Auszug davon hieher setzen. Allein wem die Eigen-Liebe der englischen Nation gegen sich selbst bekannt ist, der wird leicht schließen können, was davon zu halten sey.
Unter uns Deutschen hat sich zuerst Opitz in etlichen Schäfer-Liedern gewiesen, ja er hat auch des Engelländers Philipsens Arcadia, welche Valentin von Hirschberg zuerst Deutsch übersetzt hatte, von neuem herausgegeben, und die Gedichte darinn in deutsche Verße gebracht. Er hat unter andern in dem IVten Buche seiner Poetischen Wälder seinen Begriff von der Schäfer-Poesie sehr fein ausgedrückt, wo er beweisen will daß die Poeterey unsterblich sey. Es heist:
Cupido führet mich in eine grüne Wüsten, Da der Poeten Volck, weit von Begier und Lüsten, Vorzeiten hat gelebt, wie noch die erste Welt Nichts von den Städten wust, und wohnte um das Feld. Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz aufsetzen, Mit meinen Verßen wird sich Erato ergetzen, So weit die grüne Lust und hohen Wälder gehn, So weit wird mein Gedicht an allen Bäumen stehn. Jhr Oerter voller Freud, du Aufenthalt der Hirten! Jhr Bäch, ihr Ahornbäum, ihr Quell, ihr zarten Myrthen, Jhr Thäler, ihr Gebirg, ihr Blumen und ihr Stein. Jhr Wohnhaus voller Ruh, bey euch wünsch ich zu seyn. etc.
Unter seinen Oden ist gleich die erste eine Schäfer-Ode auf seine Galathee. Die andre auf Phillis, und die dritte auf eben dieselbe sind eben so schön, und man kan sich selbige zum Muster dienen lassen. Simon Dach hat auch dergleichen mit gutem Fortgange versuchet, wie ich in Kindermanns Deutschen Poeten etliche Proben von ihm finde. Schoch hat auch in seinem Blumen-Garten durch seine Hirten-Lieder viel Ehre eingelegt, obgleich die Verße zuweilen etwas hart sind. Z. E. auf der 11ten Seite steht eins: Wie kanst du mich doch, edle Phyllis, lieben? welches gantz ungemein ist. Eine Strophe kan zur Probe dienen. Der Schäfer redet seine Geliebte an:
Gleichwie der Thau, aus seinen nassen Wolcken Sich bey der Nacht in unsre Saaten geußt, So weiß bist du, wenn du das Vich gemolcken, Wenn du es hast mit Futter abgespeist.
Drum
B b 3
Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten.
Auszug davon hieher ſetzen. Allein wem die Eigen-Liebe der engliſchen Nation gegen ſich ſelbſt bekannt iſt, der wird leicht ſchließen koͤnnen, was davon zu halten ſey.
Unter uns Deutſchen hat ſich zuerſt Opitz in etlichen Schaͤfer-Liedern gewieſen, ja er hat auch des Engellaͤnders Philipſens Arcadia, welche Valentin von Hirſchberg zuerſt Deutſch uͤberſetzt hatte, von neuem herausgegeben, und die Gedichte darinn in deutſche Verße gebracht. Er hat unter andern in dem IVten Buche ſeiner Poetiſchen Waͤlder ſeinen Begriff von der Schaͤfer-Poeſie ſehr fein ausgedruͤckt, wo er beweiſen will daß die Poeterey unſterblich ſey. Es heiſt:
Cupido fuͤhret mich in eine gruͤne Wuͤſten, Da der Poeten Volck, weit von Begier und Luͤſten, Vorzeiten hat gelebt, wie noch die erſte Welt Nichts von den Staͤdten wuſt, und wohnte um das Feld. Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz aufſetzen, Mit meinen Verßen wird ſich Erato ergetzen, So weit die gruͤne Luſt und hohen Waͤlder gehn, So weit wird mein Gedicht an allen Baͤumen ſtehn. Jhr Oerter voller Freud, du Aufenthalt der Hirten! Jhr Baͤch, ihr Ahornbaͤum, ihr Quell, ihr zarten Myrthen, Jhr Thaͤler, ihr Gebirg, ihr Blumen und ihr Stein. Jhr Wohnhaus voller Ruh, bey euch wuͤnſch ich zu ſeyn. ꝛc.
