Margaris Lieb- und Lob-Andencken, so er im Pegnitz-Ge- filde bey frölicher Frühlingszeit traurig angestimmet, heißet gleich der Anfang des ersten Trauer-Hirten-Spiels so:
Das schöne Himmelblau lacht von den Bogenschantzen, Das Weltaug äuglet ab, die güldnen Flittern dantzen Und kreutzen durch die Luft re.
Also sagte und klagte (wie es ferner heist) der betrübte Schä- fer Floridan, von seinem gewöhnlichen Lustwandel-Weg sich an der Pegnitz forttragen lassend. Seine Sinne schwartzeten in die Wette mit seinen Kleidern etc. Seine Wangen und Augen hatten die Farben gewechselt etc. Er öffnet ein paar Thränen-Brunnen, etc. Aus ihrem Schmer- tzensthau und Hertzregen lässet er die ihm damahls viel zu güldene Sonne, Wolcken machen, und den schwartzen Him- mel mit saffirnen Cartinen verhängen. etc. Hernach redet er die Bächlein poetisch an, und will sich mit ihrer Lust be- lüsten.
Entweiche Nachtigal, Du süsse Baum-Siren! Sing dort in jenem Thal Die Federbuhlen an. Mich sollen Wüsteneyen Mit ihrem Eulgeheul hörn in die Wette schreyen.
Jndem hernach eine Lerche über ihm tiriliret, bildet er ihm ein sie ruffe: Margaris, Margaris, Margaris, etc. weiß aber nicht, ob er von dieser geflügelten Lufftharfe gehönet oder getröstet wird. Doch erinnert er sich dabey seiner unter den himmlischen Engel-Lerchen schwebenden Gottlobenden Margaris. etc. etc.
Was könnte ich nicht aus Zesens Schrifften vor treffli- che Proben anführen? Jch dörfte nur seinen hochdeutschen helikonischen Rosenthal, das ist, der höchstpreiswürdigen deutschgesinneten Genossenschafft Erster oder neunstämmiger Rosen-Zunft Ertzschrein, durchblättern, und alle die seltsamen Misgeburten von Wörtern und Redensarten, die er ausge- hecket, anmercken. Allein das obige kan genug seyn, die Art dieser Sprachkünstler und Worthelden kennen zu lernen. Nichts mehr ist zu bewundern, als daß selbst Opitz, bey so vie-
ler
N 3
Von poetiſchen Worten.
Margaris Lieb- und Lob-Andencken, ſo er im Pegnitz-Ge- filde bey froͤlicher Fruͤhlingszeit traurig angeſtimmet, heißet gleich der Anfang des erſten Trauer-Hirten-Spiels ſo:
Das ſchoͤne Himmelblau lacht von den Bogenſchantzen, Das Weltaug aͤuglet ab, die guͤldnen Flittern dantzen Und kreutzen durch die Luft ꝛe.
Alſo ſagte und klagte (wie es ferner heiſt) der betruͤbte Schaͤ- fer Floridan, von ſeinem gewoͤhnlichen Luſtwandel-Weg ſich an der Pegnitz forttragen laſſend. Seine Sinne ſchwartzeten in die Wette mit ſeinen Kleidern ꝛc. Seine Wangen und Augen hatten die Farben gewechſelt ꝛc. Er oͤffnet ein paar Thraͤnen-Brunnen, ꝛc. Aus ihrem Schmer- tzensthau und Hertzregen laͤſſet er die ihm damahls viel zu guͤldene Sonne, Wolcken machen, und den ſchwartzen Him- mel mit ſaffirnen Cartinen verhaͤngen. ꝛc. Hernach redet er die Baͤchlein poetiſch an, und will ſich mit ihrer Luſt be- luͤſten.
Entweiche Nachtigal, Du ſuͤſſe Baum-Siren! Sing dort in jenem Thal Die Federbuhlen an. Mich ſollen Wuͤſteneyen Mit ihrem Eulgeheul hoͤrn in die Wette ſchreyen.
