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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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dernisse immer neu aus der Asche erstehen. Im Herbste 1833 fuhr ich auf
dem Genfersee. Ein Genfer stieß seinen Nachbar mit dem Ellbogen und
sagte, indem er mich vom Kopf bis zu den Zehen maß: "Diese Race er¬
steht wieder aus ihrer Asche." Er wußte nicht, daß die Auferstehung das
deutlichste Zeichen der Göttlichkeit ist, und daß Christus seinen Schülern
dieses Zeichen als das höchste und letzte Zeichen der Wahrheit seiner Offen¬
barung gegeben hat. Nichts hat gelebt, was nicht in einem gewissen Grade
wahr, natürlich und nützlich gewesen ist. Aber nichts lebt wieder auf, als
was nothwendig ist, und in sich selbst die Bedingungen der Unsterblichkeit
hat. Der Tod ist ein zu jäher Abgrund, als daß der wieder daraus er¬
steigen könnte, der nicht unsterblich ist. Und wir sind wieder erstanden,
wir Mönche, Nonnen, Brüder und Schwestern jedes Namens. Wir be¬
decken wieder diesen Boden, aus dem wir vor 50 Jahren vertrieben wor¬
den sind, durch eine Zeit, die außerordentlich merkwürdig im Umstürzen
war. Umsonst, wir sind wieder da, wie die Erndte, die ein durch den
Pflug aufgerütteltes Land bedeckt, in welches der Wind Gottes seinen
Samen geworfen hat. Wir sagen dieß ohne Stolz. Stolz ist nicht das
Gefühl des Wanderers, der in sein Vaterland zurückkehrt und der an der
Thüre klopft um Einlaß zu begehren. Wir sind wiedergekommen, weil
wir nicht anders konnten, wir sind unschuldig an unserer Unsterblichkeit,
wie die Eichel am Fuße des abgestorbenen Baumes unschuldig ist an der
Kraft, wodurch sie gen Himmel getrieben wird. Nicht Gold noch Silber
hat uns erweckt, sondern der geistige Keim, der durch die Hand des
Schöpfers in die Welt gelegt worden ist und der eben so unzerstörbar ist,
wie die physischen Keime."

"Was nun antworten auf die Frage, warum einer unschuldigen Men¬
schenklasse gewehrt wird, dem Antrieb ihres Herzens zu folgen, einer Men¬
schenklasse die in die gesellschaftliche Thätigkeit keine andere Concurrenz einführt,
als die einer größeren Aufopferungsfähigkeit? Darauf weiß ich nur eine
Antwort. Sie lautet: "Es ist wahr, was ihr uns vorwerft ist die
größte Ungerechtigkeit und ein offenbarer socialer Widerspruch. Aber wir
sind Eurer Glaubenslehre Feind, und sie ist uns zu mächtig, als daß wir
sie mit gleichen Waffen bekämpfen könnten. Ihr schöpft in Eurem Glau¬
ben eine so große Selbstverläugnung, daß wir Weltleute, die wir verhei-
rathet, ehrgeizig und ohne Zukunft sind, weil die Gegenwart uns überwäl¬
tigt, Euch die Obergewalt nicht abstreiten können. Doch müssen wir Euch
besiegen, weil wir Euch hassen. Wir brauchen gegen Euch nicht Stahl
und Feuer, aber wir stellen Euch durch das Gesetz außerhalb des Gesetzes.
Wir machen, daß Eure Hingebung wie ein gefährliches Privilegium betrachtet
werde, wovon man den Staat durch einen Ostracismus reinigen muß.

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dernisse immer neu aus der Asche erstehen. Im Herbste 1833 fuhr ich auf
dem Genfersee. Ein Genfer stieß seinen Nachbar mit dem Ellbogen und
sagte, indem er mich vom Kopf bis zu den Zehen maß: „Diese Race er¬
steht wieder aus ihrer Asche.“ Er wußte nicht, daß die Auferstehung das
deutlichste Zeichen der Göttlichkeit ist, und daß Christus seinen Schülern
dieses Zeichen als das höchste und letzte Zeichen der Wahrheit seiner Offen¬
barung gegeben hat. Nichts hat gelebt, was nicht in einem gewissen Grade
wahr, natürlich und nützlich gewesen ist. Aber nichts lebt wieder auf, als
was nothwendig ist, und in sich selbst die Bedingungen der Unsterblichkeit
hat. Der Tod ist ein zu jäher Abgrund, als daß der wieder daraus er¬
steigen könnte, der nicht unsterblich ist. Und wir sind wieder erstanden,
wir Mönche, Nonnen, Brüder und Schwestern jedes Namens. Wir be¬
decken wieder diesen Boden, aus dem wir vor 50 Jahren vertrieben wor¬
den sind, durch eine Zeit, die außerordentlich merkwürdig im Umstürzen
war. Umsonst, wir sind wieder da, wie die Erndte, die ein durch den
Pflug aufgerütteltes Land bedeckt, in welches der Wind Gottes seinen
Samen geworfen hat. Wir sagen dieß ohne Stolz. Stolz ist nicht das
Gefühl des Wanderers, der in sein Vaterland zurückkehrt und der an der
Thüre klopft um Einlaß zu begehren. Wir sind wiedergekommen, weil
wir nicht anders konnten, wir sind unschuldig an unserer Unsterblichkeit,
wie die Eichel am Fuße des abgestorbenen Baumes unschuldig ist an der
Kraft, wodurch sie gen Himmel getrieben wird. Nicht Gold noch Silber
hat uns erweckt, sondern der geistige Keim, der durch die Hand des
Schöpfers in die Welt gelegt worden ist und der eben so unzerstörbar ist,
wie die physischen Keime.“