Unter ſeinen Oden iſt gleich die erſte eine Schaͤfer-Ode auf ſeine Galathee. Die andre auf Phillis, und die dritte auf eben dieſelbe ſind eben ſo ſchoͤn, und man kan ſich ſelbige zum Muſter dienen laſſen. Simon Dach hat auch dergleichen mit gutem Fortgange verſuchet, wie ich in Kindermanns Deutſchen Poeten etliche Proben von ihm finde. Schoch hat auch in ſeinem Blumen-Garten durch ſeine Hirten-Lieder viel Ehre eingelegt, obgleich die Verße zuweilen etwas hart ſind. Z. E. auf der 11ten Seite ſteht eins: Wie kanſt du mich doch, edle Phyllis, lieben? welches gantz ungemein iſt. Eine Strophe kan zur Probe dienen. Der Schaͤfer redet ſeine Geliebte an:
Gleichwie der Thau, aus ſeinen naſſen Wolcken Sich bey der Nacht in unſre Saaten geußt, So weiß biſt du, wenn du das Vich gemolcken, Wenn du es haſt mit Futter abgeſpeiſt.
Drum
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Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten.
Auszug davon hieher ſetzen. Allein wem die Eigen-Liebe der
engliſchen Nation gegen ſich ſelbſt bekannt iſt, der wird leicht
ſchließen koͤnnen, was davon zu halten ſey.
Unter uns Deutſchen hat ſich zuerſt Opitz in etlichen
Schaͤfer-Liedern gewieſen, ja er hat auch des Engellaͤnders
Philipſens Arcadia, welche Valentin von Hirſchberg zuerſt
Deutſch uͤberſetzt hatte, von neuem herausgegeben, und die
Gedichte darinn in deutſche Verße gebracht. Er hat unter
andern in dem IVten Buche ſeiner Poetiſchen Waͤlder ſeinen
Begriff von der Schaͤfer-Poeſie ſehr fein ausgedruͤckt, wo
er beweiſen will daß die Poeterey unſterblich ſey. Es heiſt:
Cupido fuͤhret mich in eine gruͤne Wuͤſten,
Da der Poeten Volck, weit von Begier und Luͤſten,
Vorzeiten hat gelebt, wie noch die erſte Welt
Nichts von den Staͤdten wuſt, und wohnte um das Feld.
Die Nymphen werden mir den Lorberkrantz aufſetzen,
Mit meinen Verßen wird ſich Erato ergetzen,
So weit die gruͤne Luſt und hohen Waͤlder gehn,
So weit wird mein Gedicht an allen Baͤumen ſtehn.
Jhr Oerter voller Freud, du Aufenthalt der Hirten!
Jhr Baͤch, ihr Ahornbaͤum, ihr Quell, ihr zarten Myrthen,
Jhr Thaͤler, ihr Gebirg, ihr Blumen und ihr Stein.
Jhr Wohnhaus voller Ruh, bey euch wuͤnſch ich zu ſeyn. ꝛc.
Unter ſeinen Oden iſt gleich die erſte eine Schaͤfer-Ode auf
ſeine Galathee. Die andre auf Phillis, und die dritte auf
eben dieſelbe ſind eben ſo ſchoͤn, und man kan ſich ſelbige zum
Muſter dienen laſſen. Simon Dach hat auch dergleichen
mit gutem Fortgange verſuchet, wie ich in Kindermanns
Deutſchen Poeten etliche Proben von ihm finde. Schoch
hat auch in ſeinem Blumen-Garten durch ſeine Hirten-Lieder
viel Ehre eingelegt, obgleich die Verße zuweilen etwas hart
ſind. Z. E. auf der 11ten Seite ſteht eins: Wie kanſt du
mich doch, edle Phyllis, lieben? welches gantz ungemein iſt.
Eine Strophe kan zur Probe dienen. Der Schaͤfer redet
ſeine Geliebte an:
Gleichwie der Thau, aus ſeinen naſſen Wolcken
Sich bey der Nacht in unſre Saaten geußt,
So weiß biſt du, wenn du das Vich gemolcken,
Wenn du es haſt mit Futter abgeſpeiſt.
Drum
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/417>, abgerufen am 25.07.2024.
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