Kennst du das Land, wo die Citronen blühn,pgo_138.002 Jm dunklen Laub die Goldorangen glühn,pgo_138.003 Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,pgo_138.004 Die Myrthe still und hoch der Lorbeer steht!
pgo_138.005 Wie einfach sind die Beiwörter in diesem Vers gewählt, und wie pgo_138.006 geben sie doch durch ihre Zusammenstellung ein stimmungsvolles Bild! pgo_138.007 Auch "gefällig, anmuthig" sind Lieblingsbeiwörter dieses Dichters! pgo_138.008 Spiegelt sich in ihnen nicht ganz die plastische Klarheit seiner Seele und pgo_138.009 seines Styles? Jn Heine's Liedern finden sich ebenfalls einfache Beiwörter, pgo_138.010 welche von einem großen Reize der Stimmung begleitet sind. pgo_138.011 Doch wiegen hier die sinnlichen vor, nicht in Goethe's plastischem, pgo_138.012 sondern in stoffartigem Sinn: süß, weich:
pgo_138.013
So schwebt mir vor ein süßespgo_138.014 Anmuthig liebes Bild.
pgo_138.015
Mädchen mit dem rothen Mündchen,pgo_138.016 Mit dem Aeuglein süß und klar.
pgo_138.017
Jn den Armen meiner Kön'ginpgo_138.018 Ruht mein Königshaupt so weich.
pgo_138.019 Jm Kontrast damit drückt er sein Unbehagen durch Wörter wie pgo_138.020 dumpf, wund, elend aus! Liebeslust und Lebenssattheit, der Grundzug pgo_138.021 seiner Gedichte, prägt sich in seinen Lieblingsadjectiven aus. Doch pgo_138.022 hat er mit Goethe den Vorzug gemein, daß er dem einfachsten Beiwort pgo_138.023 oft eine prägnante Bedeutung zu geben weiß z. B.:
pgo_138.024
Jch weiß nicht, was soll es bedeuten,pgo_138.025 Daß ich so traurig bin!
pgo_138.026 Ganz abweichend von diesen beiden Dichtern liebt Schiller abstracte pgo_138.027 Beiwörter, wie edel, sittlich, herrlich, ewig, schrecklich, zärtlich, pgo_138.028 himmlisch, Beiwörter, welche den idealen Charakter und das pgo_138.029 sittliche Pathos seines Dichtens treffend repräsentiren. Wo er aber schildert, pgo_138.030 häuft er die Synonyma in einer fast unschönen Weise:
pgo_138.031
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachenpgo_138.032 Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen,pgo_138.033 Schwarz wimmelten da, in grausem Gemischpgo_138.034 Zu scheußlichen Klumpen geballt,pgo_138.035 Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,pgo_138.036 Des Hammers gräuliche Ungestalt,
pgo_138.001
Kennst du das Land, wo die Citronen blühn,pgo_138.002 Jm dunklen Laub die Goldorangen glühn,pgo_138.003 Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,pgo_138.004 Die Myrthe still und hoch der Lorbeer steht!
pgo_138.005 Wie einfach sind die Beiwörter in diesem Vers gewählt, und wie pgo_138.006 geben sie doch durch ihre Zusammenstellung ein stimmungsvolles Bild! pgo_138.007 Auch „gefällig, anmuthig“ sind Lieblingsbeiwörter dieses Dichters! pgo_138.008 Spiegelt sich in ihnen nicht ganz die plastische Klarheit seiner Seele und pgo_138.009 seines Styles? Jn Heine's Liedern finden sich ebenfalls einfache Beiwörter, pgo_138.010 welche von einem großen Reize der Stimmung begleitet sind. pgo_138.011 Doch wiegen hier die sinnlichen vor, nicht in Goethe's plastischem, pgo_138.012 sondern in stoffartigem Sinn: süß, weich:
pgo_138.013
So schwebt mir vor ein süßespgo_138.014 Anmuthig liebes Bild.
pgo_138.015
Mädchen mit dem rothen Mündchen,pgo_138.016 Mit dem Aeuglein süß und klar.
pgo_138.017
Jn den Armen meiner Kön'ginpgo_138.018 Ruht mein Königshaupt so weich.