Jndem hernach eine Lerche uͤber ihm tiriliret, bildet er ihm ein ſie ruffe: Margaris, Margaris, Margaris, ꝛc. weiß aber nicht, ob er von dieſer gefluͤgelten Lufftharfe gehoͤnet oder getroͤſtet wird. Doch erinnert er ſich dabey ſeiner unter den himmliſchen Engel-Lerchen ſchwebenden Gottlobenden Margaris. ꝛc. ꝛc.
Was koͤnnte ich nicht aus Zeſens Schrifften vor treffli- che Proben anfuͤhren? Jch doͤrfte nur ſeinen hochdeutſchen helikoniſchen Roſenthal, das iſt, der hoͤchſtpreiswuͤrdigen deutſchgeſinneten Genoſſenſchafft Erſter oder neunſtaͤmmiger Roſen-Zunft Ertzſchrein, durchblaͤttern, und alle die ſeltſamen Misgeburten von Woͤrtern und Redensarten, die er ausge- hecket, anmercken. Allein das obige kan genug ſeyn, die Art dieſer Sprachkuͤnſtler und Worthelden kennen zu lernen. Nichts mehr iſt zu bewundern, als daß ſelbſt Opitz, bey ſo vie-
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Von poetiſchen Worten.
Margaris Lieb- und Lob-Andencken, ſo er im Pegnitz-Ge-
filde bey froͤlicher Fruͤhlingszeit traurig angeſtimmet, heißet
gleich der Anfang des erſten Trauer-Hirten-Spiels ſo:
Das ſchoͤne Himmelblau lacht von den Bogenſchantzen,
Das Weltaug aͤuglet ab, die guͤldnen Flittern dantzen
Und kreutzen durch die Luft ꝛe.
Alſo ſagte und klagte (wie es ferner heiſt) der betruͤbte Schaͤ-
fer Floridan, von ſeinem gewoͤhnlichen Luſtwandel-Weg
ſich an der Pegnitz forttragen laſſend. Seine Sinne
ſchwartzeten in die Wette mit ſeinen Kleidern ꝛc. Seine
Wangen und Augen hatten die Farben gewechſelt ꝛc. Er
oͤffnet ein paar Thraͤnen-Brunnen, ꝛc. Aus ihrem Schmer-
tzensthau und Hertzregen laͤſſet er die ihm damahls viel zu
guͤldene Sonne, Wolcken machen, und den ſchwartzen Him-
mel mit ſaffirnen Cartinen verhaͤngen. ꝛc. Hernach redet
er die Baͤchlein poetiſch an, und will ſich mit ihrer Luſt be-
luͤſten.
Entweiche Nachtigal,
Du ſuͤſſe Baum-Siren! Sing dort in jenem Thal
Die Federbuhlen an. Mich ſollen Wuͤſteneyen
Mit ihrem Eulgeheul hoͤrn in die Wette ſchreyen.
Jndem hernach eine Lerche uͤber ihm tiriliret, bildet er ihm ein
ſie ruffe: Margaris, Margaris, Margaris, ꝛc. weiß aber
nicht, ob er von dieſer gefluͤgelten Lufftharfe gehoͤnet oder
getroͤſtet wird. Doch erinnert er ſich dabey ſeiner unter den
himmliſchen Engel-Lerchen ſchwebenden Gottlobenden
Margaris. ꝛc. ꝛc.
Was koͤnnte ich nicht aus Zeſens Schrifften vor treffli-
che Proben anfuͤhren? Jch doͤrfte nur ſeinen hochdeutſchen
helikoniſchen Roſenthal, das iſt, der hoͤchſtpreiswuͤrdigen
deutſchgeſinneten Genoſſenſchafft Erſter oder neunſtaͤmmiger
Roſen-Zunft Ertzſchrein, durchblaͤttern, und alle die ſeltſamen
Misgeburten von Woͤrtern und Redensarten, die er ausge-
hecket, anmercken. Allein das obige kan genug ſeyn, die Art
dieſer Sprachkuͤnſtler und Worthelden kennen zu lernen.
Nichts mehr iſt zu bewundern, als daß ſelbſt Opitz, bey ſo vie-
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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