Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858.pgo_296.001 pgo_296.004 Hinabgebeugt zu den Todten ist dein Stolz, pgo_296.025 pgo_296.029Hinunter deiner Harfe Siegeston; pgo_296.026 Der Moder deine Decke. pgo_296.027 Dein Bett ist unter dir der Wurm, pgo_296.028 Wie bist du gefallen vom Himmel, du Morgenstern! (Nach Herder.) pgo_296.030 pgo_296.001 pgo_296.004 Hinabgebeugt zu den Todten ist dein Stolz, pgo_296.025 pgo_296.029Hinunter deiner Harfe Siegeston; pgo_296.026 Der Moder deine Decke. pgo_296.027 Dein Bett ist unter dir der Wurm, pgo_296.028 Wie bist du gefallen vom Himmel, du Morgenstern! (Nach Herder.) pgo_296.030 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0318" n="296"/><lb n="pgo_296.001"/> selbst die Verzweiflungspsalmen der Skepsis, wie Shelley in seiner <lb n="pgo_296.002"/> „<foreign xml:lang="eng">Queen Mab</foreign>“ sie anstimmt, gehören in ihren Kreis, weil das Gemüth <lb n="pgo_296.003"/> selbst in gebrochenster Sehnsucht nach dem Höchsten aufringt.</p> <p><lb n="pgo_296.004"/> Die schönsten Hymnen enthält die Hebräische Poesie. Jehova, der <lb n="pgo_296.005"/> Höchste, der Allmächtige, der zürnende Gott wird gefeiert in seiner erhabenen <lb n="pgo_296.006"/> Majestät als Schöpfer der Welt. Alle großen Phänomene der <lb n="pgo_296.007"/> Natur sind seine <hi rendition="#g">Thaten!</hi> Er fliegt einher auf den Fittigen des Sturmes; <lb n="pgo_296.008"/> er neigt die Himmel und fährt herab; seinem Mund entströmt verzehrende <lb n="pgo_296.009"/> Gluth in der Wetter Schlag. Zugleich ist er der Gott seines <lb n="pgo_296.010"/> Volkes; alle diese religiösen Hymnen sind die höchsten patriotischen <lb n="pgo_296.011"/> Weihegesänge. Das Wesen dieser hebräischen Poesie hat <hi rendition="#g">Herder</hi> mit <lb n="pgo_296.012"/> unvergleichlicher Feinfühligkeit für das charakteristisch Schöne und mit <lb n="pgo_296.013"/> meisterhafter Reproduktion der großen Muster ein für allemal auseinandergesetzt. <lb n="pgo_296.014"/> Der alttestamentliche Prometheus „Hiob“ ist der Urahn <lb n="pgo_296.015"/> jener modernen Shelley'schen Skepsis; im Buche Hiob sind die kühnsten, <lb n="pgo_296.016"/> gedankenvollsten Hymnen der Hebräer enthalten, deren reiche und glänzende <lb n="pgo_296.017"/> Bildlichkeit oft einen grandiösen Schwung nimmt. Die Fackel <lb n="pgo_296.018"/> eines majestätischen Geistes erleuchtet das All bis in seine tiefsten <lb n="pgo_296.019"/> Abgründe und erlischt zuletzt vor der größeren Glorie und Majestät des <lb n="pgo_296.020"/> Jehova. Von den Propheten ist Jesaias der Erhabenste; er schreibt den <lb n="pgo_296.021"/> Lapidarstyl der Hymne mit großen und ewigen Zügen. Gewitterhaft ist <lb n="pgo_296.022"/> sein Zorn, zermalmend sein Hohn, z. B. wenn er Jehova's Strafgericht <lb n="pgo_296.023"/> über die Babylonier und Assyrer schildert (14. Kapitel).</p> <lb n="pgo_296.024"/> <lg> <l>Hinabgebeugt zu den Todten ist dein Stolz,</l> <lb n="pgo_296.025"/> <l>Hinunter deiner Harfe Siegeston;</l> <lb n="pgo_296.026"/> <l>Der Moder deine Decke.</l> <lb n="pgo_296.027"/> <l>Dein Bett ist unter dir der Wurm,</l> <lb n="pgo_296.028"/> <l>Wie bist du gefallen vom Himmel, du Morgenstern!</l> </lg> <lb n="pgo_296.029"/> <p> <hi rendition="#right">(Nach <hi rendition="#g">Herder</hi>.)</hi> </p> <p><lb n="pgo_296.030"/> Diese Parallelismen des Jesaias haben eine zerschmetternde Kraft! <lb n="pgo_296.031"/> Sanfter tönen die Psalmen Davids, sie sind subjektiver, aus dem persönlichen <lb n="pgo_296.032"/> Geschick herausgeboren, Gebete um Errettung, Trostlieder im <lb n="pgo_296.033"/> Leiden, Dankeshymnen, Preisgesänge auf den Schöpfer der Natur und <lb n="pgo_296.034"/> auf jenes <hi rendition="#g">Glück,</hi> das zu Antium keinen Tempel hatte, auf das Glück <lb n="pgo_296.035"/> der Tugendhaften. Bei allen milden, weichen Klängen der Ergebung <lb n="pgo_296.036"/> und manchen höchst anmuthigen und lieblichen Schilderungen, an denen </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0318]
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selbst die Verzweiflungspsalmen der Skepsis, wie Shelley in seiner pgo_296.002
„Queen Mab“ sie anstimmt, gehören in ihren Kreis, weil das Gemüth pgo_296.003
selbst in gebrochenster Sehnsucht nach dem Höchsten aufringt.
