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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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und Capitalien, die von Holland allein eingezogen worden sind, die ganze
Flotte, einen- Theil des Kriegsmaterials, den ganzen Vortheil erworbener
Studien und Erfahrungen in der Verwaltungswissenschaft, zur Hälfte mit
unserm Gelde bezahlt, daß die holländischen Colonieen durch belgische Waf¬
fen in Ruhe gehalten, zur Hälfte durch belgisches Geld vom Bankerott ge¬
rettet, und gerade im Augenblicke der Trennung beider Nationen von ihren
Krebsschäden geheilt, und kräftig wiederhergestellt worden sind. , Rechnen
wir nur, was es uns gekostet hat, um die äußeren gouvernementalen
Elemente unserer jetzt gesonderten Nationalität uns zu verschaffen, und
um das wenige, was uns noch geblieben war, uns zu erhalten und an¬
zueignen.

"Die Kosten der neuen Ausrüstung der Streitkräfte des Landes, die
neue Organisation der Verwaltungsbureaux, die Unterstützung an so Viele,
die durch die augenblickliche Stockung der Geschäfte Noth litten, die Kosten
der unzähligen Verschleuderungen bei Erfüllung dieser Obliegenheiten in Mit¬
ten der größten Unordnung in den Dingen und der Unerfahrenheit der
Menschen. -- Alle diese Aufgaben sind in den zahlreichen Anlehen, die wir
plötzlich in zwei bis drei Jahren, contrahirt haben, mitbegriffen.....

"In solchem Ruin standen wir. Welche Wege haben wir seitdem ein¬
geschlagen?

"Noch klingt uns das Geschrei des Auslands, hundertmal im Inland
wiederholt, in den Ohren: Was thuet Ihr, Verwegene? Was ist Euer
Beginnen, Ihr Tolltöpfe? Einen König und ein Volk zu beleidigen, dem
zahlreiche Verbündete zur Seite stehn! Wie wollt Ihr, ein Volk ohne Er¬
innerungen, ohne Antecedentien, ohne Erfahrung eine Stelle unter den Völ¬
kern Europa's erobern? Wir ließen uns dadurch nicht einschüchtern, und
gingen entschlossen voran, trotz der düstern Vorbedeutungen, unter welchen
unser neues politisches Schicksal sich eröffnete.

"Man blieb beim Schreien nicht stehen. Unsere Feinde waren beim
Anblicke der wunderbaren Erringung unserer Selbständigkeit nicht lange
erstarrt stehen geblieben, bald dachten sie darauf, uns unzählige Verlegen¬
heiten zu bereiten. Sie streuten Zwietracht aus, und es kam zum Par¬
teienkampfe. Sie sparten kein Gold, und es bildeten sich Verschwörungen.
Sie reizten die Volksvertreter durch immer neue Intriguen und, quälten
unsere Agenten, noch Neulinge in der Diplomatie, mit allen Spitzfindig¬
keiten ihrer Protokolle. Dieses jetzt Lachen erregende Wort zeigt ganz allein,
zu welchen Kleinlichkeiten unsere mächtigen Gegner sich in ihrem halsstarri¬
gen Eifer unser Leben zu ersticken herabließen. Als sie indeß an unserm festen Willen,
selbstständig zu bleiben, nicht mehr zweifeln konnten, änderten sie ihre höl-

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und Capitalien, die von Holland allein eingezogen worden sind, die ganze
Flotte, einen- Theil des Kriegsmaterials, den ganzen Vortheil erworbener
Studien und Erfahrungen in der Verwaltungswissenschaft, zur Hälfte mit
unserm Gelde bezahlt, daß die holländischen Colonieen durch belgische Waf¬
fen in Ruhe gehalten, zur Hälfte durch belgisches Geld vom Bankerott ge¬
rettet, und gerade im Augenblicke der Trennung beider Nationen von ihren
Krebsschäden geheilt, und kräftig wiederhergestellt worden sind. , Rechnen
wir nur, was es uns gekostet hat, um die äußeren gouvernementalen
Elemente unserer jetzt gesonderten Nationalität uns zu verschaffen, und
um das wenige, was uns noch geblieben war, uns zu erhalten und an¬
zueignen.

„Die Kosten der neuen Ausrüstung der Streitkräfte des Landes, die
neue Organisation der Verwaltungsbureaux, die Unterstützung an so Viele,
die durch die augenblickliche Stockung der Geschäfte Noth litten, die Kosten
der unzähligen Verschleuderungen bei Erfüllung dieser Obliegenheiten in Mit¬
ten der größten Unordnung in den Dingen und der Unerfahrenheit der
Menschen. — Alle diese Aufgaben sind in den zahlreichen Anlehen, die wir
plötzlich in zwei bis drei Jahren, contrahirt haben, mitbegriffen.....

„In solchem Ruin standen wir. Welche Wege haben wir seitdem ein¬
geschlagen?

