darin vorfinden, von einer neuen und so gefälligen Gattung, daß man nicht in Abrede stellen kann, die Arbeit sey ganz des Genies Webers würdig. Der einzige Fehler, den man ihm mit Grund vorwerfen kann, ist der, daß man keine große Entwickelung irgend einer Form darin antrifft. Die körperlichen Leiden des Künstlers haben ihre Spuren in seiner Arbeit hinterlassen. Vierundzwanzigmal ward Oberon unter Weber's unmittelbarer Leitung aufgeführt, er hatte aber keine Ursache, mit seinen Zuhörern in dem Maaße zufrieden zu sein, wie er und seine Freunde es sich vorgestellt hatten. Die zwei Theater Coventgarden und Drurylane sind fast immer in Opposition gegen einander; wenn eins von beiden etwas unternimmt, um das Publikum an sich zu locken, gleich wird dies vom Andern nachgeahmt. Der Direktor des letztbenannten Theaters trug unverweilt dem Componisten Bishop die Anfertigung einer neuen großen Oper auf, sobald er nur ver¬ nommen hatte, daß Weber seine Partitur des Oberon aus Deutschland mit sich bringen werde. Bishop, der als Musiker einiges Verdienst hatte, aber nie im Stande war, etwas zu erfinden, ward zum Nebenbuhler Weber's erklärt, ungeachtet des himmelweiten Abstandes, der ihn von dem großen Künstler trennte. Freilich gab ihm seine Eigenschaft als geborner Engländer einen Vorzug, der dem Verdienste seines Concurrenten die Stange zu halten vermochte. Acht Tage nach der ersten Vorstellung des Oberon ward Bi- shop's Oper: Aladin auf der Bühne des Drurylane gegeben; das Stück hatte einen unermeßlichen Zulauf und erweckte das lebendigste Interesse. Die Freunde des englischen Musikers machten ihre Sache so gut, daß dieser sich einbilden konnte, er habe den erlauchten Künstler, dessen würdiger Neben¬ buhler er zu sein glaubte, aus dem Sattel gehoben. Weber dachte nunmehr nur noch daran, sich seinen fernern Aufenthalt in London so einträglich als möglich zu machen, ohne jedoch die Erwar¬ tungen weiter zu nähren, welche er mit sich dahin gebracht hatte. Er beschäftigte sich mit der Organisation eines Concertes zu seinem Benefiz, welches in der That Statt fand, und in welchem mehrere neue von ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/316>, abgerufen am 18.05.2024.