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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

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§ 78 Proportion in der Geometrie.
selben Streckenpaare proportionirt sind; denn sind sie es mit Einem
solchen, so sind sie es nach dem vorigen § auch mit jedem andern,
welches dem vorherangenommenen selbst proportionirt ist. Es gilt
somit, wenn wir diese Definition noch zu Hülfe nehmen, allgemein
der Satz, dass zwei Streckenpaare, welche einem und demselben
Streckenpaare proportionirt sind, es auch unter einander sein müs-
sen. Somit können wir auch die Proportion, wie wir ihren Begriff
geometrisch bestimmten, in der That als Gleichheit zweier Aus-
drücke darstellen, deren jeden wir ein Verhältniss nennen. Geome-
trisch sagt dies Resultat, indem man die proportionirten Strecken
an Einen Punkt anlegt, zunächst nur aus, dass wenn die Ecken ei-
nes Dreiecks oder überhaupt eines Vielecks sich in geraden Linien
bewegen, die durch Einen Punkt gehen, und die übrigen Seiten da-
bei sich parallel bleiben, auch die letzte sich parallel bleiben müsse,
und eben so jede Diagonale. Oder betrachtet man dies sich än-
dernde Vieleck in zweien seiner Zustände, so hat man den Satz:
"Wenn die geraden Linien, welche die entsprechenden Ecken zweier
Vielecke von gleicher Seitenzahl verbinden, durch Einen Punkt ge-
hen, und alle entsprechenden Seitenpaare bis auf eines parallel
sind, auch dies eine Paar parallel sein müsse." Jene Vielecke heis-
sen dann bekanntlich "ähnlich und ähnlich liegend," jener Eine
Punkt ihr "Aehnlichkeitspunkt." Umgekehrt ergiebt sich, dass zwei
Dreiecke, welche parallele Seiten haben, auch ähnlich und ähnlich
liegend sind, oder dass die geraden Linien, welche ihre entspre-
chenden Ecken verbinden, durch Einen Punkt gehen. Hieraus wie-
der folgt, dass in ähnlichen und ähnlich liegenden Figuren die
Durchschnittspunkte zweier entsprechender Diagonalenpaare mit dem
Aehnlichkeitspunkte in Einer g. L. liegen und überhaupt, dass, wenn
man die Verbindungslinien entsprechender Punktenpaare und eben-
so die Durchschnittspunkte entsprechender Linienpaare als entspre-
chend setzt, dann jedesmal in ähnlichen und ähnlich liegenden Fi-
guren je zwei entsprechende Punkte mit dem Aehnlichkeitspunkte
in gerader Linie liegen, je zwei entsprechende Linien aber parallel
sind. Hiermit sind dann die Sätze für die Aehnlichkeit, so weit
man sie auf dieser Stufe (ohne den Begriff der Länge aufzunehmen)
ableiten kann, entwickelt, und überall auf dem Begriff des Aehn-
lichkeitspunktes basirt. Es ist aber auch leicht abzusehen, wie