„Noch klingt uns das Geschrei des Auslands, hundertmal im Inland
wiederholt, in den Ohren: Was thuet Ihr, Verwegene? Was ist Euer
Beginnen, Ihr Tolltöpfe? Einen König und ein Volk zu beleidigen, dem
zahlreiche Verbündete zur Seite stehn! Wie wollt Ihr, ein Volk ohne Er¬
innerungen, ohne Antecedentien, ohne Erfahrung eine Stelle unter den Völ¬
kern Europa's erobern? Wir ließen uns dadurch nicht einschüchtern, und
gingen entschlossen voran, trotz der düstern Vorbedeutungen, unter welchen
unser neues politisches Schicksal sich eröffnete.

„Man blieb beim Schreien nicht stehen. Unsere Feinde waren beim
Anblicke der wunderbaren Erringung unserer Selbständigkeit nicht lange
erstarrt stehen geblieben, bald dachten sie darauf, uns unzählige Verlegen¬
heiten zu bereiten. Sie streuten Zwietracht aus, und es kam zum Par¬
teienkampfe. Sie sparten kein Gold, und es bildeten sich Verschwörungen.
Sie reizten die Volksvertreter durch immer neue Intriguen und, quälten
unsere Agenten, noch Neulinge in der Diplomatie, mit allen Spitzfindig¬
keiten ihrer Protokolle. Dieses jetzt Lachen erregende Wort zeigt ganz allein,
zu welchen Kleinlichkeiten unsere mächtigen Gegner sich in ihrem halsstarri¬
gen Eifer unser Leben zu ersticken herabließen. Als sie indeß an unserm festen Willen,
selbstständig zu bleiben, nicht mehr zweifeln konnten, änderten sie ihre höl-

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[261/0269] und Capitalien, die von Holland allein eingezogen worden sind, die ganze Flotte, einen- Theil des Kriegsmaterials, den ganzen Vortheil erworbener Studien und Erfahrungen in der Verwaltungswissenschaft, zur Hälfte mit unserm Gelde bezahlt, daß die holländischen Colonieen durch belgische Waf¬ fen in Ruhe gehalten, zur Hälfte durch belgisches Geld vom Bankerott ge¬ rettet, und gerade im Augenblicke der Trennung beider Nationen von ihren Krebsschäden geheilt, und kräftig wiederhergestellt worden sind. , Rechnen wir nur, was es uns gekostet hat, um die äußeren gouvernementalen Elemente unserer jetzt gesonderten Nationalität uns zu verschaffen, und um das wenige, was uns noch geblieben war, uns zu erhalten und an¬ zueignen. „Die Kosten der neuen Ausrüstung der Streitkräfte des Landes, die neue Organisation der Verwaltungsbureaux, die Unterstützung an so Viele, die durch die augenblickliche Stockung der Geschäfte Noth litten, die Kosten der unzähligen Verschleuderungen bei Erfüllung dieser Obliegenheiten in Mit¬ ten der größten Unordnung in den Dingen und der Unerfahrenheit der Menschen. — Alle diese Aufgaben sind in den zahlreichen Anlehen, die wir plötzlich in zwei bis drei Jahren, contrahirt haben, mitbegriffen..... „In solchem Ruin standen wir. Welche Wege haben wir seitdem ein¬ geschlagen? „Noch klingt uns das Geschrei des Auslands, hundertmal im Inland wiederholt, in den Ohren: Was thuet Ihr, Verwegene? Was ist Euer Beginnen, Ihr Tolltöpfe? Einen König und ein Volk zu beleidigen, dem zahlreiche Verbündete zur Seite stehn! Wie wollt Ihr, ein Volk ohne Er¬ innerungen, ohne Antecedentien, ohne Erfahrung eine Stelle unter den Völ¬ kern Europa's erobern? Wir ließen uns dadurch nicht einschüchtern, und gingen entschlossen voran, trotz der düstern Vorbedeutungen, unter welchen unser neues politisches Schicksal sich eröffnete. „Man blieb beim Schreien nicht stehen. Unsere Feinde waren beim Anblicke der wunderbaren Erringung unserer Selbständigkeit nicht lange erstarrt stehen geblieben, bald dachten sie darauf, uns unzählige Verlegen¬ heiten zu bereiten. Sie streuten Zwietracht aus, und es kam zum Par¬ teienkampfe. Sie sparten kein Gold, und es bildeten sich Verschwörungen. Sie reizten die Volksvertreter durch immer neue Intriguen und, quälten unsere Agenten, noch Neulinge in der Diplomatie, mit allen Spitzfindig¬ keiten ihrer Protokolle. Dieses jetzt Lachen erregende Wort zeigt ganz allein, zu welchen Kleinlichkeiten unsere mächtigen Gegner sich in ihrem halsstarri¬ gen Eifer unser Leben zu ersticken herabließen. Als sie indeß an unserm festen Willen, selbstständig zu bleiben, nicht mehr zweifeln konnten, änderten sie ihre höl- 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/269>, abgerufen am 23.11.2024.