pgo_425.001 Jnhalt in einer drastischen Pointe zusammenfassen. Hieraus gehen die pgo_425.002 sogenannten dankbaren Abgänge hervor, die nicht blos äußerlich pgo_425.003 theatralisch, sondern Ausflüsse echter dramatischer Energie sind. Wie pgo_425.004 viele Personen in einer Scene zusammentreffen dürfen, darüber läßt sich pgo_425.005 kein festes Gesetz geben. Doch müssen, mit Ausnahme der Statisterie bei pgo_425.006 großen Staats- und Kriegsactionen, alle anwesenden Personen thätig in pgo_425.007 den Fortgang der Scene eingreifen. Ob wir ein dialogisches Duett, pgo_425.008 Terzett, Sextett vor uns haben -- die Stimme eines jeden Mitwirkenden pgo_425.009 bleibt wesentlich. Bei einer größeren Zahl von Personen kommt es auf pgo_425.010 die Stimmenführung und Gruppirung an, wobei dem Dramatiker stets pgo_425.011 das theatralische Tableau lebendig vor Augen schweben muß. Jm stummen pgo_425.012 Spiele müssen sich die einzelnen Gruppen während einer Scene pgo_425.013 ablösen; es darf dem stummen Spiel der Einzelnen nie zu viel überlassen pgo_425.014 werden -- sonst würde die Pantomime zum integrirenden Theil des pgo_425.015 Drama gemacht. Jn der Regel darf die Scene nicht leer stehen, besonders pgo_425.016 dann nicht, wenn diese Leere nur ein testimonium paupertatis für die pgo_425.017 scenische Gewandtheit des Dramatikers ausstellen würde. Nur in spannenden pgo_425.018 Momenten, wenn hinter der Scene sich etwas Bedeutendes pgo_425.019 begiebt, ist eine Ausnahme von dieser Regel gestattet. So bleibt z. B. pgo_425.020 die Scene, ohne Beeinträchtigung des dramatischen Jnteresses, leer stehn, pgo_425.021 während Otto von Wittelsbach mit gezogenem Schwerte fortstürzt, um pgo_425.022 den Kaiser zu ermorden, bis zu seiner Wiederkehr nach vollbrachter That.
pgo_425.023 Größere Einschnitte des dramatischen Organismus bilden die Akte pgo_425.024 (Aufzüge), innerhalb deren die Handlung sich durch ein bestimmtes pgo_425.025 Stadium weiter fortentwickelt. Das dramatische Finale jedes Aktes pgo_425.026 faßt die in demselben enthaltenen Fäden zusammen -- und das mattere pgo_425.027 oder vollere Austönen, die größere oder geringere Wirkung des Schlusses pgo_425.028 ist zugleich der Prüfstein für die Bedeutung, welche der einzelne Akt für pgo_425.029 das ganze Drama hat. Darum dürfen wir in den sogenannten dankbaren pgo_425.030 Aktschlüssen kein werthloses Zugeständniß an die theatralische pgo_425.031 Wirkung sehn, sondern vielmehr den anerkennenswerthen Erfolg einer pgo_425.032 echt dramatischen Komposition, welche die zerstreuten Strahlen der Verwickelung pgo_425.033 und Handlung am Schluß in einem Brennpunkte sammelt. pgo_425.034 Die Zahl der Akte hat Horaz in seiner Epistel "an die Pisonen" auf pgo_425.035 fünf festgestellt. Wenn man mit Aristoteles Anfang, Mitte und
pgo_425.001 Jnhalt in einer drastischen Pointe zusammenfassen. Hieraus gehen die pgo_425.002 sogenannten dankbaren Abgänge hervor, die nicht blos äußerlich pgo_425.003 theatralisch, sondern Ausflüsse echter dramatischer Energie sind. Wie pgo_425.004 viele Personen in einer Scene zusammentreffen dürfen, darüber läßt sich pgo_425.005 kein festes Gesetz geben. Doch müssen, mit Ausnahme der Statisterie bei pgo_425.006 großen Staats- und Kriegsactionen, alle anwesenden Personen thätig in pgo_425.007 den Fortgang der Scene eingreifen. Ob wir ein dialogisches Duett, pgo_425.008 Terzett, Sextett vor uns haben — die Stimme eines jeden Mitwirkenden pgo_425.009 bleibt wesentlich. Bei einer größeren Zahl von Personen kommt es auf pgo_425.010 die Stimmenführung und Gruppirung an, wobei dem Dramatiker stets pgo_425.011 das theatralische Tableau lebendig vor Augen schweben muß. Jm stummen pgo_425.012 Spiele müssen sich die einzelnen Gruppen während einer Scene pgo_425.013 ablösen; es darf dem stummen Spiel der Einzelnen nie zu viel überlassen pgo_425.014 werden — sonst würde die Pantomime zum integrirenden Theil des pgo_425.015 Drama gemacht. Jn der Regel darf die Scene nicht leer stehen, besonders pgo_425.016 dann nicht, wenn diese Leere nur ein testimonium paupertatis für die pgo_425.017 scenische Gewandtheit des Dramatikers ausstellen würde. Nur in spannenden pgo_425.018 Momenten, wenn hinter der Scene sich etwas Bedeutendes pgo_425.019 begiebt, ist eine Ausnahme von dieser Regel gestattet. So bleibt z. B. pgo_425.020 die Scene, ohne Beeinträchtigung des dramatischen Jnteresses, leer stehn, pgo_425.021 während Otto von Wittelsbach mit gezogenem Schwerte fortstürzt, um pgo_425.022 den Kaiser zu ermorden, bis zu seiner Wiederkehr nach vollbrachter That.
pgo_425.023 Größere Einschnitte des dramatischen Organismus bilden die Akte pgo_425.024 (Aufzüge), innerhalb deren die Handlung sich durch ein bestimmtes pgo_425.025 Stadium weiter fortentwickelt. Das dramatische Finale jedes Aktes pgo_425.026 faßt die in demselben enthaltenen Fäden zusammen — und das mattere pgo_425.027 oder vollere Austönen, die größere oder geringere Wirkung des Schlusses pgo_425.028 ist zugleich der Prüfstein für die Bedeutung, welche der einzelne Akt für pgo_425.029 das ganze Drama hat. Darum dürfen wir in den sogenannten dankbaren pgo_425.030 Aktschlüssen kein werthloses Zugeständniß an die theatralische pgo_425.031 Wirkung sehn, sondern vielmehr den anerkennenswerthen Erfolg einer pgo_425.032 echt dramatischen Komposition, welche die zerstreuten Strahlen der Verwickelung pgo_425.033 und Handlung am Schluß in einem Brennpunkte sammelt. pgo_425.034 Die Zahl der Akte hat Horaz in seiner Epistel „an die Pisonen“ auf pgo_425.035 fünf festgestellt. Wenn man mit Aristoteles Anfang, Mitte und
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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/447>, abgerufen am 23.11.2024.
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