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Die schönsten Hymnen enthält die Hebräische Poesie. Jehova, der pgo_296.005
Höchste, der Allmächtige, der zürnende Gott wird gefeiert in seiner erhabenen pgo_296.006
Majestät als Schöpfer der Welt. Alle großen Phänomene der pgo_296.007
Natur sind seine Thaten! Er fliegt einher auf den Fittigen des Sturmes; pgo_296.008
er neigt die Himmel und fährt herab; seinem Mund entströmt verzehrende pgo_296.009
Gluth in der Wetter Schlag. Zugleich ist er der Gott seines pgo_296.010
Volkes; alle diese religiösen Hymnen sind die höchsten patriotischen pgo_296.011
Weihegesänge. Das Wesen dieser hebräischen Poesie hat Herder mit pgo_296.012
unvergleichlicher Feinfühligkeit für das charakteristisch Schöne und mit pgo_296.013
meisterhafter Reproduktion der großen Muster ein für allemal auseinandergesetzt. pgo_296.014
Der alttestamentliche Prometheus „Hiob“ ist der Urahn pgo_296.015
jener modernen Shelley'schen Skepsis; im Buche Hiob sind die kühnsten, pgo_296.016
gedankenvollsten Hymnen der Hebräer enthalten, deren reiche und glänzende pgo_296.017
Bildlichkeit oft einen grandiösen Schwung nimmt. Die Fackel pgo_296.018
eines majestätischen Geistes erleuchtet das All bis in seine tiefsten pgo_296.019
Abgründe und erlischt zuletzt vor der größeren Glorie und Majestät des pgo_296.020
Jehova. Von den Propheten ist Jesaias der Erhabenste; er schreibt den pgo_296.021
Lapidarstyl der Hymne mit großen und ewigen Zügen. Gewitterhaft ist pgo_296.022
sein Zorn, zermalmend sein Hohn, z. B. wenn er Jehova's Strafgericht pgo_296.023
über die Babylonier und Assyrer schildert (14. Kapitel).
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Hinabgebeugt zu den Todten ist dein Stolz, pgo_296.025
Hinunter deiner Harfe Siegeston; pgo_296.026
Der Moder deine Decke. pgo_296.027
Dein Bett ist unter dir der Wurm, pgo_296.028
Wie bist du gefallen vom Himmel, du Morgenstern!
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(Nach Herder.)
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Diese Parallelismen des Jesaias haben eine zerschmetternde Kraft! pgo_296.031
Sanfter tönen die Psalmen Davids, sie sind subjektiver, aus dem persönlichen pgo_296.032
Geschick herausgeboren, Gebete um Errettung, Trostlieder im pgo_296.033
Leiden, Dankeshymnen, Preisgesänge auf den Schöpfer der Natur und pgo_296.034
auf jenes Glück, das zu Antium keinen Tempel hatte, auf das Glück pgo_296.035
der Tugendhaften. Bei allen milden, weichen Klängen der Ergebung pgo_296.036
und manchen höchst anmuthigen und lieblichen Schilderungen, an denen
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