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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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verfertigte Stücke mit dem günstigsten Erfolg ausgeführt wurden. Dahin¬
gegen hatte sein körperliches Leiden erstaunlich schnell überhand genommen,
und ließ ihm nicht mehr soviel Kraft, weder zu gehen, noch zu sprechen,
so sehr hatte das ungesunde Klima Londons zu seiner Erschöpfung bei¬
getragen. Er wollte sich selbst so gerne über seinen Zustand täuschen.
Der Wunsch, sein Vaterland wieder zu sehen, war für ihn eine um so
größere Qual, als seine Körperschwäche immer zunahm. Er hatte sich
vorgenommen, am 6. Juni eine zu seinem Benefiz gegebene Vorstellung
des Freischützen selbst zu leiten, und Tags darauf London zu verlassen.
Dieser Vorsatz konnte aber nicht zur Ausführung kommen, denn bereits am
5. Juni hatte er aufgehört zu sein. Die angekündigte Vorstellung fand
dennoch Statt zum Benefiz seiner Wittwe und Kinder, welche der geringe
Erfolg seiner Reise nach England in wahrhaft kümmerlichen Umständen
zurückgelassen.

Es gab Leute, welche vorgaben, Weber sei wohlhabend gewesen, seit¬
dem er zu Dresden das doppelte Amt eines Kapellmeisters und eines
Direktors des Theaters bekleidete. Der Verfasser eines vor einigen Jah¬
ren in einer französischen Zeitschrift eingerückten Briefs geht gar so weit,
daß er behauptet, Weber sei während seiner letztern Jahre im Besitze eines
eleganten Wagens und hübschen Gespanns gewesen. Wäre dies der Fall
gewesen, würde Weber sich wohl je dazu entschlossen haben, seine Familie,
seine Freunde zu verlassen, um drei Monate in einer Stadt zuzubringen,
deren Klima seiner Gesundheit tödtlich werden mußte? Schon vor seiner
Abreise war er so leidend, daß er oft seine Arbeiten einstellen mußte; nur
ein großes Interesse vermochte ihn zu überwinden, sich in einem solchen
Zustande zu entfernen. Dies Interesse war das seiner Frau und Kinder.
Es ist allerdings ein großer Abstand zwischen einem ehrenvollen Auskommen
von 1800 Thaler Gehalt und Nothleiden, aber bei Weitem nicht so groß
als der, zwischen diesem Auskommen und der Wohlhabenheit oder gar
brillanten Lage, die er nach jener Behauptung gehabt haben soll. Den
Beweis dafür, daß Weber bei Weitem nicht die vorausgesetzte Wohlhaben¬
heit besaß, mag übrigens der Umstand führen, daß man an vielen Orten
die Nothwendigkeit einsah, mehre Benefiz-Vorstellungen für seine Wittwe
und beide Söhne zu veranstalten.

Wir müssen bei dieser Gelegenheit ein Ereignis erwähnen, das mit einer
Fatalität viele Aehnlichkeit zu haben scheint. Die nämliche Oper Oberon,
welche Weber's Tod beschleunigte und einer Schauspielerin vom Coventgarden-
Theater beinahe ein großes Unglück gebracht hätte, sollte zum ersten Mal
in Dresden zum Vortheile der Familie Weber gegeben werden, als der

verfertigte Stücke mit dem günstigsten Erfolg ausgeführt wurden. Dahin¬
gegen hatte sein körperliches Leiden erstaunlich schnell überhand genommen,
und ließ ihm nicht mehr soviel Kraft, weder zu gehen, noch zu sprechen,
so sehr hatte das ungesunde Klima Londons zu seiner Erschöpfung bei¬
getragen. Er wollte sich selbst so gerne über seinen Zustand täuschen.
Der Wunsch, sein Vaterland wieder zu sehen, war für ihn eine um so
größere Qual, als seine Körperschwäche immer zunahm. Er hatte sich
vorgenommen, am 6. Juni eine zu seinem Benefiz gegebene Vorstellung
des Freischützen selbst zu leiten, und Tags darauf London zu verlassen.
Dieser Vorsatz konnte aber nicht zur Ausführung kommen, denn bereits am
5. Juni hatte er aufgehört zu sein. Die angekündigte Vorstellung fand
dennoch Statt zum Benefiz seiner Wittwe und Kinder, welche der geringe
Erfolg seiner Reise nach England in wahrhaft kümmerlichen Umständen
zurückgelassen.