„Was nun antworten auf die Frage, warum einer unschuldigen Men¬
schenklasse gewehrt wird, dem Antrieb ihres Herzens zu folgen, einer Men¬
schenklasse die in die gesellschaftliche Thätigkeit keine andere Concurrenz einführt,
als die einer größeren Aufopferungsfähigkeit? Darauf weiß ich nur eine
Antwort. Sie lautet: „Es ist wahr, was ihr uns vorwerft ist die
größte Ungerechtigkeit und ein offenbarer socialer Widerspruch. Aber wir
sind Eurer Glaubenslehre Feind, und sie ist uns zu mächtig, als daß wir
sie mit gleichen Waffen bekämpfen könnten. Ihr schöpft in Eurem Glau¬
ben eine so große Selbstverläugnung, daß wir Weltleute, die wir verhei-
rathet, ehrgeizig und ohne Zukunft sind, weil die Gegenwart uns überwäl¬
tigt, Euch die Obergewalt nicht abstreiten können. Doch müssen wir Euch
besiegen, weil wir Euch hassen. Wir brauchen gegen Euch nicht Stahl
und Feuer, aber wir stellen Euch durch das Gesetz außerhalb des Gesetzes.
Wir machen, daß Eure Hingebung wie ein gefährliches Privilegium betrachtet
werde, wovon man den Staat durch einen Ostracismus reinigen muß.

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[149/0157] dernisse immer neu aus der Asche erstehen. Im Herbste 1833 fuhr ich auf dem Genfersee. Ein Genfer stieß seinen Nachbar mit dem Ellbogen und sagte, indem er mich vom Kopf bis zu den Zehen maß: „Diese Race er¬ steht wieder aus ihrer Asche.“ Er wußte nicht, daß die Auferstehung das deutlichste Zeichen der Göttlichkeit ist, und daß Christus seinen Schülern dieses Zeichen als das höchste und letzte Zeichen der Wahrheit seiner Offen¬ barung gegeben hat. Nichts hat gelebt, was nicht in einem gewissen Grade wahr, natürlich und nützlich gewesen ist. Aber nichts lebt wieder auf, als was nothwendig ist, und in sich selbst die Bedingungen der Unsterblichkeit hat. Der Tod ist ein zu jäher Abgrund, als daß der wieder daraus er¬ steigen könnte, der nicht unsterblich ist. Und wir sind wieder erstanden, wir Mönche, Nonnen, Brüder und Schwestern jedes Namens. Wir be¬ decken wieder diesen Boden, aus dem wir vor 50 Jahren vertrieben wor¬ den sind, durch eine Zeit, die außerordentlich merkwürdig im Umstürzen war. Umsonst, wir sind wieder da, wie die Erndte, die ein durch den Pflug aufgerütteltes Land bedeckt, in welches der Wind Gottes seinen Samen geworfen hat. Wir sagen dieß ohne Stolz. Stolz ist nicht das Gefühl des Wanderers, der in sein Vaterland zurückkehrt und der an der Thüre klopft um Einlaß zu begehren. Wir sind wiedergekommen, weil wir nicht anders konnten, wir sind unschuldig an unserer Unsterblichkeit, wie die Eichel am Fuße des abgestorbenen Baumes unschuldig ist an der Kraft, wodurch sie gen Himmel getrieben wird. Nicht Gold noch Silber hat uns erweckt, sondern der geistige Keim, der durch die Hand des Schöpfers in die Welt gelegt worden ist und der eben so unzerstörbar ist, wie die physischen Keime.“ „Was nun antworten auf die Frage, warum einer unschuldigen Men¬ schenklasse gewehrt wird, dem Antrieb ihres Herzens zu folgen, einer Men¬ schenklasse die in die gesellschaftliche Thätigkeit keine andere Concurrenz einführt, als die einer größeren Aufopferungsfähigkeit? Darauf weiß ich nur eine Antwort. Sie lautet: „Es ist wahr, was ihr uns vorwerft ist die größte Ungerechtigkeit und ein offenbarer socialer Widerspruch. Aber wir sind Eurer Glaubenslehre Feind, und sie ist uns zu mächtig, als daß wir sie mit gleichen Waffen bekämpfen könnten. Ihr schöpft in Eurem Glau¬ ben eine so große Selbstverläugnung, daß wir Weltleute, die wir verhei- rathet, ehrgeizig und ohne Zukunft sind, weil die Gegenwart uns überwäl¬ tigt, Euch die Obergewalt nicht abstreiten können. Doch müssen wir Euch besiegen, weil wir Euch hassen. Wir brauchen gegen Euch nicht Stahl und Feuer, aber wir stellen Euch durch das Gesetz außerhalb des Gesetzes. Wir machen, daß Eure Hingebung wie ein gefährliches Privilegium betrachtet werde, wovon man den Staat durch einen Ostracismus reinigen muß. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/157>, abgerufen am 24.11.2024.