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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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unversehrt wieder herauszog. Er hat Löwen, Schlangen und Wallfische pgo_043.002
dichterisch courfähig gemacht. Jm Ganzen ist er von der Anklage, die pgo_043.003
Grenzen der Dichtkunst und Malerei verwischt zu haben, freizusprechen.

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Was die tausend Gegenstände des menschlichen Bedürfnisses und pgo_043.005
Verkehrs betrifft, so darf der Dichter sie gewiß auch schildern, aber er pgo_043.006
muß sich dabei von einer niederländischen Kleinmalerei frei halten. Denn pgo_043.007
diese Objecte haben nur Werth für den Dichter, insoweit der Mensch seine pgo_043.008
Seele, oder die Kultur ihre Bedeutung in sie hineingelegt. Hiergegen pgo_043.009
wird von den neuen Romanschriftstellern fast durchgängig gesündigt. pgo_043.010
Wenn Jmmermann schildert, wie der Hofschulze einen Wagen anspannt: pgo_043.011
so ist dies zwar eine Reihenfolge von Momenten, von denen der Maler pgo_043.012
nur eins herausheben könnte -- aber er verfällt dabei in eine Prosa pgo_043.013
der Technik,
die dem Maler nicht erspart bleiben kann, die aber jede pgo_043.014
Dichtung verunstaltet. Die Farbe leiht Allem, auch dem Geringfügigsten, pgo_043.015
einen schönen sinnlichen Schein. Ueberdies hat der Maler die pgo_043.016
Mittel, das Geringfügige geringfügig darzustellen. Das Kleine erscheint pgo_043.017
klein im Raume, das Unbedeutende kann in Schatten gestellt werden. pgo_043.018
Dagegen wird das Wort, das Vehikel des Dichters, in dessen Klang kein pgo_043.019
Maß liegt für das Große und Kleine, gemißbraucht, wenn es das Kleinliche pgo_043.020
und Nichtssagende ausführlich malt. Am weitesten gehn hierin pgo_043.021
unsere Dorfgeschichtenschreiber, welche den Grundriß jeder Scheuer mit pgo_043.022
der Genauigkeit eines Architekten entwerfen und an jedem Düngerhaufen pgo_043.023
ihre malerische Kunst versuchen. Doch nicht blos die niederländische, pgo_043.024
auch die italienische Schule des neuen Romans verfällt in denselben Fehler. pgo_043.025
Laube z. B. in seiner sonst vortrefflichen "Gräfin Chateaubriand" pgo_043.026
ist der Gropius der französischen Lustschlösser und ergeht sich pgo_043.027
dabei in einer Decorationsmalerei, welche die Grenzen des dichterisch pgo_043.028
Erlaubten überschreitet. Jm Allgemeinen ist anzuerkennen, daß die pgo_043.029
französischen Romanschriftsteller in dieser Beziehung die englischen bei pgo_043.030
Weitem übertreffen, die durch das Muster Walter Scott's sich zu dieser pgo_043.031
verkehrten, breiten Ausmalung des bedeutungslos Aeußerlichen verleiten pgo_043.032
lassen.

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Gebiet des Malers übergreift: so ist er immer noch zu tadeln, wenn er pgo_043.035
den Vorsprung, den seine Kunst vor der des Malers hat, nicht geltend

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Verkehrs betrifft, so darf der Dichter sie gewiß auch schildern, aber er pgo_043.006
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Seele, oder die Kultur ihre Bedeutung in sie hineingelegt. Hiergegen pgo_043.009
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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/65>, abgerufen am 30.11.2024.