pgo_138.019 Jm Kontrast damit drückt er sein Unbehagen durch Wörter wie pgo_138.020 dumpf, wund, elend aus! Liebeslust und Lebenssattheit, der Grundzug pgo_138.021 seiner Gedichte, prägt sich in seinen Lieblingsadjectiven aus. Doch pgo_138.022 hat er mit Goethe den Vorzug gemein, daß er dem einfachsten Beiwort pgo_138.023 oft eine prägnante Bedeutung zu geben weiß z. B.:
pgo_138.024
Jch weiß nicht, was soll es bedeuten,pgo_138.025 Daß ich so traurig bin!
pgo_138.026 Ganz abweichend von diesen beiden Dichtern liebt Schiller abstracte pgo_138.027 Beiwörter, wie edel, sittlich, herrlich, ewig, schrecklich, zärtlich, pgo_138.028 himmlisch, Beiwörter, welche den idealen Charakter und das pgo_138.029 sittliche Pathos seines Dichtens treffend repräsentiren. Wo er aber schildert, pgo_138.030 häuft er die Synonyma in einer fast unschönen Weise:
pgo_138.031
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachenpgo_138.032 Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen,pgo_138.033 Schwarz wimmelten da, in grausem Gemischpgo_138.034 Zu scheußlichen Klumpen geballt,pgo_138.035 Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,pgo_138.036 Des Hammers gräuliche Ungestalt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0160"n="138"/><lbn="pgo_138.001"/><lg><l>Kennst du das Land, wo die Citronen blühn,</l><lbn="pgo_138.002"/><l>Jm <hirendition="#g">dunklen</hi> Laub die Goldorangen glühn,</l><lbn="pgo_138.003"/><l>Ein <hirendition="#g">sanfter</hi> Wind vom <hirendition="#g">blauen</hi> Himmel weht,</l><lbn="pgo_138.004"/><l>Die Myrthe <hirendition="#g">still</hi> und <hirendition="#g">hoch</hi> der Lorbeer steht!</l></lg><p><lbn="pgo_138.005"/>
Wie einfach sind die Beiwörter in diesem Vers gewählt, und wie <lbn="pgo_138.006"/>
geben sie doch durch ihre Zusammenstellung ein stimmungsvolles Bild! <lbn="pgo_138.007"/>
Auch „gefällig, anmuthig“ sind Lieblingsbeiwörter dieses Dichters! <lbn="pgo_138.008"/>
Spiegelt sich in ihnen nicht ganz die plastische Klarheit seiner Seele und <lbn="pgo_138.009"/>
seines Styles? Jn <hirendition="#g">Heine's</hi> Liedern finden sich ebenfalls einfache Beiwörter, <lbn="pgo_138.010"/>
welche von einem großen Reize der Stimmung begleitet sind. <lbn="pgo_138.011"/>
Doch wiegen hier die <hirendition="#g">sinnlichen</hi> vor, nicht in Goethe's plastischem, <lbn="pgo_138.012"/>
sondern in stoffartigem Sinn: <hirendition="#g">süß, weich:</hi></p><lbn="pgo_138.013"/><lg><l>So schwebt mir vor ein <hirendition="#g">süßes</hi></l><lbn="pgo_138.014"/><l>Anmuthig liebes Bild.</l></lg><lbn="pgo_138.015"/><lg><l>Mädchen mit dem rothen Mündchen,</l><lbn="pgo_138.016"/><l>Mit dem Aeuglein <hirendition="#g">süß</hi> und klar.</l></lg><lbn="pgo_138.017"/><lg><l>Jn den Armen meiner Kön'gin</l><lbn="pgo_138.018"/><l>Ruht mein Königshaupt so <hirendition="#g">weich</hi>.</l></lg><p><lbn="pgo_138.019"/>
Jm Kontrast damit drückt er sein Unbehagen durch Wörter wie <lbn="pgo_138.020"/><hirendition="#g">dumpf, wund, elend</hi> aus! Liebeslust und Lebenssattheit, der Grundzug <lbn="pgo_138.021"/>
seiner Gedichte, prägt sich in seinen Lieblingsadjectiven aus. Doch <lbn="pgo_138.022"/>
hat er mit Goethe den Vorzug gemein, daß er dem einfachsten Beiwort <lbn="pgo_138.023"/>
oft eine prägnante Bedeutung zu geben weiß z. B.:</p><lbn="pgo_138.024"/><lg><l>Jch weiß nicht, was soll es bedeuten,</l><lbn="pgo_138.025"/><l>Daß ich so <hirendition="#g">traurig</hi> bin!</l></lg><p><lbn="pgo_138.026"/>
Ganz abweichend von diesen beiden Dichtern liebt <hirendition="#g">Schiller</hi> abstracte <lbn="pgo_138.027"/>
