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Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814.

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Da sprang Kuno voll Zorn auf von dem Lager, und sprach:

"Hebe dich von mir, du böser Geist! Ehe soll das Gewürm hier meinen Leichnam fressen, als daß ich mich dir ergebe. Fort!"

Und es verschwand der Böse aus dem Kerker, und versuchte nicht wieder den Kuno.

Nach zwei schrecklichen Jahren endlich öffnete der Sultan seinen Kerker. Kuno wurde entlassen, erhielt seine Freiheit, und durfte wieder heimziehen in das Land, wo seine Väter ruhten. Allein, und ohne einen Gefährten, trat er die lange Reise an. Sein Körper war siech, sein Geist schwach. Mit Mühe schleppte er sich durch große Steppen und wüste Felder einem weiten, unabsehbaren Walde zu. Ohne Steg, ohne Weg, irrte er darin herum, hoffend, er werde doch endlich seinen Ausgang erreichen; aber ein ganzer heißer Tag verging, und noch nahm das Dickicht kein Ende. Am dritten Tage hatte

Da sprang Kuno voll Zorn auf von dem Lager, und sprach:

„Hebe dich von mir, du böser Geist! Ehe soll das Gewürm hier meinen Leichnam fressen, als daß ich mich dir ergebe. Fort!“

Und es verschwand der Böse aus dem Kerker, und versuchte nicht wieder den Kuno.

Nach zwei schrecklichen Jahren endlich öffnete der Sultan seinen Kerker. Kuno wurde entlassen, erhielt seine Freiheit, und durfte wieder heimziehen in das Land, wo seine Väter ruhten. Allein, und ohne einen Gefährten, trat er die lange Reise an. Sein Körper war siech, sein Geist schwach. Mit Mühe schleppte er sich durch große Steppen und wüste Felder einem weiten, unabsehbaren Walde zu. Ohne Steg, ohne Weg, irrte er darin herum, hoffend, er werde doch endlich seinen Ausgang erreichen; aber ein ganzer heißer Tag verging, und noch nahm das Dickicht kein Ende. Am dritten Tage hatte

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[343/0382] Da sprang Kuno voll Zorn auf von dem Lager, und sprach: „Hebe dich von mir, du böser Geist! Ehe soll das Gewürm hier meinen Leichnam fressen, als daß ich mich dir ergebe. Fort!“ Und es verschwand der Böse aus dem Kerker, und versuchte nicht wieder den Kuno. Nach zwei schrecklichen Jahren endlich öffnete der Sultan seinen Kerker. Kuno wurde entlassen, erhielt seine Freiheit, und durfte wieder heimziehen in das Land, wo seine Väter ruhten. Allein, und ohne einen Gefährten, trat er die lange Reise an. Sein Körper war siech, sein Geist schwach. Mit Mühe schleppte er sich durch große Steppen und wüste Felder einem weiten, unabsehbaren Walde zu. Ohne Steg, ohne Weg, irrte er darin herum, hoffend, er werde doch endlich seinen Ausgang erreichen; aber ein ganzer heißer Tag verging, und noch nahm das Dickicht kein Ende. Am dritten Tage hatte

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Zitationshilfe: Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Halle, 1814, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottschalck_sagen_1814/382>, abgerufen am 29.03.2024.