Es gab Leute, welche vorgaben, Weber sei wohlhabend gewesen, seit¬
dem er zu Dresden das doppelte Amt eines Kapellmeisters und eines
Direktors des Theaters bekleidete. Der Verfasser eines vor einigen Jah¬
ren in einer französischen Zeitschrift eingerückten Briefs geht gar so weit,
daß er behauptet, Weber sei während seiner letztern Jahre im Besitze eines
eleganten Wagens und hübschen Gespanns gewesen. Wäre dies der Fall
gewesen, würde Weber sich wohl je dazu entschlossen haben, seine Familie,
seine Freunde zu verlassen, um drei Monate in einer Stadt zuzubringen,
deren Klima seiner Gesundheit tödtlich werden mußte? Schon vor seiner
Abreise war er so leidend, daß er oft seine Arbeiten einstellen mußte; nur
ein großes Interesse vermochte ihn zu überwinden, sich in einem solchen
Zustande zu entfernen. Dies Interesse war das seiner Frau und Kinder.
Es ist allerdings ein großer Abstand zwischen einem ehrenvollen Auskommen
von 1800 Thaler Gehalt und Nothleiden, aber bei Weitem nicht so groß
als der, zwischen diesem Auskommen und der Wohlhabenheit oder gar
brillanten Lage, die er nach jener Behauptung gehabt haben soll. Den
Beweis dafür, daß Weber bei Weitem nicht die vorausgesetzte Wohlhaben¬
heit besaß, mag übrigens der Umstand führen, daß man an vielen Orten
die Nothwendigkeit einsah, mehre Benefiz-Vorstellungen für seine Wittwe
und beide Söhne zu veranstalten.

Wir müssen bei dieser Gelegenheit ein Ereignis erwähnen, das mit einer
Fatalität viele Aehnlichkeit zu haben scheint. Die nämliche Oper Oberon,
welche Weber's Tod beschleunigte und einer Schauspielerin vom Coventgarden-
Theater beinahe ein großes Unglück gebracht hätte, sollte zum ersten Mal
in Dresden zum Vortheile der Familie Weber gegeben werden, als der

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[309/0317] verfertigte Stücke mit dem günstigsten Erfolg ausgeführt wurden. Dahin¬ gegen hatte sein körperliches Leiden erstaunlich schnell überhand genommen, und ließ ihm nicht mehr soviel Kraft, weder zu gehen, noch zu sprechen, so sehr hatte das ungesunde Klima Londons zu seiner Erschöpfung bei¬ getragen. Er wollte sich selbst so gerne über seinen Zustand täuschen. Der Wunsch, sein Vaterland wieder zu sehen, war für ihn eine um so größere Qual, als seine Körperschwäche immer zunahm. Er hatte sich vorgenommen, am 6. Juni eine zu seinem Benefiz gegebene Vorstellung des Freischützen selbst zu leiten, und Tags darauf London zu verlassen. Dieser Vorsatz konnte aber nicht zur Ausführung kommen, denn bereits am 5. Juni hatte er aufgehört zu sein. Die angekündigte Vorstellung fand dennoch Statt zum Benefiz seiner Wittwe und Kinder, welche der geringe Erfolg seiner Reise nach England in wahrhaft kümmerlichen Umständen zurückgelassen. Es gab Leute, welche vorgaben, Weber sei wohlhabend gewesen, seit¬ dem er zu Dresden das doppelte Amt eines Kapellmeisters und eines Direktors des Theaters bekleidete. Der Verfasser eines vor einigen Jah¬ ren in einer französischen Zeitschrift eingerückten Briefs geht gar so weit, daß er behauptet, Weber sei während seiner letztern Jahre im Besitze eines eleganten Wagens und hübschen Gespanns gewesen. Wäre dies der Fall gewesen, würde Weber sich wohl je dazu entschlossen haben, seine Familie, seine Freunde zu verlassen, um drei Monate in einer Stadt zuzubringen, deren Klima seiner Gesundheit tödtlich werden mußte? Schon vor seiner Abreise war er so leidend, daß er oft seine Arbeiten einstellen mußte; nur ein großes Interesse vermochte ihn zu überwinden, sich in einem solchen Zustande zu entfernen. Dies Interesse war das seiner Frau und Kinder. Es ist allerdings ein großer Abstand zwischen einem ehrenvollen Auskommen von 1800 Thaler Gehalt und Nothleiden, aber bei Weitem nicht so groß als der, zwischen diesem Auskommen und der Wohlhabenheit oder gar brillanten Lage, die er nach jener Behauptung gehabt haben soll. Den Beweis dafür, daß Weber bei Weitem nicht die vorausgesetzte Wohlhaben¬ heit besaß, mag übrigens der Umstand führen, daß man an vielen Orten die Nothwendigkeit einsah, mehre Benefiz-Vorstellungen für seine Wittwe und beide Söhne zu veranstalten. Wir müssen bei dieser Gelegenheit ein Ereignis erwähnen, das mit einer Fatalität viele Aehnlichkeit zu haben scheint. Die nämliche Oper Oberon, welche Weber's Tod beschleunigte und einer Schauspielerin vom Coventgarden- Theater beinahe ein großes Unglück gebracht hätte, sollte zum ersten Mal in Dresden zum Vortheile der Familie Weber gegeben werden, als der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/317>, abgerufen am 24.11.2024.