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Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.

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Haben sie doch in ihrem "Briefwechsel" die folgenreichsten Betrachtungen pgo_013.002
über epische und dramatische Poesie zusammen niedergelegt pgo_013.003
und zusammen in ihren "Xenien" den kritischen Jmperatorenthron pgo_013.004
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den Staub schmetterten. Daß Schiller von der Jdee des Schönen pgo_013.006
und Goethe von seiner Erscheinung ausging, war gerade der Grund, pgo_013.007
daß sie in der Mitte des Weges sich begegnen mußten! Schiller schrieb pgo_013.008
den allgemeineren Theil der "klassischen Poetik;" er war ihr Metaphysiker. pgo_013.009
Jn der That sind seine ästhetischen Verdienste groß genug, pgo_013.010
um ihm in dieser Wissenschaft einen selbstständigen Platz zu sichern. pgo_013.011
Er hob die Einseitigkeit des subjectiven Kant'schen Standpunktes auf pgo_013.012
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geltend. Jn seinen Aufsätzen: "über die tragische Kunst," pgo_013.014
"über das Erhabene," "Anmuth und Würde" entwickelt er pgo_013.015
dieselben Jdeeen, die er mit dichterischer Prägnanz in seiner Lyrik ausspricht. pgo_013.016
Hier strebt er mit einer platonischen Begeisterung nach der Vermählung pgo_013.017
der Wahrheit und Schönheit, nach der Versöhnung von pgo_013.018
Wissenschaft und Kunst; dort nennt er die Schönheit die Bürgerin pgo_013.019
zweier Welten, deren einer sie durch Geburt, der andern durch Adoption pgo_013.020
angehört, indem sie ihre Existenz in der sinnlichen Natur empfängt und pgo_013.021
in der Vernunftwelt das Bürgerrecht erhält. Der beurtheilende Geschmack pgo_013.022
aber soll diese Vermittelung zwischen Sinnlichkeit und Geist übernehmen, pgo_013.023
Anschauungen zu Jdeeen adeln und die Sinnenwelt in ein pgo_013.024
Reich der Freiheit verwandeln. Und wenn Schiller in seiner "ästhetischen pgo_013.025
Erziehung des Menschengeschlechts
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einen pädagogischen Zweck unterzuschieben scheint; so verschwindet dieser pgo_013.027
Schein alsbald, indem gerade diese Abhandlung das Jdeal der Schönheit pgo_013.028
als die Einheit der Realität mit der Form, als das Jdeal der pgo_013.029
Menschheit selbst entwickelt. Von einzelnen Theilen der Poetik kamen pgo_013.030
Schiller's Bestrebungen am meisten der Tragödie zugute, indem er sich pgo_013.031
mit Vorliebe der Darstellung des Pathetischen und Erhabenen hingab. pgo_013.032
Seine Unterscheidung zwischen "naiver" und "sentimentaler" Dichtungsweise pgo_013.033
hat mehr einen literarhistorischen, als philosophischen Werth. pgo_013.034
Goethe dagegen, der Naturalist, der von dem einzelnen Phänomen ausging, pgo_013.035
beschäftigte sich mehr mit Kunstbetrachtung und zeigte hierbei

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Zitationshilfe: Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/35>, abgerufen am 24.11.2024.