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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Des II Theils VII Capitel


Von was vor einer edlen Art,
Du Freund, in deiner Jugend zart,
Jn Zittau, der berühmten Stadt,
Die wenig ihres gleichen hat,
Gewesen seyst, an Witz und Fleiß,
Das schweig ich hier, weil ichs nicht weiß.
Es wissens aber alle die,
So dich daselbst offt spät und früh,
Auf freye Künste hübsch und fein,
So gut sie da zu haben seyn,
Gantz eifrig und erpicht gesehn,
Und dieses ist gewiß geschehn.
Jch dencke nur an das allein,
Wie dich der liebe Vater dein,
Jn früher Kindheit unterwies,
Biß er dich in die Fremde ließ.
O Freund! hier wallt mir Hertz und Muth,
Dieweil auch mich mein Vater gut,
Von Jugend auf, wie sichs gehört,
Manch Kunst und Wissenschafft gelehrt,
So, daß wir beyde lobesan,
Ein gleiches Glück genossen han.
Und daher kam nun dein Verstand,
Der schon in früher Zeit erkannt,
Man habe von Natur Vernunfft,
Und dörfe der Pedanten-Zunfft,
Die uns mit dürren Regeln quält,
Daran doch offt das Beste fehlt,
Nicht blindlings folgen, wenn sie gleich
Uns drohen, daß das Himmelreich,
Ohn ihrer Grillen Hudeley,
Unmöglich zu erlangen sey;
Da sie doch selbst von Hertzen blind,
Des Unverstandes Lehrer sind,
Und nichts zu dencken sich gewagt,
Als was man ihnen vorgesagt,
Und was der Wahn der Vorder-Welt,
Zum Schulen-Abgott vorgestellt.
Jch eile nun mit frohem Sinn,
Mit dir zum schönen Leipzig hin,
Wo du, mein Freund, seit langer Zeit,
Die Schätze der Gelehrsamkeit,
So
Des II Theils VII Capitel


Von was vor einer edlen Art,
Du Freund, in deiner Jugend zart,
Jn Zittau, der beruͤhmten Stadt,
Die wenig ihres gleichen hat,
Geweſen ſeyſt, an Witz und Fleiß,
Das ſchweig ich hier, weil ichs nicht weiß.
Es wiſſens aber alle die,
So dich daſelbſt offt ſpaͤt und fruͤh,
Auf freye Kuͤnſte huͤbſch und fein,
So gut ſie da zu haben ſeyn,
Gantz eifrig und erpicht geſehn,
Und dieſes iſt gewiß geſchehn.
Jch dencke nur an das allein,
Wie dich der liebe Vater dein,
Jn fruͤher Kindheit unterwies,
Biß er dich in die Fremde ließ.
O Freund! hier wallt mir Hertz und Muth,
Dieweil auch mich mein Vater gut,
Von Jugend auf, wie ſichs gehoͤrt,
Manch Kunſt und Wiſſenſchafft gelehrt,
So, daß wir beyde lobeſan,
Ein gleiches Gluͤck genoſſen han.
Und daher kam nun dein Verſtand,
Der ſchon in fruͤher Zeit erkannt,
Man habe von Natur Vernunfft,
Und doͤrfe der Pedanten-Zunfft,
Die uns mit duͤrren Regeln quaͤlt,
Daran doch offt das Beſte fehlt,
Nicht blindlings folgen, wenn ſie gleich
Uns drohen, daß das Himmelreich,
Ohn ihrer Grillen Hudeley,
Unmoͤglich zu erlangen ſey;
Da ſie doch ſelbſt von Hertzen blind,
Des Unverſtandes Lehrer ſind,
Und nichts zu dencken ſich gewagt,
Als was man ihnen vorgeſagt,
Und was der Wahn der Vorder-Welt,
Zum Schulen-Abgott vorgeſtellt.
Jch eile nun mit frohem Sinn,
Mit dir zum ſchoͤnen Leipzig hin,
Wo du, mein Freund, ſeit langer Zeit,
Die Schaͤtze der Gelehrſamkeit,
So
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[498/0526] Des II Theils VII Capitel Von was vor einer edlen Art, Du Freund, in deiner Jugend zart, Jn Zittau, der beruͤhmten Stadt, Die wenig ihres gleichen hat, Geweſen ſeyſt, an Witz und Fleiß, Das ſchweig ich hier, weil ichs nicht weiß. Es wiſſens aber alle die, So dich daſelbſt offt ſpaͤt und fruͤh, Auf freye Kuͤnſte huͤbſch und fein, So gut ſie da zu haben ſeyn, Gantz eifrig und erpicht geſehn, Und dieſes iſt gewiß geſchehn. Jch dencke nur an das allein, Wie dich der liebe Vater dein, Jn fruͤher Kindheit unterwies, Biß er dich in die Fremde ließ. O Freund! hier wallt mir Hertz und Muth, Dieweil auch mich mein Vater gut, Von Jugend auf, wie ſichs gehoͤrt, Manch Kunſt und Wiſſenſchafft gelehrt, So, daß wir beyde lobeſan, Ein gleiches Gluͤck genoſſen han. Und daher kam nun dein Verſtand, Der ſchon in fruͤher Zeit erkannt, Man habe von Natur Vernunfft, Und doͤrfe der Pedanten-Zunfft, Die uns mit duͤrren Regeln quaͤlt, Daran doch offt das Beſte fehlt, Nicht blindlings folgen, wenn ſie gleich Uns drohen, daß das Himmelreich, Ohn ihrer Grillen Hudeley, Unmoͤglich zu erlangen ſey; Da ſie doch ſelbſt von Hertzen blind, Des Unverſtandes Lehrer ſind, Und nichts zu dencken ſich gewagt, Als was man ihnen vorgeſagt, Und was der Wahn der Vorder-Welt, Zum Schulen-Abgott vorgeſtellt. Jch eile nun mit frohem Sinn, Mit dir zum ſchoͤnen Leipzig hin, Wo du, mein Freund, ſeit langer Zeit, Die Schaͤtze der Gelehrſamkeit, So

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/526>, abgerufen am 22.11.2024.