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§ 78 Proportion in der Geometrie.
selben Streckenpaare proportionirt sind; denn sind sie es mit Einem
solchen, so sind sie es nach dem vorigen § auch mit jedem andern,
welches dem vorherangenommenen selbst proportionirt ist. Es gilt
somit, wenn wir diese Definition noch zu Hülfe nehmen, allgemein
der Satz, dass zwei Streckenpaare, welche einem und demselben
Streckenpaare proportionirt sind, es auch unter einander sein müs-
sen. Somit können wir auch die Proportion, wie wir ihren Begriff
geometrisch bestimmten, in der That als Gleichheit zweier Aus-
drücke darstellen, deren jeden wir ein Verhältniss nennen. Geome-
trisch sagt dies Resultat, indem man die proportionirten Strecken
an Einen Punkt anlegt, zunächst nur aus, dass wenn die Ecken ei-
nes Dreiecks oder überhaupt eines Vielecks sich in geraden Linien
bewegen, die durch Einen Punkt gehen, und die übrigen Seiten da-
bei sich parallel bleiben, auch die letzte sich parallel bleiben müsse,
und eben so jede Diagonale. Oder betrachtet man dies sich än-
dernde Vieleck in zweien seiner Zustände, so hat man den Satz:
„Wenn die geraden Linien, welche die entsprechenden Ecken zweier
Vielecke von gleicher Seitenzahl verbinden, durch Einen Punkt ge-
hen, und alle entsprechenden Seitenpaare bis auf eines parallel
sind, auch dies eine Paar parallel sein müsse.“ Jene Vielecke heis-
sen dann bekanntlich „ähnlich und ähnlich liegend,“ jener Eine
Punkt ihr „Aehnlichkeitspunkt.“ Umgekehrt ergiebt sich, dass zwei
Dreiecke, welche parallele Seiten haben, auch ähnlich und ähnlich
liegend sind, oder dass die geraden Linien, welche ihre entspre-
chenden Ecken verbinden, durch Einen Punkt gehen. Hieraus wie-
der folgt, dass in ähnlichen und ähnlich liegenden Figuren die
Durchschnittspunkte zweier entsprechender Diagonalenpaare mit dem
Aehnlichkeitspunkte in Einer g. L. liegen und überhaupt, dass, wenn
man die Verbindungslinien entsprechender Punktenpaare und eben-
so die Durchschnittspunkte entsprechender Linienpaare als entspre-
chend setzt, dann jedesmal in ähnlichen und ähnlich liegenden Fi-
guren je zwei entsprechende Punkte mit dem Aehnlichkeitspunkte
in gerader Linie liegen, je zwei entsprechende Linien aber parallel
sind. Hiermit sind dann die Sätze für die Aehnlichkeit, so weit
man sie auf dieser Stufe (ohne den Begriff der Länge aufzunehmen)
ableiten kann, entwickelt, und überall auf dem Begriff des Aehn-
lichkeitspunktes basirt. Es ist aber auch leicht abzusehen, wie

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[113/0149] § 78 Proportion in der Geometrie. selben Streckenpaare proportionirt sind; denn sind sie es mit Einem solchen, so sind sie es nach dem vorigen § auch mit jedem andern, welches dem vorherangenommenen selbst proportionirt ist. Es gilt somit, wenn wir diese Definition noch zu Hülfe nehmen, allgemein der Satz, dass zwei Streckenpaare, welche einem und demselben Streckenpaare proportionirt sind, es auch unter einander sein müs- sen. Somit können wir auch die Proportion, wie wir ihren Begriff geometrisch bestimmten, in der That als Gleichheit zweier Aus- drücke darstellen, deren jeden wir ein Verhältniss nennen. Geome- trisch sagt dies Resultat, indem man die proportionirten Strecken an Einen Punkt anlegt, zunächst nur aus, dass wenn die Ecken ei- nes Dreiecks oder überhaupt eines Vielecks sich in geraden Linien bewegen, die durch Einen Punkt gehen, und die übrigen Seiten da- bei sich parallel bleiben, auch die letzte sich parallel bleiben müsse, und eben so jede Diagonale. Oder betrachtet man dies sich än- dernde Vieleck in zweien seiner Zustände, so hat man den Satz: „Wenn die geraden Linien, welche die entsprechenden Ecken zweier Vielecke von gleicher Seitenzahl verbinden, durch Einen Punkt ge- hen, und alle entsprechenden Seitenpaare bis auf eines parallel sind, auch dies eine Paar parallel sein müsse.“ Jene Vielecke heis- sen dann bekanntlich „ähnlich und ähnlich liegend,“ jener Eine Punkt ihr „Aehnlichkeitspunkt.“ Umgekehrt ergiebt sich, dass zwei Dreiecke, welche parallele Seiten haben, auch ähnlich und ähnlich liegend sind, oder dass die geraden Linien, welche ihre entspre- chenden Ecken verbinden, durch Einen Punkt gehen. Hieraus wie- der folgt, dass in ähnlichen und ähnlich liegenden Figuren die Durchschnittspunkte zweier entsprechender Diagonalenpaare mit dem Aehnlichkeitspunkte in Einer g. L. liegen und überhaupt, dass, wenn man die Verbindungslinien entsprechender Punktenpaare und eben- so die Durchschnittspunkte entsprechender Linienpaare als entspre- chend setzt, dann jedesmal in ähnlichen und ähnlich liegenden Fi- guren je zwei entsprechende Punkte mit dem Aehnlichkeitspunkte in gerader Linie liegen, je zwei entsprechende Linien aber parallel sind. Hiermit sind dann die Sätze für die Aehnlichkeit, so weit man sie auf dieser Stufe (ohne den Begriff der Länge aufzunehmen) ableiten kann, entwickelt, und überall auf dem Begriff des Aehn- lichkeitspunktes basirt. Es ist aber auch leicht abzusehen, wie 8

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Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/149>, abgerufen am 28.04.2024.