Beiwörter, wie <hirendition="#g">edel, sittlich, herrlich, ewig, schrecklich, zärtlich, <lbn="pgo_138.028"/>
himmlisch,</hi> Beiwörter, welche den idealen Charakter und das <lbn="pgo_138.029"/>
sittliche Pathos seines Dichtens treffend repräsentiren. Wo er aber schildert, <lbn="pgo_138.030"/>
häuft er die Synonyma in einer fast unschönen Weise:</p><lbn="pgo_138.031"/><lg><l>Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen</l><lbn="pgo_138.032"/><l>Sich regt' in dem <hirendition="#g">furchtbaren</hi> Höllenrachen,</l><lbn="pgo_138.033"/><l>Schwarz wimmelten da, in <hirendition="#g">grausem</hi> Gemisch</l><lbn="pgo_138.034"/><l>Zu <hirendition="#g">scheußlichen</hi> Klumpen geballt,</l><lbn="pgo_138.035"/><l>Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,</l><lbn="pgo_138.036"/><l>Des Hammers <hirendition="#g">gräuliche</hi> Ungestalt,</l></lg></div></div></div></div></body></text></TEI>
[138/0160]
pgo_138.001
Kennst du das Land, wo die Citronen blühn, pgo_138.002
Jm dunklen Laub die Goldorangen glühn, pgo_138.003
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, pgo_138.004
Die Myrthe still und hoch der Lorbeer steht!
pgo_138.005
Wie einfach sind die Beiwörter in diesem Vers gewählt, und wie pgo_138.006
geben sie doch durch ihre Zusammenstellung ein stimmungsvolles Bild! pgo_138.007
Auch „gefällig, anmuthig“ sind Lieblingsbeiwörter dieses Dichters! pgo_138.008
Spiegelt sich in ihnen nicht ganz die plastische Klarheit seiner Seele und pgo_138.009
seines Styles? Jn Heine's Liedern finden sich ebenfalls einfache Beiwörter, pgo_138.010
welche von einem großen Reize der Stimmung begleitet sind. pgo_138.011
Doch wiegen hier die sinnlichen vor, nicht in Goethe's plastischem, pgo_138.012
sondern in stoffartigem Sinn: süß, weich:
pgo_138.013
So schwebt mir vor ein süßes pgo_138.014
Anmuthig liebes Bild.
pgo_138.015
Mädchen mit dem rothen Mündchen, pgo_138.016
Mit dem Aeuglein süß und klar.
pgo_138.017
Jn den Armen meiner Kön'gin pgo_138.018
Ruht mein Königshaupt so weich.
pgo_138.019
Jm Kontrast damit drückt er sein Unbehagen durch Wörter wie pgo_138.020
dumpf, wund, elend aus! Liebeslust und Lebenssattheit, der Grundzug pgo_138.021
seiner Gedichte, prägt sich in seinen Lieblingsadjectiven aus. Doch pgo_138.022
hat er mit Goethe den Vorzug gemein, daß er dem einfachsten Beiwort pgo_138.023
oft eine prägnante Bedeutung zu geben weiß z. B.:
pgo_138.024
Jch weiß nicht, was soll es bedeuten, pgo_138.025
Daß ich so traurig bin!
pgo_138.026
Ganz abweichend von diesen beiden Dichtern liebt Schiller abstracte pgo_138.027
Beiwörter, wie edel, sittlich, herrlich, ewig, schrecklich, zärtlich, pgo_138.028
himmlisch, Beiwörter, welche den idealen Charakter und das pgo_138.029
sittliche Pathos seines Dichtens treffend repräsentiren. Wo er aber schildert, pgo_138.030
häuft er die Synonyma in einer fast unschönen Weise:
pgo_138.031
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen pgo_138.032
Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen, pgo_138.033
Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch pgo_138.034
Zu scheußlichen Klumpen geballt, pgo_138.035
Der stachlichte Roche, der Klippenfisch, pgo_138.036
Des Hammers gräuliche Ungestalt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Gottschall, Rudolph: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik [v]om Standpunkte der Neuzeit. Breslau, 1858, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschall_poetik_1858/160>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.